ich bin ganz neu hier im Forum bei euch. Ich lese schon einige Zeit mit und habe mich nun doch mal angemeldet, da mir so einige Fragen auf der Zunge brennen! Um es vorab zu sagen, mein zukünftiger Mann und ich beschäftigen uns seit einiger Zeit mit dem Thema Adoption. Und natürlich machen wir uns da viele Gedanken und versuchen soviel Info`s wie möglich zu finden. Die Frage die uns momentan sehr beschäftigt ist folgende: Kann ein adoptiertes Kind im späteren Leben rundum glücklich und zufrieden werden, sich geborgen und "richtig" fühlen oder meint ihr, jede Adoption hinterlässt seelische Wunden, dass Gefühl "ungewollt" oder wertlos zu sein? Ich weiß, dass diese Frage wohl sehr naiv klingt, aber wie gesagt, wir machen uns da derzeit so unsere Gedanken und ich habe in diesem Forum soviel gelesen über Adoptierte, die sich so schlecht fühlen mit ihrer Vergangeheit, da tauchen solche Fragen nun langsam auf bei mir.
Ob ein Adoptivkind glücklich werden kann hängt wohl sehr viel von den Adoptiveltern ab. Wie sie mit der Adoption umgehen (das Thema darf nicht tabuisiert werden, aber es darf auch nicht zu sehr gepusht werden), wie die gesamte Familie - Tanten, Onkel und so weiter - damit umgeht. Und es hängt natürlich auch vom Adoptivkind selbst ab, denn jeder Mensch ist verschieden und geht mit verschiedenen Situationen unterschiedlich um. D.h. nicht jedes Adoptivkind geht mit seiner Adoption gleich um oder empfindet automatisch dieselben Gefühle in derselben Intensität.
Ich habe meinen Weg gefunden, mit meinem Adoptiv-Status umzugehen und ich wage zu behaupten, dass ich glücklich bin. Vor einigen Wochen habe ich auch erfahren, dass meine leibliche Mutter mich sehr wohl haben wollte, aber einfach nicht konnte. Ich fühle mich daher auch überhaupt nicht ungewollt oder wertlos. Klar...es gibt eine gewisse Wunde, die nie ganz verschwinden wird und ja...ich fühle mich in meiner Adoptivfamilie (damit meine ich jetzt Tanten, Onkel, Cousinen, Cousins und so weiter) manchmal fremd oder gar fehl am Platz. Aber so nervig oder frustrierend das in manchen Momenten auch sein kann, so ist es auch schön, denn an den Unterschieden zu meiner A-Familie erkenne ich das, was wohl von meiner leiblichen Familie noch übrig geblieben ist in mir. Zumindest empfinde ich es so.
Darf ich fragen, warum dein Mann und du euch mit dem Thema "Adoption" beschäftigt? Denkt ihr darüber nach, ein Kind zu adoptieren oder beschäftigt ihr euch einfach aus Interesse mit dem Thema?
vielen Dank für deine offene und ehrliche Antwort. Du hast geschrieben, dass du dich manchmal fehl am Platz fühlst in deiner Adoptivfamilie. Darf ich fragen, ob das daran liegt, dass mit dir anders umgegangen wird als du es dir wünschen würdest oder denkst du, dass ist einfach so ein Grundgefühl von dir, dass du eben "anders" bist, als deine Familie? Ich hoffe, die Frage ist nicht zu persönlich?
Ja, wir denken darüber nach ein Kind zu adoptieren. Ich kann ohne medizinische Unterstützung nicht schwanger werden und da es für uns beide nicht so wichtig ist, ein leibliches Kind zu haben, überlegen wir jetzt eben, ob Adoption eine Möglichkeit für uns wäre!
ZitatDarf ich fragen, ob das daran liegt, dass mit dir anders umgegangen wird als du es dir wünschen würdest oder denkst du, dass ist einfach so ein Grundgefühl von dir, dass du eben "anders" bist, als deine Familie?
Ich denke, es liegt einfach daran, dass meine A-Familie gewisse Charaktereigenschaften hat, die ich bei mir nicht feststellen kann. Und auch das Aussehen spielt natürlich eine Rolle, mir sieht hier niemand wirklich ähnlich. Ich habe halt zufällig dieselbe Haarfarbe und Körpergröße wie meine Cousinen, deshalb haben manchmal Ahnungslose gemeint, wir sähen uns ähnlich. Aber das ist dann nur Zufall. Soweit ich mich erinnern kann, wurde ich nie anders behandelt. Ich wurde weder bevorzugt, noch irgendwie ignoriert, ich war (und bin) immer zu 100% ein Mitglied dieser Familie. Natürlich weiß ich nicht, was in den Köpfen meiner A-Familie vor sich geht und ob sie sich hin und wieder Gedanken darüber machen, dass ich ja eigentlich adoptiert bin. Aber das ist auch nicht so wichtig, solange ich nicht unterschwellig irgendwelche Feindschaftigkeiten oder ähnliches spüre.
naja ich sehe das anders. Wenn ein Kind adoptiert wurde besonders aus dem Ausland, dann kann,es muss nicht, das Kleinkind oder Baby zumindest einigermassen glücklich sein. Aber sobald es älter wird und in die Schule geht etc. fangen die Schwierigkeiten an. Ist einfach meine Erfahrung.
