Seit dem Skandal um eine Adoption unter zweifelhaften Bedingungen wird über bessere rechtliche Rahmenbedingungen für Auslandsadoptionen nachgedacht. Noch fehlen konkrete Ergebnisse. http://www.furche.at/system/showthread.php?t=538
Von Regine Bogensberger
Am Anfang stand ein Boom, der um 2001 einsetzte. In den westlichen Industriestaaten stieg die Anzahl ungewollt kinderloser Paare an, während die Zahl abzugebender Kleinkinder in diesen Staaten zurückging. Das führte zu einem steigendem Interesse an Adoptionen über Grenzen und Kontinente hinweg, vor allem zu einer Nachfrage nach Kindern aus Entwicklungsländern. In Österreich entstanden private Vereine wie „Family for you“ und „Brücke nach Äthiopien“.
Dann wurde ein Fall von Auslandsadoption öffentlich, bei dem es zu zahlreichen Ungereimtheiten kam: Der Verein „Family for you“ vermittelte an ein niederösterreichisches Paar zwei Kinder aus Äthiopien, wobei sich später herausstellen sollte, dass zumindest eines der Kinder mit gefälschten Dokumenten zur „Tochter“ des Paares erklärt wurde. Rechtliche Konsequenzen sind derzeit noch offen, wer für die verunglückte Adoption die Verantwortung trägt, ist noch immer unklar. Vorwürfe der "verbotenen Adoptionsvermittlung" durch den betreffenden Verein werden zur Zeit von der Staatsanwaltschaft Wien geprüft. Eine Anklage wurde noch nicht erhoben. Der Fall kam im Sommer 2007 erstmals an die Öffentlichkeit, Anfang 2008 kam es zu ersten Konsequenzen nach öffentlicher Diskussion: Der Wiener Verein setzte seine Tätigkeit aus (siehe unten).
Prompt folgten Forderungen an die Politik. Das Justizministerium kündigte an, das Gesetz über Auslandsadoptionen zu verbessern. Doch über ein halbes Jahr später warten Betroffene immer noch auf konkrete Ergebnisse. Zuletzt zerbrach die Regierung und die Vorhaben liegen auf der langen Bank. Was wurde also bisher gemacht?
• Im Familienministerium wird an einer Gesamtreform des Jugendwohlfahrtsgesetzes gearbeitet. Dabei werde auch die Auslandsadoption breiter gesetzlich verankert, erklärt Martina Staffe, Leiterin der Abteilung für Jugendwohlfahrt und Kinderrechte im Familienministerium. Bestimmungen dazu würden aus den achtziger Jahren stammen, doch sei man damals auf Auslandsadoption kaum eingegangen. Nun sollten alle Vorgaben und Bestimmungen „konkretisiert“ werden, wie Staffe sagt: Je konkreter das Grundsatzgesetz des Bundes, umso mehr seien die einzelnen Bundesländer gebunden. Die Vorgaben für Auslandsadoptionen sind derzeit in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Die Novelle hätte im Juli 2009 in Kraft treten sollen, doch nun ist der Zeitplan wieder ungewiss.
• Im Justizministerium wurde im Entwurf für Änderungen im Familienrecht ein Überprüfungsverfahren für Auslandsadoptionen festgelegt. Auch dieser Entwurf schaffte es nicht mehr in den Ministerrat. Es sollte die gesetzliche Möglichkeit geschaffen werden, gerichtlich zu überprüfen, ob eine im Ausland vollzogene Adoption auch hier rechtens ist. Das brächte Adoptiveltern gewünschte Sicherheit: Denn Auslandsadoptionen werden im Herkunftsland des Kindes nach den dortigen Gesetzen abgeschlossen. Eltern oder Behörden könnten dann ein Anerkennungsverfahren veranlassen. Es wäre aber nur eine Kann-Bestimmung und keine Verpflichtung für alle Auslandsadoptionen.
Gütesiegel für Vereine? Kritik an diesem Vorschlag kommt von Rechtsanwalt Eric Agstner (siehe unten). Er verlangt eine verpflichtende Kontrolle. Bisher würden etwa Vereine kaum kontrolliert.
• Justizministerin Maria Berger will es nicht bei diesem Anerkennungsverfahren belassen. Sie schlägt gegenüber der Furche vor, Vereine, die ausländische Kinder für Adoptionen vermitteln, einer Zertifizierung zu unterziehen. Bestehen sie diese, erhalten sie ein Gütesiegel, um so mehr Sicherheit für das Kind und die Adoptionswerber zu gewähren. Das Justizministerium würde diese Qualitätskontrolle durchführen. Jutta Eigner, Mitarbeiterin der Informationsplattform „adoptionsberatung.at“, sieht diesen Vorschlag zwiespältig: Einerseits gebe es zur Zeit ohnehin kaum Vereine, die zertifiziert werden könnten; einen Verein aufzubauen und sich dann einer Zertifizierung zu unterziehen, würden nur wenige auf sich nehmen, fürchtet sie. Andererseits sei alles zu begrüßen, das ein Mehr an Qualität bringe.
Die Grünen wiederum fordern, dass eine bundesweite, zentrale Vermittlungs- und Koordinationsstelle eingerichtet werde. Diese staatliche Stelle würde auch für Kontrollen sorgen. Davon hält Berger wenig. Es gebe bereits verantwortliche zentrale Behörden, eben die Jugendwohlfahrten der einzelnen Bundesländer. Insider äußern Kritik, dass die Jugendwohlfahrtsbehörden für den Bereich Auslandsadoptionen wenig Kapazitäten aufbringen könnten.
Der Vorschlag mit der zentralen Stelle würde auch Eigner zusagen. Sie verweist auf das Beispiel Island. Dort gebe es einen staatlich mitfinanzierten Verein für alle Werber. Partner im Ausland würden genau ausgewählt und kontrolliert.
Die rechtliche Basis für Auslandsadoptionen ist komplex: Es gelten das Internationale Privatrecht und das Haager Abkommen. Im Grunde könne niemandem eine Adoption im Ausland untersagt werden, da es ein Recht auf Familie gebe, erklärt Anwalt Eric Agstner: Es gelten die Gesetze des Landes, in dem adoptiert werden soll. Das Haager Abkommen legt Mindeststandards fest: Ein verwaistes Kind, das im Land nicht vermittelt werden kann, darf zwar an ein ausländisches Paar abgegeben werden, das Paar darf sich aber nicht eigenständig auf die Suche nach einem Kind machen. Denn so sei ein Markt entstanden, der Betrug begünstigt, so Experten. Unter Fachleuten gilt der Konsens, dass das Haager Abkommen zwar Schwachstellen habe, dass es aber bisher nichts Besseres gebe.
Stopp für Kambodscha Entscheidend ist die Praxis. Dass es hier bei manchen Staaten hapert, zeigt das Beispiel Kambodscha. Das asiatische Land trat 2007 dem Vertrag bei, was nicht alle anerkannten, da Kinderhandel nicht ausgeschlossen werden konnte (zum Beispiel Deutschland). Österreich sei einen anderen Weg gegangen, erklärt Robert Fucik, zuständiger Experte im Justizministerium: „Österreich stimmte dem Beitritt zu, wollte aber Kambodscha in die Pflicht nehmen.“ Es sei eine Gratwanderung, sagt Fucik: Es sei wichtig, so viele Staaten wie möglich ins Haager Abkommen zu integrieren, denn sonst würden viele Paare wieder auf eigene Faust vorgehen oder Vereine in Anspruch nehmen, die zweifelhafte Vermittlungen durchführten.