wir haben seit einigen Monaten einen Säugling in Adoptivpflege. Manchmal erzähle ich ihm von seiner ersten Mama, aber so richtig haben mein Mann und ich uns noch nicht damit beschäftigt was wir dem Kind wann erzählen wollen.
Unser Fall ist vielleicht ein Beispiel für eure Diskussion der Inkognito-Adoption vor Ort: Das Jugendamt hat uns viel über die leiblichen Eltern erzählt. Wir kennen die vollständigen Namen, Geburtsdaten, Adresse und Lebensumstände der Eltern, Anzahl, Alter, Namen der Geschwister unseres Kindes. Wir wissen aber auch, dass weder Großeltern noch Geschwister von dem Säugling wissen. Ob es den Eltern bewusst und recht ist, dass wir so viel erfahren haben, weiß ich leider nicht. Ich weiß auch nicht, was die Eltern von uns wissen. Hinzu kommt, dass die Familie im selben Kreis wohnt und sich die Kinder in Vereinen etc. über den Weg laufen könnten.
Und so frage ich mich, ob bzw. wann wir unserem Kind bspw. die Namen und Nachnamen der Geschwister sagen. Bis es sich für die Nachnamen interessiert und diese in facebook eingibt, werden sicherlich noch 10-12 Jahre vergehen. Aber dann ist seine Schwester 17 und eine Nachricht über facebook bringt die komplette Herkunftsfamilie durcheinander.
Kann mir so ein Szenario egal sein? Oder "verheimliche" ich Nachnamen und Adressdaten bis zum 16. Lebensjahr, wo unser Kind bewusster mit Kontaktanbahnung umgeht?
Ich denke, das kann man nicht so absolut planen. Hängt einfach auch damit zusammen, wie viel Interesse das Kind zeigt und wie es mit den bisherigen Informationen umgeht. Verheimlichen oder ein "Sag ich dir erst, wenn du 16 bist" dürfte jedenfalls auch zu Konflikten führen.
Vielleicht ist Facebook auch in 10 Jahren längst explodiert
Hallo Maggie, also, das Wort "verheimlichen" in Deinem letzten Absatz finde ich völlig daneben! Ansonsten möchte ich euch den Rat geben, erählt dem Kind alles was ihr wißt, natürlich altersbezogen. Mit den Familiennamen wäre ich eher zurückhaltend, zumindest bis zum Ende der Pubertät. Aus gegebenem Anlass halte ich es für absolut unabdingbar, adoptierte Kinder von Anfang an, und das möchte ich besonders betonen, in dem Bewußstsein aufwachsen zu lassen, dass sie adoptiert sind und das Interesse an der Herkunftsfamilie in jeder Lebensphase lebendig zu halten! Könnt ihr die Adoption nicht offen, oder in diese Richtung hin gestalten?
ich gebe euch Recht, wir haben nichts anderes vor als unser Kind im Bewusstsein adoptiert zu sein aufwachsen zu lassen. Mit "verheimlichen" habe ich im Grunde "zurückhaltend sein" mit dem Familiennamen gemeint. Die Adoption in eine offene entwickeln? hm, warum nicht ... Ich werde das Jugendamt eh fragen inwieweit die leiblichen Eltern von uns wissen und wie wichtig ihnen ihre Anonymität ist.
break - es ist kurz vor elf und da wartet jemand auf den Vormittagsspaziergang Grüße, Maggie
Ich denke, wenn Dein Kind alt genug ist, nach Namen zu fragen, wird es auch die Umstände verstehen lernen (müssen), nämlich, daß seine Existenz verheimlich wurde und es nicht "einfach so" in Kontakt treten kann.
Zitat von MaggieMaeIch werde das Jugendamt eh fragen inwieweit die leiblichen Eltern von uns wissen und wie wichtig ihnen ihre Anonymität ist.