Besonders prikär wird es, wenn das Kind noch dazu eine andere Hautfarbe etc. hat. Ich kann nur von meinen Erlebnissen sprechen als Auslandsadoptierte. In der "A-Verwandschaft" habe ich mich nie wirklich heimisch und wohl gefühlt. Ich hatte immer das Gefühl das ist das falsche Leben, du gehörst eigentlich gar nicht hierher! Auch heute fühle ich mich nicht wohl mit diesem Adoptivstatus.
Man kommt sich einfach schnell als abnormal vor. Ich fühle mich zu wenig geliebt von der A- Verwandschaft. Es ist einfach keine richtige Bindung entstanden. Ausserdem finde ich Auslandsadoptionen sowieso nicht nötig. Es ist besser wenn die Kinder im Herkunftsland bleiben können, dürfen, und nicht einfach so radikal abgeschoben werden! Nur schon die Distanz ist hinderlich und dazu kommt die Sprache... Und ich habe auch nicht jemals von Jemandem gehört, dass er oder sie eine offene Adoption praktizieren. Und warum? Wenn es wirklich um das Kind und SEINE Ansprüche und Bedürfnisse gehen würde, dann müssten sich mal alle Verantwortlichen von Anfang am Riemen reissen. Und das Kind von Anfang an die Möglichkeiten geben, für Kontakte zu pflegen, um die Sprache zu erhalten und soweiter. Und da stellt sich natürlich die Frage wer das alles bezahlen soll? Am wenigsten der adoptierte Mensch selber.
Zitat von riddleVor einigen Wochen habe ich auch erfahren, dass meine leibliche Mutter mich sehr wohl haben wollte, aber einfach nicht konnte. Ich fühle mich daher auch überhaupt nicht ungewollt oder wertlos.
Riddle, interessant finde ich dass Dir dieses "haben wollte" der leiblichen Mutter hilft, aber was sollen ungewollte Adoptierte davon halten?
Jeder Mensch ist zunächst mal wertvoll, gerade ein Kind. Die Wertschätzung dieses Lebens ist doch Aufgabe der Adoptiveltern und resultiert hoffentlich nicht aus der Haltung der abgebenden leiblichen Mutter gegenüber dem Kind.
@ Pusteblume: Sind deine A-Eltern offen und ehrlich mit dem Thema Adoption umgegangen? Weil du geschrieben hast, Heimlichtuereien etc sind das schlimmste. Sehe ich nämlich auch so und finde, dass Ehrlichkeit und Aufgeschlossenheit da einfach sehr sehr wichtig sind! Deswegen würde mich da mal deine persönliche Erfahrung interessieren?
@Maus, es tut mir sehr leid, dass du dich so schlecht fühlst, mit deiner ganzen Situation. Du schreibst, dass spätestens in der Schule die Schwierigkeiten anfangen, auch mit dem Hinweis auf andere Hautfarbe etc. Darf ich dich fragen, ob du in solchen Situation von deiner A-Familie keine Unterstützung erfahren hast? Ich denke auch, dass ein Kind in seinem Herkunftsland aufwachsen soll, mit der jeweiligen Kultur und Geschichte des Landes. Doch es gibt ja auch viele Kinder, die keine Eltern haben, denen weder aussreichend Liebe noch Nahrung oder gar medizinische Versorgung zur Verfügung steht. Ist es nicht besser, einem solchen Kind ein liebevolles Zuhause in einem fremden Land zu bieten? Dass hier von den A-Eltern natürlich Herkunftsland, -Kultur etc vermittelt werden sollte ist ja selbsterklärend - für mich zumindest. Ich weiß jetzt leider nicht genau, was offene Adoption bedeutet. Ich kenne aber z.B. ein Ehepaar, dass aus dem Ausland adoptiert hat, sie wissen wer die Herkunftsmama ist, haben sie kennengelernt und auch viele Hintergrundinfos erfahren können. Wenn das A-Kind seine Mama mal kennenlernen möchte, werden sie ihm dass aufjedenfall auch ermöglichen, soweit es die Umstände im H-Land zulassen. Ist das offene Adoption? Wenn nicht, kannst du mir es bitte erklären - Sorry, bin einfach noch ganz neu in dem Thema!
