Die Inkognitoadoption ist eine Adoption, bei der die Person des Annehmenden zwar feststeht, aber gegenüber den leiblichen Eltern ungenannt bleibt. Vgl. § 1747 Abs. 3 Satz 2 BGB.
Das bestehende Adoptionsrecht geht von der Inkognitoadoption aus. Annehmende und abgebende Eltern kennen sich nicht. Dadurch soll die Adoptivfamilie vor Ausforschung durch die leiblichen Eltern geschützt werden. Umgekehrt gibt es diesen Schutz nicht. Die Adoptiveltern und das Kind (ab dem 16. Lebensjahr) haben das Recht, die Namen der leiblichen Eltern zu erfahren, da nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts jeder Mensch das Recht auf Kenntnis seiner Abstammung hat ( Art.2 Abs.1 GG)
Die abgebenden Eltern haben kein Recht, irgendetwas über ihr Kind zu erfahren solange nicht die Adoptiveltern des Kindes ihrem Wunsch nach Informationen entgegenkommen. Die rechtliche Situation wird im Bürgerlichen Gesetzbuch geklärt: "Tatsachen, die geeignet sind, die Annahme und Umstände aufzudecken, dürfen ohne Zustimmung des Annehmenden und des Kindes nicht offenbart oder ausgeforscht werden" (§ 1758 Abs. 1 BGB)
Konsequenz dieser Gesetzgebung ist, dass die leiblichen Eltern später auch nur mit Zustimmung der Adoptiveltern Kontakt mit ihren volljährigen Kindern aufnehmen können. Die Kontaktaufnahme von Seiten der leiblichen Eltern aus kann nur über das Jugendamt erfolgen. Das Jugendamt muss die Adoptiveltern um Erlaubnis fragen, ob diese damit einverstanden sind, dass der Kontaktwunsch der leiblichen Eltern an den/die volljährigen Adoptierte/n weitergeleitet werden darf.
Inkognitoadoption verführt manche Adoptiveltern dazu, Kindern die Adoption zu verschweigen. Spätestens zum Zeitpunkt einer Eheschließung wird die Adoption allerdings bekannt (Prüfung des Eheverbots der Verwandtschaft und Schwägerschaft gemäß Ehegesetz).
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Halboffene / Offene Adoption
Günter Smentek – Die leiblichen Eltern im Adoptionsprozess–verändert sich die Adoptionspraxis? – 1998
„Die Erfahrungen vieler Adoptionsvermittlungsstellen der letzten 10 Jahre zeigten jedoch deutlich, dass das Unwissen, die Halb- oder Unwahrheiten für alle Beteiligten viele Nachteile hatten: So blieb z.B. die Kinderlosigkeit der Adoptiveltern unangesprochen und die Herkunft des Adoptivkindes wurde nicht thematisiert. Aus diesem Grunde dachten die MitarbeiterInnen der Adoptionsberatungs- und Vermittlungsstellen über verschiedene Formen der offenen Adoption nach, und man begann, diese Änderungen in der Praxis umzusetzen.
Halboffene Adoption bedeutet in der Regel, leibliche Eltern und Adoptiveltern kennen sich persönlich nicht, evtl. kommt es zu einem einmaligen Zusammentreffen. Der weitere Kontakt erfolgt durch Austausch von Fotos und/oder Briefen, die über das Jugendamt weitergeleitet werden.
Von Offener Adoption spricht man, wenn leibliche Eltern und Adoptiveltern sich persönlich kennen und einen direkten Kontakt zueinander haben und halten.
Eine "halboffene" oder "offene" Adoption unterscheidet sich rechtlich nicht von einer Inkognito-Adoption. Die adoptionsrechtlichen Bestimmungen aus dem bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) finden auf alle Adoptionen Anwendung.
Mit der notariellen Einwilligung in die Adoption, die nicht widerrufen werden kann, erlöschen alle Rechte der leiblichen Eltern wie z. B. das Recht auf Umgang mit dem Kind (§§ 1751 BGB). Mit dem gerichtlichen Abschluss der Adoption endet die rechtliche Beziehung der leiblichen Eltern zu ihrem Kind vollständig (§§ 1754 ff. BGB). Das leibliche Kind wird rechtlich zum "fremden" Kind.
