Das entwicklungspolitische Kinderhilfswerk terre des hommes hat die Bundesregierung nachdrücklich davor gewarnt, mit Vietnam einen eigenen Staatsvertrag zur Adoption abzuschließen. In einem Gespräch mit unserer Zeitung nannte der Adoptionsexperte der Organisation, Bernd Wacker, den vorgesehenen "Sondervertrag" einen Skandal.
Statt der Haager Adoptionskonvention beizutreten, der inzwischen mehr als 70 Staaten angehören, habe Vietnam 2003 einen Adoptionsstopp verhängt. Seitdem verlange das Land von jedem Staat, der vietnamesische Kinder adoptieren will, den Abschluss eines eigenen bilateralen Vertrages.
Wacker bezweifelte, dass die Rechte der betroffenen Kinder dadurch besser gewahrt würden. Zwar sei die Lage unübersichtlich, doch ließen auch aktuelle Berichte befürchten, dass von einer durchgängig am Kindeswohl orientierten Abwicklung von Adoptionen in Vietnam zurzeit nicht die Rede sein könne.
Scharfe Kritik übte Wacker am "skandalösen Verhalten" des federführenden Bundesfamilienministeriums. Offensichtlich habe man dort vergessen, dass der Abschluss solcher bilateralen Verträge zwischen Vertrags- und Nichtvertragsstaaten geeignet sei, das Ansehen und die Standards des Haager Adoptionsübereinkommens nachhaltig zu untergraben. Zudem habe es das Ministerium bis heute versäumt, eine fundierte Analyse der Situation verlassener oder von Verlassenheit bedrohter Kinder in Vietnam vorzulegen. Vielmehr habe man dem Druck einer interessierten Bewerberlobby nachgegeben.
"Hier wird das Prinzip Adoption willkürlich auf den Kopf gestellt", sagte der Adoptionsexperte. "Ob es verlassene Kinder in Vietnam gibt, für die man in Deutschland Eltern suchen muss, weil anderswo niemand bereit ist, sie aufzunehmen - diese alles entscheidende Frage wird nicht gestellt." Stattdessen gehe es vor allem darum, im internationalem Konkurrenzkampf um das adoptionsfähige, gesunde Kleinkind mitmischen zu können.