Pikanter Familienzwist: Als Ehen zwischen Schwulen und Lesben noch undenkbar waren, traf die Enkelin des IBM-Gründers eine kuriose Entscheidung - und adoptierte ihre Lebensgefährtin. Die beiden trennten sich vor Jahren, nun streiten sie um das Erbe. Der Fall beschäftigt gleich mehrere US-Gerichte.
Sie verliebten sich zu einer Zeit, da gleichgeschlechtliche Ehen in den USA noch tabu waren. Es war 1978, als sich Patricia Spado und Olive Watson kennenlernten. Obwohl sie vorher an entgegengesetzen Ecken des Landes lebten, zogen sie sofort zusammen. Spado, damals 31, ließ in Kalifornien alles zurück, und baute mit Watson, damals 30, eine gemeinsame Existenz an der US-Ostküste auf.
Es war eine schöne Existenz. Watson ist die Enkelin von Thomas Watson, dem Mann, der einst den Computerkonzern IBM gegründet hatte. Ihr Vater, Thomas Watson Jr., war ebenfalls 20 Jahre lang Präsident von IBM und wurde später US-Botschafter in der Sowjetunion. Das Frauenpaar verbrachte seine Zeit auf den Anwesen der Watsons in New York und Connecticut und im Sommer in Maine, wo der Millionärsclan auf einer rauen Felsinsel einen spektakulären Landsitz besitzt.
Drei Jahrzehnte später ist die - seither längst gescheiterte - Beziehung der Frauen plötzlich zu einem der pikantesten Gesprächsthemen in New York geworden, auch an der Wall Street. Denn im Mittelpunkt steht die Hinterlassenschaft der IBM-Dynastie: Es geht um Abermillionen Dollar, um den Geldwert gleichgeschlechtlicher Liebe - und eine bizarre, doch gerichtlich sanktionierte Pseudoadoption. Wieder beschäftigt der Fall die Gerichte.
Spado und Watson konnten damals zwar nicht heiraten, doch sie lebten wie ein Ehepaar. In den insgesamt 14 Jahren, die sie zusammen waren, verbrachten sie nach eigener Darstellung nur fünf Nächte getrennt. Sie teilten sich Immobilien und Bankkonten, traten auf Familienfesten als Paar auf, hatten einen gemeinsamen Hund. Watson ernannte Spado sogar per Testament zu ihrer Alleinerbin.
Um diesen Erbanspruch auch noch gesetzlich abzusichern, griffen die Freundinnen schließlich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Watson adoptierte Spado 1991. Es war, mangels anderer Formen der Gleichstellung, die einzige legale Möglichkeit, einen schwulen oder lesbischen Hinterbliebenen davor zu schützen, von der Familie vom Erbe ausgeschlossen zu werden. Ein Gericht in Maine gab der Adoption statt, obwohl der Hintersinn augenfällig war.
Nicht mal ein Jahr später trennten sich die Frauen. Watson - deren eigenes Vermögen sich damals Gerichtsakten zufolge auf rund zehn Millionen Dollar belief - zahlte Spado 500.000 Dollar. Damit hätte die Sache eigentlich erledigt sein sollen und war es auch - vorerst.
Thomas Watson Jr. - der nichts von der Adoption Spados wusste - starb 1993, seine Frau, die auch Olive hieß, lebte bis 2004. Sie hinterließ das in einer Stiftung gesammelte Familienerbe ihren 18 Enkelkindern, darunter zwei Jungen, die ihre Tochter Olive Watson nach der Trennung von Spado adoptiert hatte.
Woraufhin Letztere plötzlich wieder aus der Versenkung auftauchte: Dank der Adoption von 1991 sei sie das 19. Enkelkind und habe Anrecht auf einen Anteil an dem Millionentopf.
Seitdem zanken sich Spado und ihre Ex-Freundin Watson sowie deren Familie vor Gericht, von einer Instanz zur nächsten. Spados Ansprüche, so sagt Olive Watson, seien mit der halben Million Dollar ein für allemal abgegolten worden. Sie sei "nicht dafür, dass Patty das Geld erbt", ließ sie über einen Emissär verlauten, der hinzufügte: "Wenn sie selbst die Adoption annullieren könnte, würde sie es sicher tun."