Da die Adoption unter einer Bedingung nicht zulässig ist, können auch keine rechtsverbindlichen Vereinbarungen oder Verträge zur Gestaltung des Adoptionsverhältnisses mit den zukünftigen Adoptiveltern getroffen werden (§ 1752 Abs. 2 BGB). Das "Adoptionsgeheimnis" schützt einseitig die Adoptivfamilie. Informationen über das Kind an die leiblichen Eltern und persönliche Kontakte sind nur möglich, wenn die Adoptiveltern damit einverstanden sind (§ 1758 BGB).
Diese Rechtslage ist vielen Menschen nicht bekannt, da der Begriff „Offene Adoption“ etwas anderes suggeriert. De facto gibt es jedoch weder so genannte halboffene noch eine offene Adoptionen. Abgebende Eltern bleiben immer auf das „Wort“ der Adoptiveltern angewiesen und von ihrem Wohlwollen abhängig. Aufgrund dieser einseitig die Adoptiveltern bevorzugenden Rechtslage, kommt es zu folgenden Fällen:
Die leibliche Mutter willigt in Unkenntnis der tatsächlichen Rechtslage einer Adoption ihres Kindes in offener Form zu. Sofern alle Papiere unterzeichnet sind, halten die Adoptiveltern sich nicht mehr an die zuvor gemachten Vereinbarungen. Da die leibliche Mutter durch diese Gesetzeslage der Willkür der Adoptiveltern ausgesetzt ist, kann der Kontakt zum Kind oft nur aufrechterhalten werden, wenn sie sich auf alles einlässt, was die Adoptiveltern von ihr fordern, egal ob dies vorher vereinbart war oder nicht. Unterwirft sie sich diesem Diktat nicht, wird ihr das als Anmaßung oder Desinteresse ausgelegt, was dann von Adoptiveltern zum Anlass genommen werden kann, den Kontakt mit der Mutter „zum Wohle des Kindes“ abzubrechen.
Egal von wem (Jugendamt/Adoptiveltern) und welche Zusagen V O R der „halboffenen oder offenen“ Adoption gemacht wurden, abgebende Mütter haben keine Möglichkeit, diese N A C H der Adoption jemals rechtlich durchzusetzen.
Bis vor wenigen Jahren wurden die meisten Adoptionen unter Wahrung des Inkognitos durchgeführt, wobei die leiblichen Eltern nur sehr allgemeine Informationen über die Adoptiveltern und keine weiteren Informationen zur Entwicklung ihres Kindes erhalten haben. Wie zahlreiche Berichte zeigen entspricht diese Praxis jedoch selten den Bedürfnissen der abgebenden Eltern. Sie äußern häufig (oft auch nach Jahren) den Wunsch, Informationen über ihr Kind zu erhalten und so aus der Ferne an seiner Entwicklung teilzuhaben. Auch viele Adoptierte äußern den Wunsch, nähere Informationen oder Briefe von ihren leiblichen Eltern zu erhalten oder diese kennen zu lernen. Für Adoptiveltern kann es ebenfalls sehr hilfreich sein, z. B. im Rahmen anonymer Kontakte zusätzliche Informationen über die leiblichen Eltern zu erhalten und diese selbst zu erleben. Sie können auf diese Weise dem Kind möglicherweise ein realistischeres und verständnisvolleres Bild seiner Herkunftsfamilie vermitteln.
Adoptionen müssen nicht inkognito erfolgen. Eine völlige Aufhebung der Anonymität mit Weitergabe von Namen und Adresse ("offene" Adoption) ist jedoch sehr selten und geschieht häufig erst nach vielen Kontakten, wenn die Adoptiveltern und Herkunftseltern viel Vertrauen und Offenheit zueinander entwickelt haben.
