Zum Problem der Adoption nach dem Tod eines leiblichen Kindes
Wenige Tage nach seinem 5. Geburtstag wird bei Pit Lockenvitz ein bereits stark metastasierter Gehirntumor diagnostiziert, ein ATRT. Fünf Monate nach Diagnosestellung, am 21. Dezember 2004 stirbt Pit im Kreise seiner Familie an seiner Krankheit. Seine Mutter, Kathrin Lockevitz, hat die Geschichte von Krankheit und Tod des kleinen Sohnes in einem Buch beschrieben. Im Schlusskapitel des Buches unter dem Motto Zukunft gestalten macht sie sich Gedanken um eine mögliche Adoption..
„Das Schicksal der beiden verwaisten Mädchen geht uns seit Dezember 2004 nicht aus dem Kopf. Und es gibt so viele Kinder, die in ihrem Leben auch nicht so viel Glück hatten. Immer wieder rütteln uns Nachrichten auf von Kindern, die von ihren Elten vernachlässigt , misshandelt oder missbraucht wurden, die verdursteten, verhungerten oder erschlagen wurden. . Es ist so erschütternd und ungerecht. Diese Kinder sind gesund gewesen und haben doch nie eine wirkliche Chance bekommen, ins Leben zu trete, weil sie vielleicht nicht gewünscht waren oder im Wege standen . Und wir liebten und beschützten unsere Kinder und mussten eins ungewollt hergeben. So haben wir in der Familie und im Freundeskreis überlegt, wie wir anderen und auch uns selbst helfen könnten. Wir möchten gerne einem Pflegekind die Chance geben, geliebt, behütet unnd umsorgt in einer harmonischen Familie aufzuwachsen. Eine sich daraus entwickelnde Adoption schließen wir nicht aus. Im Haus, am Tisch und in unseren Herzen ist noch so viel Platz. Bestimmt wartet irgendwo ein Kind, das gerne bei uns leben möchte und sich in unserer Familie wohl fühlt. Wir sind uns da absolut sicher. Bestimmt könnten wir ein erfülltes Leben auch zu dritt führen. Doch wir wissen, wie es mit zwei Kindern war. Und auch Timmi findet, dass das Familienleben zu viert eben doch bunter ist. Viele Stimmen wurden laut: Bekommt doch noch ein Baby. Ihr seid doch noch nicht zu alt. Aber für ein eigenes Kind fehlt uns der Mut. Wird es gesund sein, oder werden wir uns einreihen in die Gruppe von Eltern, die zwei Kinder an die Krankheit verloren? Die Ursachen sind noch nicht geklärt und wir möchten das Schicksal nicht herausfordern. Wir würden uns das nie verzeihen. Timmi haben wir auf seinen Wunsch hin untersuchen lassen. Er hatte natürlich auch Angst zu sterben. Gott sei dank ist er gesund und bleibt es hoffentlich auch. Und doch kann uns niemand die Angst nehmen. Wir haben in den Krankenhäusern zu viel gesehen. Eine Sicherheit gibt es nicht. Doch für den Moment sind wir beruhigt. Unsere Kinder gehören uns nicht, das haben wir in der Vergangenheit gelernt. Aber wir können einem Kind helfen, seinen Weg zu finden. Können ihm Angebote für sein Leben machen, ihm die Hand reichen. Ja, das können wir wirklich leisten. Nichts wird Pit jemals ersetzen, aber er hätte ganz gewiss nichts dagegen, dass wir noch einem Kind Liebe schenken, denn er hatte so gerne Kinder um sich. Nun versuchen wir die Behörden davon zu überzeugen, dass wir es gut meinen, tiefgründig durchdacht haben und nicht nur die Lücke in unserem Herzen schließen wollen.. Wir passen aber nicht ins Schema, und das macht es uns beim Jugendamt so schwer. Man schätzt unsere Situation nicht richtig ein, kennt uns