Kaum ein anderer Geschäftszweig ist so gewinnbringend wie der Babyhandel. So lange es noch ausländische Paare gibt, die in ihrer verklärten Unwissenheit der Ansicht sind, durch eine „Adoption“ ein gutes Werk zu tun, wird man den skrupellosen Menschen, die sich Elend und Hilflosigkeit der paraguayischen Landbevölkerung zunutze machen, das Handwerk nicht legen können.
Paare, die in ihrem Heimatland niemals ein Kind adoptieren können, weil sie die geforderten Voraussetzungen hierfür nicht erfüllen, da sie entweder unverheiratet, schwul, fettleibig, nicht wohlhabend, zu oft geschieden, oder nicht lange genug verheiratet sind, gar zu Antidepressiva greifen oder bereits vier Kinder haben, machen sich durch ihren Kinderwunsch unbewusst zu Komplizen eines gigantischen Netzwerkes von Menschenhändlern.
In ihrer Sehnsucht nach einem Kind glauben sie gern an das Märchen der weltweit Millionen von verlassenen Säuglingen und Kleinkindern, ausgesetzt an Straßenrändern, vor Kirchentüren, oder verwaist und elternlos durch Armut oder Krieg. Es wird ihnen suggeriert, dass diese vergessenen Kleinen in schrecklichen Waisenhäusern leben, wo sie einer ungewissen Zukunft des Elends entgegen sehen und nur durch viel Glück von liebevollen neuen Eltern aus weit entfernten Ländern dem Elend entrissen werden können.
Die Wahrheit ist, dass niemand ein „echtes“ Adoptionskind haben will, sie sind fast alle unvermittelbar, da sie entweder krank, behindert, traumatisiert oder älter als fünf Jahre sind. Es stimmt zwar, dass Tausende von Kindern ein behütetes Heim entbehren, jedoch erfüllen diese Kinder nicht die Ansprüche adoptionswilliger Industrieländer-Eltern. Aus diesem Grunde steht nicht das Suchen von Eltern für bedürftige Kinder an erster Stelle, sondern das Bestreben, Kinder für westliche Eltern zu finden und zwar mit allen Mitteln.
Immerhin zahlen amerikanische Adoptionsbewerber den Vermittlern zwischen 15.000 und 35.000 Dollar nur für die Aussicht ein Kind mit in ihr Land zu nehmen, die Reisekosten sind in diesem Preis nicht enthalten. Angeblich werden von dem Geld alle anfallenden Gebühren, Gehälter, Personalreisen und Waisenhausspenden gezahlt. In einem Land wie Paraguay, wo man für den Gegenwert von 35.000 Dollar ein durchaus, auch für westliche Verhältnisse hübsches Anwesen erstehen kann, dürfte jedem klar sein, dass eine derart gigantische Summe nur dazu dienen kann, den Babyhandel weiter auszubauen.
Wo also kommen die Babys her?
Das Geschäft der Auslandsadoptionen floriert, aber auch die Nachweise häufen sich, dass in vielen Ländern wie Paraguay den Familien die Babys systematisch abgenötigt, abgekauft oder einfach gestohlen werden. Mittlerweile wurden bei fast der Hälfte aller vierzig Länder, die seit 15 Jahren vom U.S. State Department als Top-Adressen für Adoptionen gelistet werden, die legale Adoption gestoppt und die Vermittlungsagenturen somit daran gehindert, weiterhin Kinder in die Vereinigten Staaten zu schicken. Wird ein Land „geschlossen“, verlegen die Agenturen ihre Aktivitäten unverzüglich ins nächste „heiße“ Land. Das hat zur Folge, dass dieses Land plötzlich einen Höchststand an Auslandsadoptionen verzeichnet. Der Markt des internationalen Adoptionsgewerbes wird von den Kunden selbst angekurbelt.
Dieses Gewerbe war nicht immer bedarfsorientiert. Noch vor einem halben Jahrhundert handelte es sich in erster Linie um eine humanitäre Leistung für Kriegswaisenkinder. Als Bertha und Henry Holt, ein evangelisches Paar aus Oregon 1955 acht koreanische Kriegswaisen adoptierte, wollten Familien aus allen nordamerikanischen Staaten ihrem Beispiel folgen. Die Popularität von Auslandsadoptionen in Australien, Kanada, Europa und den Vereinigten Staaten nahm kontinuierlich zu. Allein in den USA wurden im Jahr 2006 mehr als 20.000 Adoptionen von Kindern gezählt, die aus Entwicklungsländern stammen, während es 1995 „nur“ 8.987 waren.
