Mütter, die ein Kind zur Adoption freigeben, leiden oft lebenslang darunter. Dabei muss eine Adoption kein Abschied für immer sein.
"Ein Kind weggeben und vergessen - das geht nicht", sagt Christine Swientek, Professorin im Fachbereich Erziehungswissenschaften an der Universität Hannover. Swientek hat erforscht, dass zwei Drittel aller Herkunftsmütter früher oder später krank werden. Sie leiden unter Depressionen, Ängsten, Magersucht, sind häufig nicht in der Lage, weitere Kinder zu bekommen: "Je weniger selbständig die Frau entscheiden konnte, desto schlechter kommt sie später damit klar." Und je weniger sie über ihr Kind weiß.
Das musste auch Marlies Born, 43, erfahren. Die Sozialpädagogin aus Berlin hat ihre beiden Kinder zur Adoption gegeben. Um mit der Trauer fertig zu werden, gründete sie gemeinsam mit anderen Betroffenen 1998 den Verein "Netzwerk Herkunftseltern". In den vergangenen Jahren haben mehr als 10000 Menschen bei dem 50 Mitglieder zählenden Verein Rat und Hilfe gesucht - Herkunftsmütter, Adoptierte, junge Frauen auf der Suche nach den Halbgeschwistern, Sozialarbeiter und andere Fachleute. "Wenn sie die Abtretungsurkunde unterschreiben, ahnen die wenigsten, dass der Kummer immer wiederkommen kann. Am Geburtstag des Kindes, am Muttertag, an Weihnachten", sagt Marlies Born.
Doch selbst eine Adoption muss nicht heißen, dass man sich nie wieder sieht - wenn alle an einem Strang ziehen. Leibliche Eltern, Kind, Adoptiveltern als gemeinsames Team: Dieses Experiment haben Mona Maler*, ihr Sohn Dominik* sowie Patricia und Stefan Knappes aus der Nähe von Friedberg gewagt. Auf Anregung einer aufgeschlossenen Sozialarbeiterin des zuständigen Jugendamtes trafen sich alle in Monas Wohnzimmer. Patricia erzählte, warum sie keine Kinder bekommen kann. Mona erklärte, warum sie ihr Kind abgeben wollte: Dominik war das Resultat eines Seitensprungs, und ihr Partner drohte, sie zu verlassen. Was tun als Arbeitslose, die bereits zwei Kinder hat? Stefan Knappes schob seine Visitenkarte über den Tisch und fragte Mona, ob sie nicht einfach mal bei ihnen vorbeischauen wolle. So viel Offenheit hatte sie nicht erwartet. "In dem Moment wusste ich, denen kann ich vertrauen."
So wurde Mona zu Dominiks "Bauchmama", wie er sie nennt, zu der Frau, die hin und wieder auf einen Kaffee vorbeischaut. Seit dieser positiven Erfahrung bietet die Sozialpädagogin Brigitte Rieck allen Adoptiveltern an, Kontakt zu den leiblichen Eltern herzustellen. Anfangs stieß sie damit auf Unverständnis bei ihren Kollegen. Die befürchteten, dass es Streit geben könne, wenn die leiblichen Eltern eines Tages ihre Entscheidung bereuen. Doch ein Umdenken begann. "Es kommt immer häufiger vor, dass sich die Adoptivfamilie auf die Suche nach den leiblichen Eltern begibt", sagt Brigitte Rieck. Weil es zum Beispiel Probleme mit dem Kind gibt. Weil es nicht zu ertragen ist, wie das Kind sich Geschichten um seine Herkunft zurechtspinnt. Dass es sagt, es sei "wie ein Haufen Scheiße in die Welt geworfen" worden. Oder "verkauft wurde, weil die Mama Geld brauchte", wie eine Zehnjährige meint. Bei manchen Jugendämtern haben die Mitarbeiter inzwischen mehr mit der Suche nach den leiblichen Eltern zu tun als mit der Vermittlung von Adoptionen. Zustände, die Marlies Born bitter kommentiert: "Die Inkognito-Adoption ist unmenschlich."
* Namen von der Redaktion geändert
Viele Vermittler empfehlen neuerdings zumindest einen indirekten Kontakt zwischen den Familien, eine "halboffene Adoption". Namen und Adressen bleiben zunächst geheim. Aber Briefe, Geschenke oder Fotos können über die Vermittlungsstelle ausgetauscht werden. Oft genug wächst über solch einen gefilterten Kontakt das Vertrauen, und beide Familien wollen sich persönlich kennen lernen.
Doch klar ist: Die leiblichen Eltern sind dabei auf Gedeih und Verderb vom guten Willen anderer abhängig. Und vom Zufall, an welches Jugendamt sie geraten. Was, wenn die Adoptiveltern sich zurückziehen? Selbst wenn es vereinbart war, kann die leibliche Mutter nicht auf Briefe oder Besuche bestehen. Ein Recht am Kind für die leiblichen Eltern einzuführen, stoße auf "verfassungsrechtliche Bedenken", sagt Gabriele Conen vom Familienministerium. Adoptionsforscherin Christine Swientek sieht dagegen durchaus eine pragmatische gesetzliche Lösung: Warum nicht die Vermittler auf die offenen Formen der Adoption verpflichten? "Dann fallen zumindest all jene Anwärter durch das Raster, die das Kind als Besitz betrachten und für die Situation der Herkunftsmutter kein Verständnis haben."