nicht und möchte, dass wir uns noch ganz viel Zeit lassen. Was aber bringt uns die Zeit? Wir weinen mit Sicherheit auch nach Jahren noch um Pitchen, aber wir sind trotzdem bereit für neue Aufgaben. Es gibt so viele Kinder, die fremde Hilfe dringend benötigen Und sowieso kann niemand ermesse, wie es in uns aussieht, wenn er eine ähnliche Erfahrung noch nicht gemacht hat. Jedenfalls haben wir uns vorgenommen, uns nicht entmutigen zu lassen. Wir sind als Familie nicht zerbrochen, sondern trotz aller Tränen irgendwie auch gestärkt aus diesem Lebensabschnitt hervorgegangen. Und ich glaube, es gibt wirklich nur diese beiden Möglichkeiten. Das Rad der Welt dreht sich eben weiter. Wir regen uns auch schon wieder über banale Dinge auf, die es eigentlich nicht wert sind. Der Alltag hat uns wieder. So ist es, das Leben. Es verweilt nicht.“
Aus: Kathrin Lockenvitz: Ich komm` als Blümchen wieder. Tagebuch eines Abschieds. priegnitz-pur Verlag, Meyenburg 2007, S.222/223
Als atypischer teratoider/rhabdoider Tumor, häufig auch als ATRT oder AT/RT abgekürzt, wird ein seltener Hirntumor aus der Gruppe der embryonalen Tumoren bezeichnet. Der äußerst bösartige Tumor wird nach der WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems als Grad IV eingeteilt und tritt ganz überwiegend bei Kleinkindern auf. http://de.wikipedia.org/wiki/Atyp
ich weiss nicht, das klingt nach einer sehr netten und sympathischen Frau, aber ich finde auch, dass sie sich Zeit lassen sollten. Es klingt an manchen Stellen wie Adoption aus Angst vor dem, was mit einem weiteren leiblichen Kind passieren könnte. Es klingt wie der unbewusste oder verdrängte und geleugnete Versuch ein Loch zu füllen. Egal ob ein weiteres leibliches oder ein Adoptivkind, jedes Kind hat das Recht darauf kein Lückenfüller oder Ersatz oder Trost zu sein.
Sie schreibt zwar, dass es ihnen genau darum nicht geht, aber die Psxche ist ein seltsam Ding.
Es ist mir durchaus verständlich, dass in Familien, in denen ein Kind stirbt, viel Liebe da ist, die bislang das verstorbene Kind erhalten hat und die nun nicht mehr gezielt fließen kann. Es gibt auch Eltern, die ein dadurch angenommenes Kind nicht als Ersatz, sondern als eigenständige Persönlichkeit sehen und auch so behandeln. Das erlebte ich in zwei Familien. Die erste, eine Urlaubsbekanntschaft in Süd-Tirol hatte ihr 7. Kind, einen Jungen, verloren. Trotz der vielen Kinder adoptierten die Eltern einen kleinen Knaben, der von der ganzen Familie geliebt und gehätschelt wurde. Alle, auch die Kinder, sagten übereinstimmend, seit der Kleine da ist, ist die Welt wieder vollkommen in Ordnung.
Die andere Familie nahm zum Zeitpunkt unserer Adoptionspflege ein Mädchen in Pflege, nachdem ein eigenes Mädchen, ebenfalls 7. Kind, verstorben war. Wie herzlich wurde das Kind, das später auch adoptiert wurde, von der ganzen Familie behandelt; sie war dort der Sonnenschein. Von Lückenfüller oder -büßer konnte in beiden Fällen absolut nicht die Rede sein.
Ich denke, dass das JA recht hat und der Familie etwas Zeit geben soll, den Tod ganz zu verarbeiten. Es hört sich zwar so an, als ob dies geschehen wäre. Aber warum die Eile. Gestorben im Dezember 2004 und das Buch ist 2007 herausgekommen. Das sind im Grunde weniger als 2. Jahre. Das wäre mir auch zu wenig.
