Ich melde mich auch mal wieder. Bei uns läuft es weiterhin ganz gut, meine Schwester und ich sind vom ersten gemensamen Urlaub zurück und auch die (H-)Oma ist inzwischen eingeweiht und hat überraschend positiv reagiert.
Was uns beide, also meine Schwester und mich, aber so ein Bisschen wurmt sind die Reaktionen im (nicht von Adoption betroffenen) Umfeld. Zunächst freuten sich die Freunde scheinbar noch mit, inzwischen bekommt man das Gefühl, sie wollen von den gravierenden Veränderungen der letzten 2 Monate nichts mehr hören. Wir verstehen nicht, dass für Freunde und einen Teil der (A- und H-) Verwandten nicht ersichtlich ist, wie sehr einen "so etwas" beschäftigt.
Besonders "schön" sind die Nörgler im Freundeskreis, die immer wieder sagen, dass wir überhaupt gar keine Schwestern sind und dass man doch keinen engen Kontakt mehr aufbauen kann in unserem Alter. Wäre meine Schwester aber z.B. "nur" bei ihrem H-Vater aufgewachsen z.B. und hätten wir uns nie gesehen, dann wären wir für die Nörgler eher Schwestern als jetzt durch die Adoption. Verstehe das wer will. Ich finde es sehr schade, dass gerade Freunde da nicht hinter einem stehen. Die können die Gefühle gar nicht nachvollziehen und versuchen es auch gar nicht. Manchmal ist das wirklich sehr anstrengend und verletzend... ständig muss man sich und seine Gefühle verteidigen.
Ist das normal, dass Außenstehende irgendwann einfach dicht machen und die Euphorie auch nicht mehr teilen? Was habt ihr da für Erfahrungen gemacht? Waren Freunde/Bekannte/Verwandte eher neugierig, ablehnend, unterstützend...?
Also meine Freunde - zumindest die, die von der ganzen Sache wissen - sind gar nicht abweisend oder so. Ich hab sogar eine Freundin, die scheint mir aufgeregter zu sein als ich, total süß. Ich muss jetzt einfach mal fragen, wie oft ihr mit euren Freunden über das Thema sprecht, denn wenn es euer Hauptthema ist, kann das schon mal lästig werden für andere. Vor allem, weil sie ja keine aktive Rolle in der Geschichte haben. Eine gute Freundin von mir war ein Jahr in Irland und das war für sie ein ganz spezielles Jahr und ich hab mich mit ihr gefreut, dass sie es so toll hatte. Aber irgendwann ging's nur noch "Irland dies und Irland das" und inzwischen kann ich's nicht mehr hören. Nur so als Beispiel.
Das mit dem "Schwester"-sein ist für mich im Moment noch ein Rätsel, aber bei euch scheint es ja gut zu klappen. Klar ist es anders, wenn man sich ein Leben lang gekannt hat, aber ihr seid trotzdem Schwestern.
also ich habe einige Leute im Freundeskreis, die selbst von der Thematik betroffen sind - das macht die Sache wesentlich leichter für mich. Mit denen kann ich immer über das Thema reden und da ist auch niemand genervt.
Bei aussenstehenden Freunden ist das so ne Sache. Eine sehr gute Freundin von mir hat totales Verständnis, fragt immer wieder nach, wie der Stand ist und hibbelt immer mit. Andere wiederum wollen das gar nicht hören und interessieren sich auch nicht dafür. Das ist für mich aber ok so. Ich hab relativ oft das Bedürfnis, da drüber zu reden - aber dann nehm ich halt entsprechende Personen, die das alles nachvollziehen können.
was erwartest Du von Deinen nicht von Adoption betroffenen Mitmenschen? Die meisten von ihnen haben absolut keine Ahnung davon, was das ist. Wenn es hochkommt, freuen sie sich für all den armen Dritte-Welt-Waisen, dass sie in hochgelobtes Wohlstandsland, oder für inländische Babys und Kleinkinder, dass sie vor Suff und Hurerei gerettet werden. Deswegen wird von Adoptierten nicht selten erwartet, dass dafür gefälligst dankbar zu sein haben. Über die weggebende Seite macht sich von denen keiner Gedanken, denn wir sind für die menschlicher Unrat, den man am besten gleich sterilisieren sollte, damit so etwas nicht noch nicht einmal passiert. Das ist übertrieben? Nein, ich habe solche Sprüche schon per Mail bekommen.
An Deiner Stelle würde ich erst einmal nur noch mit den Freunden und Verwandten diskutieren, die Dich auch verstehen. Das ist zwar sehr schmerzhaft, aber was nutzt Dir zu diesem Zeitpunkt, wo Du selbst jede mögliche Unterstützung nötig hast, ein Missionieren von Unwissenden?
