da sich im Moment die Ereignisse bei mir etwas überschlagen, will ich mich heute mal ganz mutig Eurer Meinung stellen.
Vor einigen Wochen hatte ich das Jugendamt um erneute Akteneinsicht gebeten, um evtl. mehr über den Verbleib meiner ältesten Schwester zu erfahren. Sie ist nicht bei unserer leiblichen Mutter aufgewachsen - mehr wusste ich bisher aber nicht. Beim Jugendamt bin ich auf eine wahnsinnig nette und einfühlsame Mitarbeiterin getroffen. Leider steht in meiner (DDR-)Akte nicht viel. Aber die Dame hat recherchiert und zunächst Namen und Geburtsdatum meiner Schwester rausgefunden. Am Montag rief sie dann bei mir an - über die Einwohnermeldeämter hat sie nun auch die aktuelle Adresse vorliegen. Ganz aufgeregt bin ich dann am Dienstag zum Jugendamt gefahren und wir hatten ein längeres Gespräch. Die Kontaktaufnahme soll über das Jugendamt laufen, ich denke, das ist so der beste Weg. Allerdings habe ich erfahren, dass meine Schwester nie adoptiert wurde, es existiert auch keine Akte über sie. Klar zu sein scheint jedoch, dass sie erst im Jahr meiner Geburt (also mit 3 Jahren) von unserer Mutter wegkam, ich wurde dann ja direkt nach meiner Geburt zur Adoption freigegeben. Es gibt nur wenige Möglichkeiten, was mit meiner Schwester geschehen ist. Kinderheim - Pflegeeltern - evtl. Großeltern. Keine Ahnung, hört sich aber irgendwie nicht gut an. Ich hoffe sehr, dass sie sich meldet und auch Interesse daran hat, mich kennenzulernen.
Parallel zu dieser ganzen Geschichte hatte ich meiner L-Mutter zum 60. Geburtstag eine Karte geschrieben. Mein erster Kontaktversuch nach 12 Jahren. Damals hatten wir uns ein paar Briefe hin und her geschrieben, persönlich kennengelernt habe ich sie nie. Irgendwie konnte ich damals, nachdem ich meine Brüder kennengelernt hatte, nie verwinden, dass sie mich um meine Geschwister gebracht hat und hatte aufgehört, ihr zu schreiben. Von ihr kam dann aber auch nix mehr. Heute früh saß ich auf meinem Sofa und hörte plötzlich den Briefkastendeckel klappern. Also bin ich raus und da lag ein handgeschriebener Zettel im Kasten. "Bitte ... anrufen." und ihre Telefonnummer. Sie wohnt 600 km weg und kann das unmöglich selbst eingeworfen haben. Also hat sie doch noch alte Verbindungen hierher? Mir ist das total unheimlich! Außerdem geht das mit dem Anrufen irgendwie nicht. Ich hatte gehofft, dass sie mir einen Brief schreibt. Aber jetzt die Telefonnummer... Was soll ich ihr sagen? Und das vor dem Hintergrund, was ich gerade eben über meine älteste Schwester erfahren habe. Soll ich sie danach fragen? Sie scheint schon wieder so euphorisch - die Geburtstagskarte habe ich erst am Montag eingesteckt. Will ich das überhaupt? Ich hätte so gern immer noch eine Rückzugsmöglichkeit. Aber habe ich die noch, wenn sie erst meine Telefonnummer hat? Irgendwie fehlt mir total die Kraft, zum Telefon zu greifen. Andererseits stelle ich mir vor, wie sie schon den ganzen Tag neben ihrem Telefon hockt und auf meinen Anruf wartet...
Ich würde sie anrufen. Du kannst doch Deine Rufnummer unterdrücken, dann bleibst Du erstmal noch anonym. Ich denke, dass das Thema Dich immer wieder verfolgen wird. Du stellst ja selber fest, dass Du immerwieder bei den gleichen Fragen landest. Und ich denke Du wirst erst abschließen können, wenn Du plausible Antworten hast und Dein Puzzle sich zusammenfügt. Was genau mit Deiner schwester passiert ist, warum Du und Deine Brüder getrennt wurden, Du wirst es nur erfahren, wenn Du weiter recherchierst. Und die Version deiner Mutter ist einer der größten Bausteine. Wieviel von den Infos die sie Dir geben wird dann wirklich so waren, oder wieviel ihre eigene Wahrheit ist musst Du dann selber abschätzen.