Und ja, es liest sich ein wenig als Lückenbüßer. Aber wie Martina sagte gibt es Familien in dem das gut klappen könnte. Ich denke man sollte der Familie Zeit geben und dann das ganze noch einmal reflektieren. Vielleicht gibt es genau ein Pflegekind, was genau in diese Famile hineinpaßt. Man sollte nur nicht unterschätzen, dass alle die neue Sitiuation mit einem Pflegekind immer (evt. auch unbewusst) mit dem verstorbenen Kind vergleichen. Das Kind sollte auf jeden Fall vom Alter nicht mit dem verstorbenen Kind vergleichbar sein. Ein deutlicher Altersabstand ist sinnvoll.
Das für Familie Enke zuständige Jugendamt hatte diese Skrupel nicht. Lara Enke ist am 09.09.2006 gestorben. Im Mai 2009 wurde Leila der Familie Enke übergeben. Zwei Jugendämter. Zwei sehr voneinander unterschiedliche Handhabungen. Warum?
@Burkhard das liegt wohl an verschiedenen Menschen in unterschiedlichen Bundesländern. Enke lebte in Niedersachsen, Lockewitz in Brandenburg. Die Mitarbeiter des JA in Hannover haben nach meiner Ansicht versagt. Versagen ist leider menschlich. LG pino
Übrigens hat R. E. noch wenige Wochen vor der Ankunft der kleinen Leila in einem Bild-Interview am 11.2.2009 folgendes gesagt:
BILD: Das Grab Ihrer Tochter ist in Hannover. Würde das bei einem möglichen Vereinswechsel eine Rolle spielen? Enke: „Es wird eine Rolle spielen, aber nicht mehr die tragende wie bei der letzten Vertragsverlängerung. Es sind seitdem zweieinhalb Jahre vergangen. Damals waren wir in der unmittelbaren Trauerphase.“ BILD: Wie oft sind Sie heute noch auf dem Friedhof? Enke: „Manchmal mehrere Tage hintereinander, dann mal wieder mehrere Tage nicht. Das ist sehr unregelmäßig.“ BILD: Heilt die Zeit Ihre Wunden? Enke: „Nein, ganz sicher nicht alle. Das Leben mit unserer Tochter und ihren Tod werde ich nie vergessen. Aber die Entscheidung, ob wir weiter in Hannover bleiben, werde ich nicht von der Tatsache abhängig machen, dass ihr Grab hier in Hannover ist.“ BILD: Können Sie sich vorstellen, noch mal Vater zu werden? Enke: „Vorstellbar ist alles, aber wir haben das im Moment nicht geplant. Das Thema gehen meine Frau und ich sehr entspannt an.“
Wie gesagt, das war 3 Monate vor der Ankunft von Leila und zu diesem Zeitpunkt hatten sie sich (nach Aussage seines Managers in einem Interview vom Mai 2009) bereits über ein Jahr vorher deutschlandweit bei diversen JÄ um ein Adoptivkind beworben! Ich werde das dumpfe Gefühl nicht los, dass sich beide in das neue Kind verrannt haben, um endlich ihre Trauer zu bewältigen. Man kann hier auch nicht alles auf den schwer kranken R.E. abschieben; ich finde, seine Frau hat hier auch jämmerlich versagt - nicht nur aus Sicht des Adoptivkindes.
Wieso soll in jedem Falle ein Kind, das nach einem verstorbenen Kind in die Familie kommt, ein Lückenfüller sein? Ist es nicht so, dass ein kleines Kind in seiner Umgebung Liebe erzeugt, die sich verselbständigt und automatisch fließt. Stirbt nun dieses Kind, fließt die Liebe weiter, findet aber keinen Empfänger, der sie reflektiert und dieser Zustand ist äußerst schmerzhaft. Viele Eltern sehen dann zu, wieder ein Kind und damit einen Empfänger eben dieser Liebe zu bekommen. Ist es ein leibliches Kind, sprichrn die Menschen in der unmittelbaren Umgebung nicht von einem Lückenfüller, sondern finden diesen Vorgang sehr vernünftig. Wird dann aber ein Kind beim Jugendamt für eine Adoption beantragt (aus was für Gründen auch immer), sind angeblich 3 Jahre für den Abschluß der Trauerarbeit viel zu kurz. Wie lange sollte dieser Prozeß denn dauern?