Bei Inkognito stellt sich doch eher die Frage wie wichtig dieses Inkognito für euch ist, nicht umgekehrt, denn es soll dadurch die neu gebildete Familie schützen, nicht die biologische (= alte). Soweit ich weiß hat Herkunftsfamilie kein gesetzlich festgeschriebenes Anrecht auf Anonymität. Normalerweise haben Adoptiveltern Daten zur Familie ihrer angenommenen Kinder, es sei denn, die Herkunftsfamilie hat den Anonymitätswunsch explizit verlauten und zu den Akten nehmen lassen - bzw. einen Sperrvermerk eintragen lassen.
Zitatnaji schrieb: Aus gegebenem Anlass halte ich es für absolut unabdingbar, adoptierte Kinder von Anfang an, und das möchte ich besonders betonen, in dem Bewußstsein aufwachsen zu lassen, dass sie adoptiert sind und das Interesse an der Herkunftsfamilie in jeder Lebensphase lebendig zu halten!
Das kann ich als Adoptivmutter uneingeschränkt bestätigen, damit habe ich die besten Erfahrungen gemacht.
ZitatKönnt ihr die Adoption nicht offen, oder in diese Richtung hin gestalten?
Darüber sprach ich schon einige Male mit meinem inzwischen erwachsenen Sohn. Er bestätigt mir immer wieder seine Zufriedenheit darüber, dass die Herkunftsfamilie erst ziemlich spät in sein Leben getreten ist (trotz vorhandener Geschwister, die er sich als Kind und Jugendlicher immer wünschte). Er meinte, ein früherer Kontakt hätte ihn mit Sicherheit überfordert. Über dieses Thema können die Adoptierten selbst am besten Auskunft geben, denn als Adoptiveltern stehen wir nur daneben.
Zitat von Martina Darüber sprach ich schon einige Male mit meinem inzwischen erwachsenen Sohn. Er bestätigt mir immer wieder seine Zufriedenheit darüber, dass die Herkunftsfamilie erst ziemlich spät in sein Leben getreten ist (trotz vorhandener Geschwister, die er sich als Kind und Jugendlicher immer wünschte). Er meinte, ein früherer Kontakt hätte ihn mit Sicherheit überfordert. Über dieses Thema können die Adoptierten selbst am besten Auskunft geben, denn als Adoptiveltern stehen wir nur daneben.
Martina
Aus dieser Perspektive habe ich das noch nicht betrachtet und gebe Dir auch völlig Recht! Es sei denn, der Kontakt zur Herkunftsfamilie wird von der Seite des adoptierten Kindes/Jugendlichen ausdrücklich früh/er gewünscht. Mittlerweile weiß ich, dass einzig die Wünsche und Bedürfnisse aller Adoptierter im Vordergrund stehen müssen.
ich habe mich das auch oft gefragt wann ich die Geschwister ins Spiel bringe.... Wir haben nie explizit Aufklärung betrieben. Wir haben z.B. Bücher mit entsprechendem Thema vorgelesen und dabei erzählt wie sie zu uns gekommen sind. Dann haben wir die Fragen der Kinder kommen lassen und entsprechend beantwortet....
Geschwister kamen in den Büchern leider nie vor, also wann damit anfangen?
Unsere grosse ist jetzt 6 und sehr interessiert. Fragt des öfteren nach ihrer ersten Mama und wir nennen sie beim Vornamen. Sie fragte mich z.B. wie sie aussieht und da habe ich ihr ein Foto versprochen, das sie ein paar Wochen später dann bekommen hat. Nachnamen spielen noch keine Rolle. Falls es soweit ist, dass sie auch das versteht dann sagen wir ihr: du bist mit dem Namen xy geboren.
Ihre Geschwister hab ich dann selbst zum Thema gemacht weil ich denke sie ist alt genug und ich einfach nicht mehr warten wollte! Ich habe ihr gesagt: in dem Bauch deiner ersten Mama waren noch mehr babys ausser dir. Fettich.... ich hab mich sehr gut dabei gefühlt das sie mehr von ihrer persönlichen Geschichte und Familie erfährt. Man kann nicht auf alles (auf alle Fragen) warten.
