Was in vielen Ländern verboten ist - in Russland ist es ein einträgliches Geschäft. Fast 50.000 Euro zahlen Paare aus dem Westen für das Baby einer Leihmutter. Die bekommt nur einen Bruchteil davon, das große Geld machen Agenturen. Dafür tragen die Mütter das volle Risiko und werden auch mit ihren seelischen Qualen völlig allein gelassen.
Sendeanstalt und Sendedatum: WDR, Sonntag, 7. Dezember 2008
Nur noch wenige Tage, dann ist es soweit. Oxana wird ein Mädchen bekommen, ihr Kind.
„Es tobt schon, trampelt mit seinen Beinchen gegen meinen Bauch. Einen Namen habe ich nicht. Ich nenne es einfach meine Freundin …“
Den Vater kennt Oxana nicht. Er ist Däne und hat ihren Bauch gekauft. Für 46.000 Euro. Oxana bekommt 6.000 davon. Der Rest geht an die Vermittler. Oxana ist eine Leihmutter.
Vier Monate vorher. Oxanas Heimatort, Sewerodwinsk im Norden Russlands. Eine arme Gegend. Das glitzernde Moskau ist ein Traum aus dem Fernsehen hier in der Provinz.
Oxana ist Kosmetikerin. Für 300 EUR im Monat arbeitet sie in diesem Salon. Das Geld ist immer knapp, denn Oxana ist alleinerziehende Mutter.
Eines Tages las sie in der Zeitung: gesunde Frauen gesucht, als Leihmütter für Kinderlose aus dem Westen. Belohnung: 6.000 Euro. Für Oxana viel Geld. Damit könnte sie endlich die feuchte Wohnung renovieren, einen Computer für den Sohn kaufen. Oder sich einmal wie die Frauen fühlen, die sie tagtäglich schön macht. Doch bis zur Entbindung darf niemand von ihrem Bauch wissen. Und das heißt: Abschied nehmen.
„Ich bin dann weg, Christina! Tschüs Tanjuschka!“ „Ich kann hier nicht mehr lange bleiben. Der Bauch fällt zu sehr auf. Dann redet die ganze Stadt schlecht über mich, und ich riskiere meinen Job. Ich habe auf der Arbeit erzählt: ich mache vier Monate Urlaub.“
Und diese Zeit wird sie in Moskau verbringen. So schreibt es der Vertrag mit der Leihmutteragentur vor. Es ist der letzte Tag vor ihrer Abreise. Abschied von Vanja, Oxanas Sohn. Er bleibt allein in Sewerodwinsk.
„Das geht schon. Geschäft ist Geschäft. Kind gegen Geld. Nur für kurze Zeit.“
Um Vanja wird sich solange die Oma kümmern. Vier lange Monate wird Oxana ihren Sohn nicht sehen. Vanja weiß bescheid über das fremde Baby im Mama´s Bauch. Der 15jährige hat seine eigene Sicht und will einfach nur, dass der Spuk so schnell wie möglich vorbei ist.
„Das was da in ihrem Bauch ist, ist nicht meine Schwester. Ich möchte auch nicht, dass das Baby mit mir Ähnlichkeiten hat. Ich sehe das sportlich. Meine Mutter ist bloß ein Behälter, oder besser noch: eine Art Trägerrakete.“
„Du wirst mir fehlen, Kleiner.“
Moskau. Hier, 2.000 Kilometer von ihrer Heimat entfernt, wird Oxana das Kind zur Welt bringen.
Ab jetzt wird ihre Schwangerschaft von den Ärzten der Vermittlungsagentur überwacht. Bezahlt vom Geld des Vaters aus Dänemark. In Oxanas Vertrag steht, dass nur sie allein für das Kind verantwortlich ist. Soweit so gut. Doch wenn das Kind krank zur Welt kommt, muss sie das Geld für die Untersuchungen zurück zahlen. Wird das Kind behindert geboren wird – streichen sie Oxana auch das Honorar. Die Agentur geht kein Risiko ein. Der Vater sowieso nicht.
„Er hat das Schicksal seines ungeborenen Kindes einer Frau anvertraut, die er nicht kennt. Er hat ja nur mein Foto gesehen. Ich weiß noch nicht einmal, wie er aussieht. Ich kann nur hoffen, dass das Kind bei ihm später in guten Händen ist. Dass es im Leben alles bekommt. Alles, was ich ihm nicht geben kann.“
Die Agentur, die Oxana als Leihmutter vermittelte. Hier werden Geschäfte mit dem ungeborenen Kind abgewickelt. Aufträge gibt es genügend und interessierte Russinnen ebenfalls. Dutzende Mädchen stellen sich täglich vor, die meisten aus der Provinz. Das Leben ist teuer. Sie will auch mit ihrem Bauch zu Geld kommen. Der Agenturchef entscheidet, ob sie in Frage kommt.
„Wir sorgen für einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Klienten. Leihmütter sind eine Art Babysitterin auf Zeit. Wir engagieren sie für neun Monate und übernehmen die Unkosten. Daran ist nichts Verwerfliches. Sie zahlen ja auch einem guten Koch, der das Essen im Restaurant besser macht als sie selbst. Leihmütter sind für uns die bessere Köchinnen.“
Je näher der Termin rückt, um so unruhiger wird Oxana. Sie hat Angst, dass die Bindung zum Kind doch stärker wird, als sie gedacht hat.
„Ich werde verrückt, wenn ich daran denke, dass ich das Kind abgeben muss. Aber ich habe keine Wahl. Ich hoffe nur, dass es schnell geht.“
Das Mädchen ist da, endlich. Eigentlich hat Oxana ihren Vertrag damit erfüllt. Doch niemand kommt das Mädchen abholen. Weder der Vater noch die Agentur.
„Ich fühle mich betrogen. Laut Vertrag sollte ich doch das Kind nach der Geburt sofort an den Vater abgeben. Der ist aber noch nicht da. Jetzt, wo ich das Baby habe, hängt mein Herz total an der Kleinen. Wie kann man es nicht lieben? Eine solche Schönheit.“
Wann der Vater kommt, kann ihr niemand sagen. Was passiert, wenn der Vater gar nicht kommt? Einen solchen Fall sieht der Vertrag nicht vor. Schließlich hat es fünf Wochen gedauert, bis der Vater es geholt hat. Eine schlimme Zeit für Oxana.
Aber was heißt das schon in einem Land, in dem arme Mädchen Schlange stehen, um für Geld ihren Bauch zu vermieten.
„Das war der schlimmste Fehler meines Lebens. Ich dachte ich kann das. Nie wieder.“
Den Preis, den zahlen am Ende Oxana und ihr Baby. Koste es was es wolle.