Jetzt werde ich mal absichtlich eine Spur ketzerisch: Sind die Kinder, die eine Herkunftsmutter nach der Adoptionsfreigabe eines Kindes bekommt, auch Lückenfüller? Die Umstände sind doch ähnlich?
Zitat von MartinaWieso soll in jedem Falle ein Kind, das nach einem verstorbenen Kind in die Familie kommt, ein Lückenfüller sein?
Was mich betrifft, war das kein Pauschalurteil, sondern nur auf den Fall E. bezogen. Wenn man sich dort die Fakten ansieht, muss man zu dem Schluß "Lückenfüller" kommen. Das sehen zum Glück "Nichtherkunftsmütter" auch so.
ZitatWird dann aber ein Kind beim Jugendamt für eine Adoption beantragt (aus was für Gründen auch immer), sind angeblich 3 Jahre für den Abschluß der Trauerarbeit viel zu kurz. Wie lange sollte dieser Prozeß denn dauern?
Ich weiß nicht, woher diese "drei Jahre" kommen, aber die sind natürlich Unsinn. Siehe Petra Schürmann, für die haben noch nicht einmal acht Jahre gereicht, den tragischen Unfalltod ihrer Tochter zu akzeptieren. Es kommt auf die Einstellung zu Schicksalsschlägen an, nicht auf Zeitfenster. Normalerweise dürften gesunde Menschen nach einem Jahr diese akute Trauerphase abgeschlossen haben. Wenn man sich die Verhaltensweisen des Ehepaares E. ansieht, muss jedem klar sein, dass sie den Tod ihrer Tochter noch nicht verarbeitet hatten und das ist für direkt nachfolgende Kinder ein Problem. Da reicht schon eine übertriebene Liebe aus, um ein zusätzliches Trauma zu kreieren und genau das will man mit dieser "abgeschlossenen" Trauerphase ja erreichen. Ich bin sicher nicht beamtenhörig, aber in diesem Fall gebe ich denen sogar Recht.
ZitatJetzt werde ich mal absichtlich eine Spur ketzerisch: Sind die Kinder, die eine Herkunftsmutter nach der Adoptionsfreigabe eines Kindes bekommt, auch Lückenfüller? Die Umstände sind doch ähnlich?
Ja, das ist ketzerisch, denn es ist nicht zu vergleichen. Wenn eine Mutter ihr Kind zur Adoption freigibt, hat das in der Regel wenig mit einem Schicksalsschlag zu tun, den man/frau verarbeiten muss, sondern die Umstände waren hausgemacht, weil an irgendeiner Stelle Menschen versagt haben. Zu vergleichen wäre eher der Fall, wo ein Kind extra gezeugt wird, um seinem todkranken Geschwisterkind als Ersatzteillager zu dienen.
ZitatIch weiß nicht, woher diese "drei Jahre" kommen, aber die sind natürlich Unsinn.
Bei den Enkes, an deren Fall sich hier doch ein wenig festgebissen wurde, fehlen zwischen Tod der Tochter und der Aufnahme eines Kindes in Adoptivpflege 4 Monate an 3 Jahren. Ich persönlich würde das "vermeintliche Versagen" des JA nicht an der nicht überwundenen Trauer um das gestorbene Kind festmachen, sondern eher an der psychischen Erkrankung des RE, von der das JA von der Familie ja höchstwahrscheinlich nicht in Kenntnis gesetzt wurde. Die Ämter können auch nur mit den Tatsachen hantieren, über die sie informiert werden. (Meiner Ansicht nach hätte sich der Psychotheratpeut, der sich im Nachhinnein so in Szene setzte, verantwortungsbewußt zeigen und von der Aufnahme eines Kindes abraten müssen.