Unsere Tochter weiß die Vornamen ihrer leiblichen Eltern und Geschwister. Den Familiennamen haben wir ihr bisher nicht gesagt und auch noch nicht entschieden, wann wir das tun werden. Wahrscheinlich, wenn sie älter ist und deutliches Interesse daran zeigt, ihn wissen zu wollen.
Dass sie auch leibliche Großeltern hat, haben wir bisher noch nicht mit ihr thematisiert. Sie ist gerade dabei, die ganzen Verwandtschaftsbeziehungen "Oma ist die Mama von Papa", "Onkel X. ist der Bruder von Mama" usw. zu sortieren, da würde es, glaube ich, nur verwirren, wenn wir noch Verwandte ins Spiel bringen, die sie gar nicht kennt.
Bei uns war es eine überregionale Vermittlung und kein Mitglied der Herkunftsfamilie lebt in unserer Umgebung.
ZitatHinzu kommt, dass die Familie im selben Kreis wohnt und sich die Kinder in Vereinen etc. über den Weg laufen könnten.
Eine solche Konstellation würde mir Bauchweh bereiten. Unsere Tochter und eines ihrer Geschwister sehen sich z.B. so ähnlich, dass es gut sein könnte, dass es Leuten, die zufällig mit beiden Kontakt haben, auffallen würde.
Vielleicht wäre es eine Idee zu versuchen, übers Jugendamt Kontakt mit den Herkunftseltern aufzunehmen. Ihr könntet ihnen mitteilen, wie es dem Kind mittlerweile geht und thematisieren, dass ihr euch mit der Frage beschäftigt, was ihr dem Kind erzählen werdet, wenn es älter ist. Es wäre hilfreich für euch zu wissen, was sie - die Herkunftseltern - darüber denken.
Auf jeden Fall finde ich es gut, dass ihr euch jetzt schon mit dieser Frage beschäftigt. So werdet ihr hoffentlich einen Weg gefunden haben, wenn die Fragen kommen.
Danke für eure interessanten und hilfreichen Antworten!
Den Vorschlag von Donata werde ich befolgen:
ZitatVielleicht wäre es eine Idee zu versuchen, übers Jugendamt Kontakt mit den Herkunftseltern aufzunehmen. Ihr könntet ihnen mitteilen, wie es dem Kind mittlerweile geht und thematisieren, dass ihr euch mit der Frage beschäftigt, was ihr dem Kind erzählen werdet, wenn es älter ist. Es wäre hilfreich für euch zu wissen, was sie - die Herkunftseltern - darüber denken.
Die Situation der Herkunftseltern beschäftigt mich sehr. Es kann sein, dass diese kein Anrecht auf Anonymität haben. Aber wenn sie das Kind in ihrer Familie auch zukünftig verheimlichen wollen, respektiere ich das. Dann muss unser Kind tatsächlich damit umgehen lernen wie Lattitia meinte.
Wegen der Nähe zur Herkunftsfamilie: Im ersten Gespräch wurden wir gefragt ob uns das stören würde. Da wir uns in der Himmelsrichtung nicht aufhalten, und Schule, Ausflüge usw. in der anderen Himmelsrichtung liegen, haben wir das als unproblematisch eingeschätzt. Ich weiß nicht wie ich das heute entscheiden würde, und ob das Jugendamt inzwischen auch anders entscheiden würde. Gerade bei Sport- oder Musikvereinen gibt es regionale Wettkämpfe. Da trifft man sich. Oder auch nicht. Bauchweh habe ich deshalb auch öfter. Ich denke aber, dass bis zum ersten Zusammentreffen unsere Familienbande gefestigt sind und mein dann selbstverständlich mit seiner Geschichte umgehendes Kind das Zusammentreffen als bereichernd emfindet.
Was für Ziele! Aber ihr habts auch geschafft, ich freu mich sehr über eure positiven Erfahrungen und euren Zuspruch Grüße, Maggie