Ich wünsche Dir den Mut die Sache anzupacken und die Umsicht für Dich Sorge zu tragen, wenn es Dir zu viel wird!
Im ersten Moment habe ich sagen wollen: Auf anonyme Zettel antworte ich grundsätzlich nicht! Vielleicht ist es in so einem Fall aber die falsche Vorgehensweise. Scjließlich kann keiner wissen, was in ihr vorgeht oder vorgegangen ist und vielleicht ist es ja wirklich eine Art Hilferuf.
Also ich würde auch anrufen.
Wegen der "Anonymität" brauchst du dir ja wohl keine Gedanken zu machen, wenn sie deinen Brifkasten kennt. Da ist der Weg zur Telefonnummer nur noch ein ganz kurzer :-)
Ich drücke dir jedenfalls die Daumen, dass du endlich einmal eiwas Positives aus dieser Ecke erfährts oder erlebst !
Ich drücke dir auch die Daumen Jolyfun,und danke das du uns teilhaben lässt an deiner Geschichte.Ich würde auch anrufen mit unterdrückter Nummer.Und erstmal horschen was sie will. Alles Gute,und Glück der Welt.Halte uns auf dem Laufenden ..BITTE!
am Freitag konnte ich mich endlich überwinden, sie anzurufen. Der erste Schreck: sie wusste gar nicht, wer ich bin?! Sagte, sie hätte, nachdem sie die Geburtstagskarte erhalten hat, die ganze Zeit überlegt, wer ich bin. Dachte wohl an irgendeine Bekanntschaft von früher. Zwei Häuser weiter wohnt bei mir jemand mit gleichem Nachnamen. Dessen Nummer hat sie über die Auskunft rausbekommen und dort angerufen. Nachdem klar war, dass das nicht meine Telefonnummer ist, hat sie sie gebeten, mir den Zettel mit ihrer Nummer in den Briefkasten zu stecken.
Als ich mich dann zu erkennen gab, war sie erstmal ziemlich erschrocken. War ihr wohl auch peinlich... Dann wurde es aber irgendwie ein ganz "normales" Telefonat. Ohne viele Emotionen. Sie wollte wissen, wie es mir und meiner Familie geht. Ob mein Mann ein Guter ist (sie muss wohl einige schlechte Erfahrungen gemacht haben). Sie hat nur noch Kontakt zu meinem älteren Bruder. Und dann hat sie mir erzählt, dass meine ältere Schwester (ihr erstes Kind) sie wohl vor zwei Jahren gesucht und gefunden hat. Sie war dann auch gleich mit ihrem Mann bei unserer Mutter zu Besuch. Sie hat mir schlimme Horrorgeschichten erzählt. Meine Schwester hätte 8 Kinder, die ihr alle weggenommen worden seien und sie würde trinken, hätte ihr Leben nicht im Griff. Sie ist wohl mit 3 Jahren erst zu Pflegeeltern gekommen, später ins Heim.
Wieviel davon ist wahr? Und was mache ich jetzt?
Gestern habe ich dann nochmal beim Jugendamt angerufen und die Geschichte erzählt. Der Brief an meine Schwester war schon raus. Wir wollen jetzt erst einmal abwarten, ob sie sich beim Jugendamt meldet. Und dann entscheiden, wie es weitergeht. Das Jugendamt hat mir angeboten, auch Briefkontakt zunächst anonym über das JA laufen zu lassen. So dass zunächst keine Adressen ausgetauscht werden und ich immer noch entscheiden kann, ob ich mich wieder zurückziehen will.
Meine Mutter und ich werden wohl in Kontakt bleiben. Ich hab ihr meine Handynummer gegeben, sie will mich anrufen. Na schauen wir mal.
Hallo Jolyfun, ich freue mich, dass Du tatsächlich angerufen hast. Bin aber vor allem auch froh, dass Du die Briefe an Deine leibliche Schwester erst einmal anonym übers JA laufen läßt. Das hört sich ja gar nicht gut an. Hoffentlich meldet sie sich beim JA. Erst dann wirst Du erfahren wieviel Wahrheit darin liegt.
Kannte Deine leibliche Mutter denn Deinen jetztigen Nachnamen schon? Wenn nicht, ist es ja nicht unlogisch, dass sie nicht wußte von wem die Karte war.