Die „Westler“ werden mit Berichten und Bildern von Not und Entbehrung in den Entwicklungsländern gefüttert, um sie für den ertragreichen Markt zu sensibilisieren. Ausgerechnet UNICEF ist teilweise für den verbreiteten Irrglauben verantwortlich, dass Millionen verwaiste Babys neue Eltern suchen. Die Kinder-Hilfsorganisation veröffentlicht Statistiken über Waisen und Heimkinder, um damit den Bedarf an Auslandsadoptionen zu rechtfertigen. UNICEF berichtet von geschätzten 132 Millionen Waisenkindern im südlich der Sahara gelegenen Afrika, in Asien, Lateinamerika und der Karibik. Aber die Organisation macht keinen Unterschied zwischen Waisenkindern und Kindern, die nur einen Elternteil durch Flucht oder Tod verloren haben.
Nicht einmal zehn Prozent der Gesamtzahl – 13 Millionen Kinder – haben beide Eltern verloren, und sie leben auch nicht auf der Straße sondern bei Verwandten. Außerdem sind sie älter als fünf Jahre. Die angeblichen “Millionen von Waisen”, von denen UNICEF spricht, sind demzufolge keine gesunden Babys, denen ein elendes Dasein im staatlichen Kinderheim droht, falls sie nicht von sozial eingestellten Ausländern adoptiert werden, sondern es sind zumeist ältere Kinder, die bei Verwandten leben und nichts anderes, als finanzielle Unterstützung benötigen.
Weil die meisten Heimkinder Paraguays keine gesunden, adoptionsfähigen Kinder sind, wird auch fast keins von ausländischen Paaren adoptiert. Dennoch finden Adoptionen statt. Bei 98 % der U.S.-Adoptionen handelt es sich um „Abtretungen“. Babys, die niemals ein Kinderheim von innen sehen, werden direkt an private Anwälte überschrieben, die das Kind zur Adoption freigeben. Natürlich zu einem höchst ansehnlichem Honorar und mit gefälschten Dokumenten wie richterlichen Bestätigungen oder von einer dienstlichen Behörde ausgestellte Dokumente.
Das Leiden der biologischen Mütter.
Nelia Icahn gab bei der Polizei zu Protokoll, dass sie unter Waffengewalt in ihr Schlafzimmer eingesperrt wurde. Als sie sich befreien konnte musste sie feststellen, dass ihr Säugling verschwunden war. Sie hatte Glück im Unglück. Ihr Nachbar, ein deutscher Einwanderer, stellte ihr das Geld für private Nachforschungen zur Verfügung. Nach mehrmonatiger Suche fand sie ihre Tochter, die von einem Paar aus Colorado in den U.S.A. adoptiert werden sollte. DNA-Tests bewiesen, dass es sich bei dem gefundenen Kind tatsächlich um die leibliche Tochter Nelia Icahns handelte.
Eine andere junge Frau, Letizia Ferreira, wurde betäubt, während sie in einem Randgebiet der Hauptstadt auf den Bus wartete. Als sie wieder zu sich kam war ihr Baby verschwunden. Wenige Monate später erfuhr die junge Mutter, dass ihr Kind von einem amerikanischen Paar adoptiert wurde. Man bot ihr „Schweigegeld“ in Höhe von 3.000.000 Guaranies, ca. 500 Euros.
Die Kinderdiebe arbeiten mit allen Tricks. Unter dem Mantel der christlichen Nächstenliebe ziehen sie über die Dörfer. Sie laden schwangere Frauen unter dem Vorwand in die Hauptstadt ein, ihnen die Kosten einer Krankenhausgeburt zu zahlen. Sind die Frauen erst einmal in ihrer Gewalt, werden sie meist per unsachgemäßem Kaiserschnitt ihrer Kinder beraubt. Mit dem Glauben an eine Totgeburt schickt man sie wieder zurück in ihr Heimatdorf.