Denke an Dich und die, die Dir lieb und teuer sind, und lass die anderen erst einmal links liegen
Generell stellen wir als Adoptiveltern auch fest, das "nicht von Adoption betroffene" seltsame Einstellungen dazu haben. Da ist viel Aufklärungsarbeit gefragt. Freunde, die einem näher stehen, sind da inzwischen besser involviert. Andere sprechen das Thema gar nicht an, als ob wir es möglichst geheim halten wollten oder es uns weh tuen würde, daran erinnert zu werden, dass wir das Kind nicht selber geboren haben. Meistens kommen zuerst Fragen, ob wir denn wissen, warum er abgegeben worden ist. Das halten wir dann allgemein, da wir nicht zuviel von seiner persönlichen Geschichte erzählen wollen. Das kann er später selber denen erzählen, denen er es erzählen will. Meistens lenke ich es dann mit der Bemerkung um, dass wir Fotos haben und die leiblichen Eltern mit Briefen auf dem Laufenden halten. Damit bringe ich die Thematik dann wieder auf die allgemeine heutige Adoptionspraxis und kann dann aus dem Nähkästchen plaudern.
in der a-familie wußten es alle, aber wurde das thema tabuisiert und ausgeblendet. das hatte den vorteil, daß sich die a-familie nie erklären mußte, warum sie mich ausgegrenzt haben. als kind hätte ich es sowieso noch nicht verstanden.
im freundeskreis gab es keine möglichkeit darüber zu sprechen, vertraten die, die davon wußten die gängige meinung, adoption kann ja nicht mit problemen verbunden sein, waren doch eltern da...
Zitat von bonniehatten die, die davon wußten die gängige meinung, adoption kann nicht mit problemen verbunden sein, waren doch eltern da...
bonnie
ja das habe ich schon soooo oft gehört. "Du hattest doch Eltern...wo ist Dein Problem." Ich hab dann mal einer Freundin ausführlichst erklärt, wie sich das anfühlt, wenn man jahrelang belogen wird, wenn man keine Wurzeln hat, wenn man immer merkt es stimmt was nicht aber man kann es nicht greifen...Ende vom Lied war - sie hat geweint und meinte, so hätte sie das alles nie gesehen bisher und das zieht ihr grad bisschen den Boden weg.
Ich denke, bei vielen ist es schlichtweg der Fakt, dass sie sich nie wirklich mit der Thematik befasst haben.
Ich glaube, das Außenstehende das nur schwer nachvollziehen können. Uns geht es ähnlich wie Flipper. Viele reagieren völlig fassungslos, wenn wir sagen, dass unsere Tochter mit dem Wissen um ihre Adoption aufwachsen wird. "Aber das versteht doch eine Zweijährige noch gar nicht" kommt dann immer als Antwort. Im Moment mache ich mir noch die Mühe, allen zu erklären, warum das so wichtig ist (auch in der eigenen Familie ist das leider nötig), weil ich denke, nur so schafft man es, etwas mehr Sensibilität für das Thema zu schaffen. Ansonsten versuchen wir, durch lose Kontakte zu anderen Familien sicherzustellen, dass unsere Tochter mit anderen Adoptierten später Kontakt aufnehmen kann, wenn sie das will, denn ich glaube, das nur andere Adoptierte das wirklich nachvollziehen können, was es für sie bedeutet. Gute Freunde können das auch, wenn sie sich die Mühe machen, sich intensiv mit dem Thema zu befassen. Tun sie das nicht, sind sie auch keine guten Freunde. Von daher erkläre ich es gerne und geduldig für diejenigen, die sich damit auseinandersetzen möchten. Meine Mutter leiht sich immer alle Bücher aus, die ich zum Thema habe (Irmela Wiemann und Co), weil sie sagt, als Oma muss und will sie sich auch damit befassen, denn vielleicht sucht ja ihre Enkelin mal bei ihr Rat, weil sie sich nicht traut, uns bestimmte Dinge zu fragen (was ich nicht hoffe). Daher verschlingt sie alles zu dem Thema und wir reden oft darüber. Das finde ich toll.
vermutlich habt ihr Recht und Außenstehende beschäftigen sich einfach nicht intensiv genug mit dem Thema (wieso auch...). Wieso sie sich dann aber solche Kommentare/Urteile rausnehmen ist mir ein Rätsel. Bei Themen von denen man keine Ahnung hat, stellt man sich doch nicht als Experte hin, oder?
@ Riddle: Es stimmt schon, dass die Adoption/das Wieder finden momentan eines der "Hauptthemen" ist. Allerdings ja nicht in jedem Gespräch oder über Monate hinweg. Geschichten wie deine "Irlandgeschichte" kenne ich auch - von mir und anderen. Aber es ist doch die eine Sache, ob man von einer langen Reise immer wieder Anekdoten herauskramt oder ob sich gerade das gesamte Familien-Gefüge in Bewegung befindet--- gute Freunde sollte da ein Bisschen Geduld und Verständnis aufbringen können. Es geht schließlich um die eigenen Wurzeln bzw. die Familiengeschichte und die eigene Identität... wie kann man da denn nicht drüber reden wollen?