Die derzeit häufigsten Formen der Gestaltung von Adoptionsverhältnissen in der Praxis sind schrittweise Öffnungen des Inkognitos bzw. "halboffene" Formen der Adoption. Dabei tauschen Adoptiveltern und Herkunftseltern wechselseitige Informationen, Fotos und Geschenke über das Jugendamt aus oder sie stehen in anonymem brieflichen Kontakt zueinander. Zum Teil lernen sich leibliche Eltern und Adoptiveltern auch persönlich unter Wahrung der Anonymität kennen, um sich ein Bild voneinander zu machen und bleiben möglicherweise in regelmäßigem persönlichen Kontakt zueinander. Das Adoptivkind wird seinem Alter und seinen Bedürfnissen entsprechend einbezogen.
Für leibliche Eltern bedeutet eine Öffnung des Inkognitos dennoch einen Abschied von ihrem Kind. Der Lebensmittelpunkt des Adoptivkindes verbleibt auf jeden Fall bei den Adoptiveltern. Sie sind seine "tatsächlichen" Eltern, übernehmen seine Betreuung und tragen die Erziehungsverantwortung.
Aufgrund der Rechtslage ("Adoptionsgeheimnis") beruht die Öffnung des Inkognitos auf der Freiwilligkeit der Adoptiveltern und kann nicht erzwungen, vertraglich vereinbart oder gerichtlich durchgesetzt werden. Leibliche Eltern haben jedoch die Möglichkeit, ihre Wünsche zur Ausgestaltung des Adoptionsverhältnisses jederzeit gegenüber der Adoptionsvermittlungsstelle zu äußern. Soweit realisierbar werden die berechtigten Wünsche und Interessen der leiblichen Eltern bei der Auswahl der Adoptiveltern berücksichtigt. Ist eine Adoptionsvermittlung bereits erfolgt, wird die Adoptionsvermittlungsstelle den Wunsch der leiblichen Eltern nach Informationen zum Wohlergehen des Kindes ebenfalls aufgreifen und mit den Adoptiveltern besprechen. Vertiefende Informationen
Erste Untersuchungen und Berichte aus der Praxis zeigen, dass eine Öffnung des Inkognitos für alle Beteiligten entlastend wirken kann. Die Realität einer Adoption wird dabei für alle Beteiligten besser erlebbar. Für abgebende Eltern kann dies bedeuten, dass sie die Trauer um den Verlust ihres Kindes besser verarbeiten können. Adoptivkinder scheinen sich weniger mit Phantasien zu ihren leiblichen Eltern zu beschäftigen, sondern setzen sich konkret mit deren Lebenssituation und ihren Gründen für die Adoptionsfreigabe auseinander.
Der Wunsch von leiblichen Eltern, die Adoptiveltern ihres Kindes kennen zu lernen, entwickelt sich häufig erst, nachdem das Kind bereits vermittelt wurde. Deshalb wird von Adoptionsvermittlungsstellen zunehmend an Adoptionsbewerber der Anspruch gestellt, dass sie grundsätzlich zu einer Öffnung des Inkognitos bereit sind.
In der Regel erfolgt eine Öffnung des Inkognitos in behutsamen kleinen Schritten unter fachlicher Begleitung durch die Adoptionsvermittlungsstelle. Gerade bei persönlichen Kontakten können die Beteiligten sehr stark mit ihren Gefühlen der Trauer, Ohnmacht, Wut, Scham und Angst konfrontiert werden. Gleichzeitig kann dabei bei den Beteiligten gegenseitiges Verständnis wachsen und einen offenen und ehrlichen Umgang mit dem Adoptionsgeschehen ermöglichen. Damit die Vielzahl der verwirrenden und widerstreitenden Gefühle nicht zu einem Abbruch des Kontakts führt, der besonders bei den leiblichen Eltern neuen Schmerz hervorruft, ist die Einbettung der Kontakte in einen intensiven Beratungsprozess durch die Adoptionsvermittlungsstelle erforderlich.
Eine Öffnung des Inkognitos ist nur möglich, wenn dadurch das Wohl des Kindes nicht gefährdet wird. Sie hat Grenzen, die jeweils sorgfältig erwogen werden müssen, wenn z. B.