Die Abfindung von 1991, hält Spado dagegen, habe sich nur auf die gemeinsamen Immobilien bezogen, mehr nicht. Sie habe ihr Leben und ihre Karriere als Innenarchitektin aufgegeben, um für Watson an die Ostküste zu ziehen. "Die Beziehung hatte viele Eigenschaften einer Ehe", erklärten Spados Anwälte in einem Antrag. Auch Watsons Eltern hätten die lesbische Beziehung anerkannt: "Vor allem Olives Mutter war zutiefst dankbar, dass Patricia dafür mitverantwortlich war, Olives Leben wieder zu richten, nach einer langen Phase selbstzerstörerischen Verhaltens."
Der Streit ist besonders schillernd, da es hier um eine der altehrwürdigsten Industrie- und Polit-Dynastien der USA geht. Thomas Watson Sr. war ein typischer Selfmade-Millionär und zugleich wegen Wettbewerbsverstoß schon früh vorbestraft - ein Kavaliersdelikt in jener Ära zügellosen Unternehmertums. 1914 wurde er Chef einer Firma namens Firma Computing Tabulating Recording Corporation, die vor allem Stechuhren herstellte. 1924 taufte er sie in International Business Machines um - IBM.
Watson war ein Liebling Washingtons. Er galt als Präsident Franklin Roosevelts inoffizieller "Botschafter" in New York. Unter ihm wurde IBM zu einem Mammutkonzern, so wusste er während des Zweiten Weltkriegs, wie er sowohl mit dem US-Militär als auch mit den Nazis Geschäfte machen konnte. 1952 trat er IBM an seinen ältesten Sohn Thomas Watson Jr. ab.
"Ein mephistophelisches Manöver"
Watson Jr. stand IBM von 1952 bis 1971 als Präsident vor. Er führte die Firma ins Computerzeitalter und machte sie zum globalen Marktführer. Präsident Lyndon Johnson verlieh Watson 1964 die Presidential Medal of Freedom, die höchste Auszeichnung für einen US-Zivilisten. Unter Jimmy Carter wurde er dann Botschafter in Moskau. Auch spendete er Abermillionen für gute Zwecke und gründete diverse Stiftungen.
Es geht also um viel in diesem ungeplanten Erbstreit. Dennoch waren sich die Gerichte lange uneins. Das Hin und Her hängte sich hauptsächlich an Formalien auf, ohne die pikante Natur des Falles zu würdigen: War die Adoption rechtsgültig? Muss ein Adoptivkind jünger sein als die Person, die es adoptiert?
Die Adoption Spados, schäumte Henry Pascarella, ein Anwalt der Watson-Familie, sei "ein mephistophelisches Manöver einer Frau im mittleren Alter" gewesen, "um ihre noch ältere Geliebte 'als ihr Kind' zu adoptieren".
Ein Nachlassgericht in Maine schloss sich dem schließlich an und annulierte die Adoption im April 2008. Doch der Oberste Gerichtshof des US-Bundesstaates hob diese Entscheidung jetzt vorige Woche wieder auf: Die Adoption sei völlig rechtens gewesen - selbst wenn sie offensichtlich nur dem Zweck gedient habe, eine gleichgeschlechtliche Erbfolge zu sichern.
Nur die Anwälte reden noch miteinander
Dies ist nun vorerst das letzte Wort - in Sachen Adoption. Doch die Saga ist damit lange nicht vorbei: Ein anderes Gericht muss als nächstes entscheiden, ob Spado als Adoptiverbin auch wirklich Anspruch auf einen Anteil am Watson-Nachlass habe. "Jetzt", sagte Spados Anwalt Michael Koskoff, "beginnt das Feuerwerk."
Die zwei Frauen, beide heute 61 Jahre alt, verkehren längst nur noch über Anwälte miteinander. Spado lebt in New York und Kalifornien und arbeitet als Innendekorateurin. Sie brauche das Geld, sagt sie, um ihre greise Mutter zu versorgen. Watson, die mit einer anderen Partnerin in Miami wohnt, ist Aktivistin, unter anderem für die Schwulen- und Lesbenorganisation Empire State Pride Agenda.
Deren aktuelles Hauptanliegen: die Durchsetzung der gleichgeschlechtlichen Ehe.