Wie läuft es denn bei dir im Moment? Das "Schwestern-Sein" bedarf bei uns ja auch noch einiger Gewöhnung, aber man wird mit der Zeit schon "reinwachsen"
@ Marleen: Das ist wahrscheinlich der sinnvollste Weg - betroffene Freunde (egal von was man gemeinsam betroffen ist) können Dinge oft besser nachvollziehen und haben mehr Verständnis. In meinem Freundeskreis ist aber z.B. niemand mit einer ähnlichen Geschichte... da ist das irgendwie schwierig.
Wenn man dann alles ausführlich erklärt, so wie bei deiner Freundin, dann verstehen es vielleicht auch die Anderen... aber zumindest bei uns sind viele erst gar nicht bereit (so lange) zuzuhören...
@ Mausi51: Wer schreibt denn solche Sachen per e-mail?! Haben die Leute alle einen Schaden?! Aber du hast Recht, man sollte sich von so was nicht runterziehen lassen und eben nur noch mit denen darüber reden, die vernünftig damit umgehen. ...
@ Flipper & Englandfan: Finde ich gut wie ihr das handhabt. Das werden euch eure Kinder sicher mal zugute halten Und die Oma ist auch echt top!
@ Bonnie: Das finde ich wirklich schlimm - weder die Familie noch die Freunde bringen einen Funken Verständnis auf. Hat sich denn niemand (vorher) mit dem Thema Adoption ein Bisschen auseinandergesetzt? Es ist ja doch ein Unterschied, ob man bei biologischen oder bei "neuen" Eltern aufwächst... mit "du hattest doch Eltern" ist einem da sicherlich kein Stück geholfen
Ach, mich ägert einfach diese Gedanken- und Interesselosigkeit. Es ist als wäre den Leuten alles was ihren Horizont übersteigt, ihr Weltbild ins Wanken bringt und über Smalltalk hinausgeht einfach viiiiiiiiiel zu anstrengend. Dabei sollten doch gerade Familie und Freunde bisweilen hinter einem stehen und man ihnen "die Mühe" wert sein- oder sehe ich das falsch?
Ich habe ja noch "gut reden" - ich bin nicht die Adoptierte, sondern "nur" die leibliche, kleine Schwester... aber auch in der H-Familie wirbelt die ganze Situation einiges auf und durcheinander. Das wird auch oft vergessen, glaube ich.
Und wenn ich schon Redebedarf habe, wie muss es erst einigen von euch gehen....
So ich melde mich auch mal zu dem Thema. Hat mich lange, sehr lange beschäftigt.
Also bei mir war von einer Freundin zB die Reaktion als ich ihr erzählt habe das ich Kontakt habe mit meiner H-Mutter : " Boahr, wie cool! Das ist ja wie im TV! " Das hat mich in dem Moment sehr getroffen weil ich eh so aufgewühlt war... Aber okey. Eine andere ignoriert das meistens wenn ich ihr etwas darüber erzähle. Und die andere die weiß das zwar aber nunja, so richtiges interesse ist nicht vorhanden, es scheint ihr mehr egal zu sein. Mitbekommen haben das einige mehr. Das liegt daran das ich mich seit dem Kontakt mit meiner H - Mutter extrem verändert habe : Ich war vorher schüchtern, zurückhaltend und habe nicht an mich geglaubt. Jetzt kann ich mit gutem Gewissen sagen das ich selbstbewusst bin, Meine eigene Meinung habe und an mich und mein Tuen glaube. ( Das hat vielleicht auch was damit zu tun weil ich so vieles alleine geschafft habe... Aber das ist eine Lange Geschichte. Ich habe gesehen das es oft schwer ist wenn es um so etwas geht viele Menschen einzubeziehen, nunja, was heißt viele, 3 Leute oder 4 die ganz eng eingeweiht waren. Das gab immer mehr Stress weil alle wollten das ich es ihnen Recht mache, aber da geht es ja einmal um mich, und deshalb habe ich so vieles alleine geschafft! ) Nunja, zurück zum Thema. Diese doch nicht sehr schönen Reaktionen liegen meiner Meinung nach einfach an der Unwissenheit, klar weiß man etwas über Adoption, manche mehr, manche weniger. Aber die wirklichen Gefühle die weiß man nicht, wie die sind. Als betroffene Person sozusagen, fällt es mir ja oft schon schwer meine Gefühle zuzuordnen... Ich denke mal sie wissen es einfach nicht wie man sich fühlt, es ist schade weil manchmal wünscht man sich doch eine Person zum Reden, selbst wenn sie "nur " einfach zuhört...
Zitat von Lumi@ Marleen: Das ist wahrscheinlich der sinnvollste Weg - betroffene Freunde (egal von was man gemeinsam betroffen ist) können Dinge oft besser nachvollziehen und haben mehr Verständnis. In meinem Freundeskreis ist aber z.B. niemand mit einer ähnlichen Geschichte... da ist das irgendwie schwierig.
Ich habe die meisten von Adoption betroffenen Freunde/Bekannten auch erst kennengelernt, als ich mich mit dem Thema Ado auseinandersetzte und in meiner Stadt gabs so ne Art Ado-Gruppe. Daher kenne ich die Leute.