* die Einwilligung zur Adoption ersetzt wurde, * die Beteiligten emotional überfordert sind, * die Situation den Bedürfnissen des Kindes nicht gerecht wird bzw. für das Kind verwirrend ist, * die Schwangerschaft geheim gehalten wurde oder * die Adoptionsfreigabe vom Umfeld der leiblichen Eltern nicht mitgetragen wird.
Damit sind einige der wichtigsten Ausschlussgründe für eine völlige Aufhebung der Anonymität skizziert. In den meisten anderen Fällen wird eine Öffnung des Inkognitos soweit möglich sein, wie sie von allen Beteiligten gewünscht und im Interesse aller gestaltet werden kann.
Rechtliche Informationen
Eine "halboffene" oder "offene" Adoption unterscheidet sich rechtlich nicht von einer Inkognito-Adoption. Die adoptionsrechtlichen Bestimmungen aus dem bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) finden auf alle Adoptionen Anwendung.
Mit der notariellen Einwilligung in die Adoption, die nicht widerrufen werden kann, ruhen alle Rechte der leiblichen Eltern wie z. B. das Recht auf Umgang mit dem Kind (§§ 1751 BGB). Mit dem gerichtlichen Abschluss der Adoption endet die rechtliche Beziehung der leiblichen Eltern zu ihrem Kind vollständig (§§ 1754 ff. BGB). Das leibliche Kind wird rechtlich zum "fremden" Kind.
Da die Adoption unter einer Bedingung nicht zulässig ist, können auch keine rechtsverbindlichen Vereinbarungen oder Verträge zur Gestaltung des Adoptionsverhältnisses mit den zukünftigen Adoptiveltern getroffen werden (§ 1752 Abs. 2 BGB). Das "Adoptionsgeheimnis" schützt die Adoptivfamilie. Informationen über das Kind an die leiblichen Eltern und persönliche Kontakte sind nur möglich, wenn die Adoptiveltern damit einverstanden sind (§ 1758 BGB).
Erst wenn das Adoptivkind die Volljährigkeit erlangt hat, sind Kontakte zu ihren leiblichen Eltern nicht mehr von der Zustimmung der Adoptiveltern abhängig.
Aufgaben des Landesjugendamts
Die Zentrale Adoptionsstelle des Landesjugendamts unterstützt die Tätigkeit der Adoptionsvermittlungsstellen der Jugendämter und der freien Träger durch Beratung der Fachkräfte, Bereitstellung von Materialien sowie der Durchführung von Fachtagungen und Fortbildungsveranstaltungen. Unter anderem hat das Landesjugendamt einen Workshop zum Thema "Die Lockerung des Inkognitos – Chancen und Risiken der Öffnung von Adoptionsverhältnissen" für Fachkräfte der Adoptionsvermittlung durchgeführt.
Publikationen des Landesjugendamts
Aufklärung des Kindes über seine Adoption. Eine Hilfe für Eltern. Mit freundlicher Genehmigung der British Agencies for Adoption and Fostering, London. 5. Auflage, München 1999.
Das "Adoptionsgeheimnis" des § 1758. Dokumentation der Fachtagung am 8.11.1995. München 1996 (vergriffen).
Weiterführende Fremdpublikationen
Bechinger, W. / Gerber, U. (Hrsg.): Die vergessene Seite der Adoption. Erfahrungsberichte und Beiträge zur Situation "abgebende Mütter – Adoptiveltern". Lahr: Kaufmann 1993.
Smentek, G. (Hrsg.): Die leiblichen Eltern im Adoptionsprozess – Verändert sich die Adoptionspraxis? Fachleute und betroffene Väter/Mütter berichten. Idstein: Schulz-Kirchner 1998.
Swientek, C.: Die "abgebende Mutter" im Adoptionsverfahren. Eine Untersuchung zu den sozioökonomischen Bedingungen der Adoptionsfreigabe, zum Vermittlungsverfahren und den psychosozialen Verarbeitungsstrategien. Bielefeld: Kleine 1986 (vergriffen).
Wendels, C.: Mütter ohne Kinder. Wie Frauen die Adoptionsfreigabe erleben. Freiburg: Lambertus 1998.