Oder die intellektuell auf niedrigem Niveau stehenden Landbewohner, die eine besonders leichte Beute sind, werden zu Ausgaben überredet, die sie nicht zahlen können und wo das Neugeborene dann als „Pfand“ einbehalten wird. Selbstverständlich sehen die Eltern ihr Kind nie wieder.
Die Kinderdiebe sind erfindungsreich, da sie ständig „Nachschub“ brauchen. Straßenkinder haben für sie keinen Wert, da sie mit fünf oder sechs Jahren bereits zu alt für ihre Zwecke sind. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass derartige Kinder in dem europäischen oder nordamerikanischen Mittelstandsmilieu grosse Anpassungsprobleme haben. Sie sind gezeichnet von Missbrauch, Verbrechen und Armut, und nur die wenigsten zukünftigen Eltern sind auf traumatisierte Adoptivkinder vorbereitet.
Vom geklauten Kind zum dokumentierten Adoptionsfall
In einem Entwicklungsland wie Paraguay ist es sehr einfach die Lebensgeschichte eines Babys neu zu konstruieren und somit ein künstliches Waisenkind zu fabrizieren. Die, den leiblichen Müttern entrissenen Säuglinge, werden ohne besonders großen Aufwand und mittels gefälschter Dokumente zu Papierwaisen. Der Babyhandel ist derartig lukrativ, dass sogar „solide“ Bürger wie Richter, Anwälte, Beamte aktiv daran teilnehmen. Sie lassen die, oftmals des Lesens und Schreibens unkundigen Mütter vom Land, unter irgend einem Vorwand ein Dokument unterzeichnen, wodurch sie ohne es zu ahnen ihr Kind zur Adoption freigeben.
Auch Mediziner schrecken nicht davor zurück, sich durch die Babymafia zu bereichern. Nach Auskunft der Geschäftsführerin von Ethica, einer amerikanischen Nonprofit-Organisation, die sich für ethisch korrekte Adoptionen einsetzt, hatte der leitende Geburtshelfer eines Provinzkrankenhauses 2007 verraten, dass er zehn Neugeborene an eine Einrichtung lieferte, die ihm im Gegenzug einen Brutkasten lieferte.
Um die bürokratischen Hürden einer Adoption reibungslos überwinden zu können, werden einfach Beamte bestochen, um die Personaldokumente des betreffenden Kindes zu fälschen. Die Konsulatsangestellten der adoptieren Länder verzichten im Normalfall auf eine Überprüfung der Dokumente. Sie wollen ihren Landleuten, die sich nach einem Kind sehnen, keine Steine in den Weg legen.
Nachdem die Öffentlichkeit Ende der 90er Jahre über eine Flut von fragwürdigen Adoptionen informiert wurde, hat Paraguay das Adoptionsverfahren reformiert. Diese Reform bewirkte, dass die internationalen Adoptionen plötzlich fast völlig zum Stillstand kamen. 1994 schickte Paraguay noch 483 Kinder in die Vereinigten Staaten, im Jahr darauf kein einziges mehr. Mittlerweile hat sich das Geschäft mit der Adoption auf die neue Situation eingestellt und nutzt bestehende Gesetzeslücken aus.
Strengere Vorgehensweisen würden nicht nur die Kinder und ihre biologischen Familien vor erzwungenen Adoptionen schützen, sondern wären auch für die Paare, die sich so sehnlichst ein Kind wünschen, von großem Vorteil. Immerhin handelt es sich bei einer Adoption um einen höchst emotionalen Vorgang und viele Adoptiveltern werden mit den Schuldgefühlen nicht fertig, die sie beschleichen wenn sie erfahren, dass das adoptierte „Waisenkind“ einer Familien entrissen wurde.
Im Oktober 2007 sprach eine Amerikanerin auf der Adoptionsethik-Konferenz über diese schmerzhafte Entdeckung. Weinend berichtete sie: „Man hatte sie uns als elternlos vorgestellt. Nach einem Jahr in unserem Haus sprach sie englisch und erzählte uns über ihre Familie, ihre Mama, ihren Papa, ihre Brüder und Schwestern“.
“Leichtgläubige Westler, die naiv daran glauben, dass sie Kinder retten, lassen sich allzu schnell darauf ein, entführte Kinder aufzunehmen”, schreibt David Smolin, ein Juraprofessor und Befürworter der Auslandsadoptionsreform. “Denn kein Dummkopf ist so dumm wie der, der für dumm gehalten werden will.”