ZitatJetzt werde ich mal absichtlich eine Spur ketzerisch: Sind die Kinder, die eine Herkunftsmutter nach der Adoptionsfreigabe eines Kindes bekommt, auch Lückenfüller? Die Umstände sind doch ähnlich?
Ich kann mir vorstellen, dass es bei einigen so ist! Wie sagte damals die Sa von der Vermittlungsstelle so schön "Sie können doch später noch weitere Kinder bekommen". Und da kann ich mir vorstellen, dass es auch Herkunftsmütter gibt, die so denken. Ich persönlich hätte diese Lücke gar nicht schließen wollen. Kein Kind kann ein anderes ersetzen!!!
Ich gehe immer vom Einzelfall aus. Im Fall Enke halte ich das Kind für einen Lückenfüller, aber weit gravierender scheint auch mir die psychische Erkrankung des Mannes. Im Falle von Familie Lockwitz könnte es auch so sein, aber behaupten will ich das nicht. Fakt ist wohl, dass Frau Lockwitz während der Zeit, die ihr Sohn in der Klinik sein musste, eine Familie getroffen hat, wo die Mutter starb und zwei kleine Mädchen zurück ließ. das war für sie einer der Ausgangspunkte für den Gedanken an eine Adoption. Sie vermutete, dass es oft Kinder in einer ähnlichen Lage gibt, die ein Elternhaus brauchen, weil sie sonst im Heim aufwachsen müssten. Das ist für mich einer der sinnvollsten Gründe für die Aufnahme eines Kindes (leider sind die bestehenden Gesetze hinsichtlich der Wurzeln so mies) Trotzdem schien es mir, dass das Trauma, der Verlust des Kindes nicht überwunden waren und dass vor allen Dingen die Angst vor einem weiteren kranken leiblichen Kind sehr groß war.
Martina sagt: Jetzt werde ich mal absichtlich eine Spur ketzerisch: Sind die Kinder, die eine Herkunftsmutter nach der Adoptionsfreigabe eines Kindes bekommt, auch Lückenfüller? Die Umstände sind doch ähnlich?
Diese Frage scheint mir sinnlos und nur aus provokativen Gründen ausgesprochen. Wenn man nachdenkt und nachfühlt, dann kann man die Situation einer Herkunftsmutter wohl kaum mit einer Mutter vergleichen, die ihr Kind nach einem verzweifelten Kampf gegen eine schlimme Krankheit innerhalb kürzester Zeit verloren hat. Damit verhöhnt man eine solche leibliche Mutter. Hast du eigentlich leibliche Kinder Martina? Wenn nicht, erklärt das deine Wahrnehmung der Umstände einer abgebenden Mutter und einer, deren Kind tot ist. Falls du leibliche Kinder hast, dann nimm dir mal die Zeit und stell dir beide Sitationen mal so richtig intensiv vor. Findest du dann immer noch so große Ähnlichkeiten? Was glaubst du, warum viele Mütter aus armen Ländern ihre Kinder abgeben? Um sie vor dem Tod zu bewahren ist ein häufiger Grund.
ZitatMartina sagt: Jetzt werde ich mal absichtlich eine Spur ketzerisch: Sind die Kinder, die eine Herkunftsmutter nach der Adoptionsfreigabe eines Kindes bekommt, auch Lückenfüller? Die Umstände sind doch ähnlich
?
ZitatPinoccio antwortet: Diese Frage scheint mir sinnlos und nur aus provokativen Gründen ausgesprochen.
