Mein Vater. Mein Onkel Eine große Geschichte, sehr persönlich erzählt. Dokumentarfilm von Christoph Heller
Der 26-jährige Sinan lebt in Berlin und arbeitet als Schauspieler. Seine Herkunft ist kompliziert: Seine deutsche (Stief-)Mutter Bruni und ihr damaliger irakischer Mann Farouk adoptierten Sinan als Kleinkind. Er war das vierte Kind von Farouks Schwester. Als sich die Eheleute auseinander lebten, entschied sich Bruni, zusammen mit Sinan nach Deutschland zu fliehen. Dort wuchs er auf, ohne Kontakt zu den leiblichen Eltern und seinen Geschwistern. Erst nach einer turbulenten Pubertät, in der er seine Vergangenheit verdrängte, wuchs in Sinan die Erkenntnis, dass er sich mit seinen familären und kulturellen Wurzeln auseinandersetzen muss. Er reist nach Dubai, wo die leiblichen Eltern und Brüder inzwischen leben. Es kommt zu einer emotionalen Annäherung, in deren Verlauf aber auch deutlich wird, dass Sinans Lebensstil mit manchen Prinzipien seiner irakischen Familie nicht vereinbar ist. Fast unsichtbar und sehr präzise ist die Kamera immer dabei, wenn Sinan der Familie, der Sprache, Religion und Kultur seiner Vorfahren begegnet - es ist die Entdeckung einer fremden Welt, eines Lebens, das er gelebt hätte, wenn er bei seinen Brüdern aufgewachsen wäre. Für Sinans Eltern hat er immer zur Familie gehört, sie haben sich ihr Leben lang nach der Rückkehr des verlorenen Sohnes gesehnt. Sie schmieden Pläne, träumen von einem gemeinsamen Leben im Irak und machen Vorschläge für die zukünftige Ehefrau. Und eigentlich wäre es auch ganz schön, wenn Sinan zum Islam konvertieren würde.
mich hat der film fasziniert (ich hab ihn glaube schon mal auf 3sat gesehen und würde ihn mir auch ein drittes mal ansehen), obwohl es darin im weitesten sinne um ein finden innerhalb der familie geht. der sohn wußte zudem immer um den sachverhalt der abgabe, ihm wurde da nichts genommen, zumal für seine eltern in dubai von anfang an feststand, ihn über weitere einzelheiten seiner abgabe ausführlich informieren zu wollen. das war schon mal ein ganz entscheidender und auch verbindender vertrauenaufbauender schritt ihm gegenüber.
trotzdem gab es noch genug, was das familiengebändel kulturell erschwerte, dazwischen eine brücke zu finden. so ein bißchen wie eine wackelige hängebrücke, wo jeder weitere schritt entweder sitzt oder abgleiten läßt und trotzdem offenbar einige darunter standen zum auffangen .... die für in fremdfamilien platzierte inkognito-adoptierte doch mehr zum drahtseil(akt) wird. auch wenn sie ganz nebenbei anfingen für ihn andere 'angemessenere' berufspläne zu schmieden und ihn am liebsten baldmöglichst unter 'die haube' bekommen wollten (wahrscheinlich dort), war der kontakt im großen und ganzen herzerwärmend ... und sicher auch anstrengend.
die begegnung mit ihnen wurde ihm unter dem vorzeichen, daß seine 'weiter'gabe innerhalb der familie für seine eltern offenbar gefühlsmäßig nie etwas endgültiges bedeutet hat, um einiges leichtert. er wird sich bestimmt mehr als einmal (wie adoptierte auch) vorgestellt haben, wie sein leben mit den eltern, geschwistern, tanten, onkel usw. evtl. verlaufen wäre. wieviel trauer für ihn in der tatsache lag, von den eltern weitergereicht worden zu sein, wurde nicht so deutlich. jedenfalls hatte die bereitschaft der eltern, die über die jahre gemachten gedanken und gefühle um ihn, ihm die mitzuteilen, preiszugeben, etwas ungemein wohltuendes und das ließ ihn nie ganz außen vor stehen.