@ Glücklicher-Mann: Ja du hast wohl recht, Glück definiert jeder anders für sich. Ich z.b. bin glücklich "in mir zu ruhen", eine Heimat zu haben, zu wissen wohin ich gehöre und dass es Menschen gibt, auf die ich mich immer verlassen kann. Glaub meine Frage war einfach bisschen blöd gestellt. Ich frage mich halt nur momentan, ob wir es schaffen können, dieses Gefühl von Glück einem Kind zu ermöglichen. Ich denke, dass ist bei einem A-Kind doch nochmal erheblich schwerer als bei einem leiblichen Kind.
ZitatRiddle, interessant finde ich dass Dir dieses "haben wollte" der leiblichen Mutter hilft, aber was sollen ungewollte Adoptierte davon halten?
Hmmm, ich weiß jetzt nicht genau, worauf du hinauswillst, aber ich hoffe, ich hab's richtig verstanden: Nun, es hat halt nicht jede/r Adoptierte dasselbe Schicksal und nicht jede/r dieselbe Vergangenheit. Für manche ist es vielleicht auch gar nicht so wichtig, ob sie von der H-Mutter gewollt waren oder nicht. Für andere wiederum (ich denke vor allem für die, die es in ihrer A-Familie sehr schwer haben/hatten) ist es ein riesiger Trost, wenn sie mitbekommen, wie sehr sie von ihrer H-Mutter eigentlich gewollt waren. Aber ich denke, dass ein jedes A-Kind wissen möchte, warum es weggegeben wurde.
In solchen Situationen habe ich es so empfunden, dass ich nur mangelhaft Unterstützung erhielt. Leider fragte kaum Jemand, auch von der A-Verwandschaft je mich persönlich, ob und wie es mir ging als Adoptivkind. Ich vermute sie haben sich nicht getraut oder aber sie dachten wirklich, mir ging es gut damit.
Natürlich finde ich es schlimm, wenn in anderen Ländern schlimme Zustände herrschen. Aber ich finde helfen ist ja gut und recht, aber es gibt auch Grenzen, die man nicht einfach überschreiten sollte. Du kannst nicht alle Kinder "retten" (vor was will Mensch sie genau retten? Vor Hunger? Vor dem Tod?) wenn du adoptieren würdest. Und zweitens ist es nicht die (gesamte) Verantwortung eines (reichen Industriestaates) Landes für andere Länder, genauer gesagt, für deren Probleme und deren Staatsführung mit allem Drum und Dran!
Diese Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen reichen Staaten und zum Beispiel Drittweltländer, dieses Problem muss anders gelöst werden.
Drittens ist liegt das problem darin, dass durch Auslandsadoptionen, die Probleme nicht wirklich gelöst werden. Im Gegenteil, die Tendenz ist gross, dass sich die Konflikte verschärfen werden. Und zwar, ist meiner Meinung nach das Ganze nur ein RUMSCHIEBEN von Problemen. Vom einten Land ins nächste Land. Und so weiter. Ja ich fühle mich abgeschoben, gezwungen in ein fremdes Land zu gehen. Wenn einem sogar das eigene Land ins "Exil" schickt, ja da fühle ich mich nicht wertvoll genug! Ja zeitweise fühle ich mich richtig beschmutzt durch die Adoption. Durch den Mangel, durch das Nichtwissen über die Zeit vorher. Man wird einfach diskriminiert und verhöhnt von der Gesellschaft. Man kann nicht wirklich mitreden bei gewissen Themen. Man steht da und überlegt sich, was soll ich sagen??? Beides ist im Endeffekt nicht gut, wenn man sagt, ich weiss es nicht. Oder aber auch wenn man einfach aufgrund Lücken, einfach etwas erfindet.
Ja und der Staat höhnt quasi noch, indem er sagt, adoptierte sind gleichgestellt wie solche Kinder, die bei ihren leiblichen Eltern etc. aufwachsen. Also im Alltäglichen Leben stimmt das so gar nicht wirklich.
Zitat von Mariposa Kann ein adoptiertes Kind im späteren Leben rundum glücklich und zufrieden werden, sich geborgen und "richtig" fühlen oder meint ihr, jede Adoption hinterlässt seelische Wunden, dass Gefühl "ungewollt" oder wertlos zu sein?
Nun, eine pauschale Antwort auf deine Frage zu geben ist natürlich schwierig, da viele Faktoren bei einem "Leben" von Menschen beteiligt sind (ob adoptiert oder nicht). Interessant ist bei den Antworten auf deine Frage, dass bisher nur die Aspekte des "zweiten Traumas"- des "bewusst werden" der Adoption erwähnt wurden. Ich will mich auf das erste Trauma beziehen (Trennung des Kindes von den Eltern), das besonders auch Adoptiveltern bewusst sein sollte, da sie darauf keinen Einfluss haben - es sei denn bei der Auswahl des Kindes indem sie z.B. entscheiden, wie alt das zu adoptierende Kind sein darf.