Nein, provozieren wollte ich damit absolut nicht, dazu verstehe ich den Schmerz der Herkunftsmütter nur allzu gut und habe große Achrung davor. Meine Abssicht war, zum Nachdenken anzuregen und verschiedene Schicksale, in denen Kinder aus den persönlichen Umkreis gerissen werden (durch Tod, Adoption, Entführung ins Ausland ohne Hoffnung auf Rückführung) usw., zu vergleichen. Alle haben doch eins gemeinsam, die Kinder sind weg, das tiefe Loch ist unüberwindbar da und man wundert sich, dass die Erde sich noch weiterdreht, die Sonne noch scheint, andere Menschen ihren Beschäftigungen nachgehen, als wäre nichts geschehen. Insofern sind doch die Fakten die gleichen, obwohl die Ursachen anders liegen. Schaut man einmal in die Kirchenbücher von vor 100 Jahren und früher: Viele Kinder starben an Kinderkrankheiten und Epedemien, kurz darauf wurden weitere geboren, Mütter starben bei der Geburt, die Kinder wurden von der Verwandtschaft aufgenommen, obwohl vielfach gerade eines deren Kinder verstorben war. Natürlich hatten auch die Mütter mit großem Herzschmerz um ihre Kinder geweint und die Kinder um ihre Müttern und wußten vielleicht in der ersten Zeit nicht, wie das Leben weitergehen sollte. Aber, um die Tauer voll auszuleben blieb absolut keine Zeit, der Kampf ums Überleben forderte die ganze Kraft und Aufmerksamkeit und lenkte zum großen Teil - natürlich nie ganz - von den Verlusten ab.
Ich bin genau der Meinung wie Bianka: Ein Kind ist nicht zu ersetzen!!! Jedes Kind ist einmalig (wie auch jeder Mensch) und hat das Recht, als eigenständige Persönlichkeit akzeptiert und wahrgenommen zu werden, ob es lebt, oder verstorben ist, ob es bei den leiblichen Eltern aufwachsen kann oder woanders. Meiner Meinung nach ist diese Beachtung das wichtigste und wesentlichste Element in einer funktionierenden persönlichen oder gefühlsmäßigen Beziehung. Auch wenn andere Kinder in der Familie vorhanden sind, danach geboren, an- oder aufgenommen werden, meine ich, sie machen in den allerwenigsten Fällen den Platz des "verlorenen" Kindes innerhalb einer Familie streitig. Natürlich darf man auf keinen Fall vergleichen; das sollte auch bei Geschwisterkindern nicht geschehen, denn sonst geschieht es leicht, dass man ins Selektieren gerät und vielleicht kommen dann die nicht mehr anwesenden Kinder in der Gunst wesentlich besser weg, weil man sich mit ihnen nicht auseinandersetzen muß.
Meine Meinung: Paare, die keine Kinder bekommen (können) sollten erst von dem Wunsch nach einem eigenen Kind genügend Abstand bekommen und mit der Annahme eines anderen Kindes aus vollstem Herzen einverstanden sein - ohne wenn und aber -, ehe sie sich einer Adoption zuwenden. Das ist für mich aber auch der einzige Punkt, der ein längeres Abwarten rechtfertigt.
Nein, ich habe leider keine eigenen Kinder. Mein Sohn hatte mir in der Pubertät des öfteren vorgehalten, ich könne keine Kinder erziehen, aber er hat noch nie, auch wenn er noch so ärgerlich war, gesagt: 'Du bist nicht meine Mutter'.
Als er so 5 oder 6 Jahre alt war, träumte ich einmal von seinem Tod. In dem Traum habe ich geweint, wie noch nie in meinem Leben und mein Leben erschien mir vollkommen sinnlos und für mich nicht mehr lohnend. Seitdem weiß ich, was er mir wirklich bedeutet.
Liebe Martina, ich krieg zwar eine Ahnung von deiner Intention, aber wenn ich mir so überlege als abgebende Mutter, dass es dasselbe sein soll, ob mein Kind tot ist oder abgegeben, weil es eben so oder so weg ist, dann kann ich nur sagen tot ist weg. Abgegeben ist nicht bei mir, aber auch nicht weg, weil es irgendwo existiert und immer die Möglichkeit eines Kontaktes besteht, solange wir beide leben. Tot ist ohne Hoffnung.