Sogar Mona Maler, die sich so sicher war, fiel ein halbes Jahr später in ein tiefes Loch. "Es war ja immerhin mein Kind, ich habe nicht für es gesorgt." Dieser Gedanke kommt immer wieder zu ihr zurück. So wie zu Marlies Born. Mit einem Unterschied: Mona kann dann bei Dominik anrufen oder einfach vorbeifahren und sehen, dass der Siebenjährige gerade nichts spannender findet als seine Playstation. Das hilft.
Da kann man sich nur noch erstaunt die Augen reiben. Das Netzwerk Herkunftseltern e.V. hat sich vor einem Jahr aufgelöst, nachdem es schon mehrere Jahre in Tiefschlaf versunken war. Nun haben Marlies Born und Nanina Sefzig das Unternehmen reaktiviert und versuchen aus den Nöten der Herkunftseltern Kapital zu schlagen. Aus dem Angebot. eine kleine Auswahl
Skulpturarbeit Familienaufstellung Systemische Aufstellung Referate zu unterschiedlichen Themen der Familienarbeit und viele weitere Angebote auf Anfrage
unsere Honorare:
für einen halben Tag nehmen wir 400,00 Euro, für einen ganzen Tag nehmen wir 800,00 Euro zuzüglich Steuern, Fahrtkosten und Übernachtung.
Wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld..............
Nachdem wir über 10 Jahre in der Jugendhilfe tätig waren und unsere Arbeit meistens ehrenamtlich erfolgte, weil kaum bis keine Förderung zugeflossen ist und wir uns durch andere Tätigkeiten unseren Lebensunterhalt sichern mussten, haben wir uns während unserer letzten Mitgliederversammlung entschieden, den Verein aufzulösen. Das Verfahren befindet sich in der Abwicklung.
Für Herkunftsfamilien hat sich seit der Gründung unseres Vereins einiges verändert, doch ein Durchbruch ist uns nie gelungen. Immer noch erhalten wir Anrufe und eMails von Herkunftsfamilien, die sich nicht erklären können, warum sie keine Informationen bekommen, warum sie ihre Kinder nicht besuchen dürfen, warum Jugendämter und Gerichte für annehmende Familien entscheiden. Auch die Beteiligten am Vieleck der Fremdunterbringung bitten uns um Informationen, wie Situationen positiv verändert werden können, denn es geht ja eigentlich um das Wohl des Kindes.
Wir haben uns immer bemüht, Kommunikation in solche "Fälle" zu bringen, doch auch uns ist es nicht immer geglückt.
Bewirkt haben wir trotzdem vieles. Wir haben sehr viel Bewusstseinsarbeit geleistet und in einigen Amtsstuben ist eine andere Haltung eingekehrt, doch leider in viel zu wenige.
Wir haben uns um Verständigung im Vieleck von Inpflegegabe, Adoption und Heimunterbringung bemüht, denn die "Restfamilien" und die betroffenen Kinder sind häufigen Wechseln und häufig wechselnden Bezugspersonen ausgesetzt. Zu der erhofften Entspannung und zu Rückführungen kam es in sehr wenigen Fällen.
Es gibt ganz klar eine große Lobby für Fremdunterbringung und eine viel zu kleine Lobby für Rückführungen.
Unser Fazit lautet: Klare Umsetzung der verbrieften Rechte aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz muss strikt gefordert werden. Das "Instanzenvieleck" muss miteinander kommunizieren und nicht durch Schriftsätze Meinungen bilden. Immer dabei sein müssen die Betroffenen aller Parteien und sie müssen sowohl angehört werden als auch mit entscheiden. Obwohl das ein sehr schweres Unterfangen ist, muss begonnen werden gemeinsame Wege für die jeweiligen Einzelfälle zu finden. Mit einer einfachen Weitergabe der Hilfepläne an alle Beteiligten, wäre ein erster Schritt getan. Viel zu häufig haben wir gehört, dass Hilfepläne nicht ausgehändigt wurden. Das ist grob fahrlässig, denn durch die Weitergabe der original Hilfepläne haben alle klare Richtlinien in der Hand. Die Hilfepläne müssen natürlich bei Bedarf überarbeitet werden. Natürlich macht das Arbeit, doch es geht ganz banal um das Kindeswohl und nicht um das Thema der viel zu knappen Stellenpläne. Darunter sollten nie wieder Familien in Deutschland leiden müssen.
Wir werden die Entwicklung weiterhin mit großem Wohlwollen verfolgen und ziehen und jetzt erst einmal zurück, um unsere Tanks wieder aufzufüllen.
Wir wünschen all denen viel Erfolg und Durchhaltevermögen, die weiterhin in diesem Themengebiet arbeiten.
Eure Vorstandsfrauen vom Netzwerk Herkunftseltern.
I. V. Marlies Born, Paulsborner Str. 18, 10709 Berlin