die anfänglichen befürchtungen, ängste des vaters, vom sohn benutzt zu werden (ist irgendwo noch nachvollziehbar gegenüber fremden menschen, aber nicht beim eigenen kind), weil sein sohn berufs-schauspieler ist (von der familie negativ eingestuft) und den kontakt allein um des filmes willen gesucht haben könnte, fand ich schon sehr befremdlich. als könne man gefühle nach bedarf ein- und ausknipsen. der sohn hatte einfach das unverschämte glück, die begegnung mit seiner familie somit ausführlicher und wie ich finde eindrucksvoll von verschiedenen seiten beleuchtet festzuhalten. er wohnt schließlich nicht mal eben 'um die ecke' ... und wie es sich anhörte, gibt es vielleicht eine fortsetzung, sein wunsch gemeinsam mit den eltern ihr heimatland irak besuchen zu wollen.
für mich hatte der film ein bißchen was von hoffnungsträger auf dem minenfeld der familienzusammenführung, wie er anderen, ohne daß es gestellt wirkte, in seine persönliche familiengeschichte einblick gewährt, daran teilhaben läßt.
Das mit den Ansprüchen und "Ansagen" ist mir auch gleich sauer aufgestossen. Mich hat es gleich gewürgt, als der Bruder derart bestimmend über den jungen Mann geurteilt hat. Hier prallen nicht nur Herkunfts- und Ado-Familien, Matriarchat und Patriarchat aufeinander, sondern zusätzlich noch total unterschiedliche Kulturen.
So eine Bevormundung hätte ich nie im Sinn gehabt, auch wenn mir einige genau das andichten wollen. Wer sein halbes Leben lang von seinen Erziehern/Partnern genau so gegängelt und bevormundet wurde, hat alles andere im Sinn, als so etwas anderen anzutun. Ich selbst habe mir jedenfalls schon als Schulkind geschworen, dass es meine Kinder einmal besser haben werden.
Mich würde ein zweiter Teil sehr interessieren, denn die Sache kann ja eigentlich nur schief gehen.
ja sicher cornelia, wie sie versuchten seine zukunft zu 'verbraten' war nicht so das optimale. da prallen eben kulturen und traditionen aufeinander. andererseits hatte ich den eindruck, der 'junge' ist alt genug und weiß was er will, und wird sich da bestimmt in nichts reinreden lassen, sonst wäre sein beruf vermutlich ein anderer geworden. warum sollte das schiefgehen, sie müssen eben lernen miteinander umzugehen und die jeweiligen kulturellen unterschiede und grenzen zu respektieren. das heißt ja nicht total anpassen. er hat sich nicht aussuchen können wo er lebt.
Ich habe da eher seitens der Dubai-Family Bedenken. Er wird sicher seinen Weg gehen, aber ob die das tolerieren? Sie kennen ihn noch nicht einmal eine Woche und sind der meinung, dass Schauspieler kein Beruf für ihr Familienmitglied ist. Der Sohn/Bruder sagte noch, dass er hofft, "dass er sich bald besinnen möge" und "man wird sehen". Das klingt für mich nicht gerade nach Toleranz :-)
ja pusteblume, da konnte ich mir deine lage etwas konkreter vorstellen. gestaltet sich doch schon bei inlands-ados schwierig mit familienzusammenführung. wenn sich dann erst sehr viel später herausstellt, daß der vater eine andere nationalität hat(te), wird es noch komplizierter. ich hatte den eindruck, daß die eltern ihn vermißt haben und besonders der vater regelrecht in ihn verguckt hat. wenn ihm bewußt ist, und das glaube ich, daß es für den sohn ohne seine entscheidung komplett anders gelaufen wäre, wird er sich bestimmt mit den entscheidungen des sohnes abfinden. da wird sicher das herz entscheiden und kompromisse eingehen
ich weiß nicht wie ihr es seht, aber ich hatte das Gefühl das seine LM in diesem ganzen eine etwas untergeordnete Rolle spielte. Mir kam es so vor als würde sie gar nicht zählen für ihn. Er umarmte sie zwar, aber es war in meinen Augen unterkühlt, bei seinem Vater sah es etwas anderes aus. Ich hatte das Gefühl das er mehr nach seinem Vater suchte als nach seiner Mutter, auch wie er mit ihr sprach und wie er mit seinem Vater sprach, waren für mich schon Unterschiede zu erkennen. Ich weiß jetzt nicht ob das mit der Mentalität zusammen hängt. Mir hat sie leid getan.