Und hier doch eine pauschale Antwort - jede Adoption hat seelischen Wunden zur Folge! Das Kind hat seine Eltern, insbesondere seine Mutter "verloren" und das hat einen Einfluss auf die Bindungsfähigkeit des Kindes. Wie gravierend die Auswirkungen auf die Bindungsfähigkeit ist, hängt mit Zeitpunkt zusammen wie alt das Kind bei dem Bindungsabbruch zur Mutter war und wie lange das Kind keine Bindungsperson hatte. Da eine Bindung bereits im Mutterleib aufgebaut wir, hat selbst eine Adoption direkt nach der Geburt einen Einfluss auf die Bindung. Die erworbene Bindungsfähigkeit in der Kindheit bestimmt auch die Bindungsfähigkeit als Erwachsenen oder anders ausgedrückt, es bestimmt das Sozialverhalten des Adoptierten Erwachsenen. Natürlich haben nicht adoptierte Kinder keine Garantie für den Erwerb einer guten Bindungsfähigkeit - aber bei Adoptierten Kindern weiß man, dass die Entwicklung der Bindungsfähigkeit mindestens einmal gestört wurde! Was aber nicht heißt, dass Menschen mit einer "gestörten" Bindungsfähigkeit nicht glücklich werden können By the Way: heute geht man auch davon aus, dass das Stress-erleben der Mutter, einen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes hat und da die Freigabe eines Kindes mit Stress einhergeht (situationsbedingt) kann die Adoption auch von dieser Seite Auswirkungen auf das Kind haben. LG Bilyboy
nur Ergänzend zur Bindungsfähigkeit: Es ist richtig was Du sagt. Ergänzend möchte ich anmerken, dass trotz Bindungsabbruches eine gute Bindungsfähigkeit schon in der Kindheit erreicht werden kann. Sprich, es ist möglich so etwas durch das richtige Verhalten auszugleichen. Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab und man sollte sich (als Adoptveltern und -bewerber) nicht der Illusion hingeben, dass man alles erreichen kann.
Zitat von FlipperBilyboy, nur Ergänzend zur Bindungsfähigkeit: Es ist richtig was Du sagt. Ergänzend möchte ich anmerken, dass trotz Bindungsabbruches eine gute Bindungsfähigkeit schon in der Kindheit erreicht werden kann. Sprich, es ist möglich so etwas durch das richtige Verhalten auszugleichen.
Na, dann machen wir es vielleicht noch genauer. Ausgleichen kann man durch eigenes Verhalten die Defizite bei Bindungsentwicklung nicht, man kann in der Bindungsentwicklung nur etwas aufholen. Für die Bindungsentwicklung ist eine (zeitliche) sensible Phase verantwortlich, wenn diese Entwicklungsphasen "verpasst" wurde, ist es schwer, diese Entwicklung nachzuholen vergleichbar mit der Sprachentwicklung. Vielmehr ist es zu beachten, dass Kinder mit Bindungsdefizite bestimmte Bedürfnisse haben, denen dann nachzukommen ist. Ein Klassiker ist z.B: die Trennungsphase bei Kindergartenunterbringung, wo den Kindern die mit Bindungungsdefiziten mehr Zeit und Geduld seitens der Eltern und Erzieherinnen und Erzieher aufgebracht werden sollte. LG Bilyboy
Zitat von riddleFür andere wiederum (ich denke vor allem für die, die es in ihrer A-Familie sehr schwer haben/hatten) ist es ein riesiger Trost, wenn sie mitbekommen, wie sehr sie von ihrer H-Mutter eigentlich gewollt waren.
Dieser Trost gleicht für mich eher nach dem berühmten Griff zum Strohhalm. Versäumnisse an Liebe und Zuneigung in den entscheidenden ersten Lebensjahren, möglicherweise auch durch die Unfähigkeit der Adoptiveltern, lassen sich wohl kaum im Erwachsenenalter durch diese Nachricht nachholen. Seine Wertschätzung darauf zu bauen, ich denke da steht man auf dünnem Eis.
Natürlich kann ein Adoptiv"kind" rundum glücklich sein im Leben , aber was bei allen der Fall ist , das Abgabetrauma. Viele verneinen, verleugnen es, oder kämpfen gegen solche Leute an , die das sagen .. Aber eine Wegnahme ist für jedes Kind eine schwere Traumatisierung, und hält ein Leben lang!