Daraus einige Zitate (Hervorhebung durch mich sowie teilweise Abkürzungen ergänzt wegen der besseren Lesbarkeit):
- Der am ..?.. geborene J.K. und die am ..?.. geborene R. ... sind die leiblichen Kinder der C.K.
- Nach ihrer Geburt wuchs R. zunächst ganz überwiegend in einer Pflegefamilie auf.
- Im April 2005 konnte R. wieder in den Haushalt der Mutter wechseln, wo auch J. lebte.
- Im Mai 2006 wurden die Kinder durch das Jugendamt in Obhut genommen. Nach einem Aufenthalt in einem Kinderheim lebten die Geschwister in einer therapeutischen Wohngruppe.
- Am 14.06.2006 wurde der Mutter das Sorgerecht für J. und R. teilweise entzogen ...
- Mit notarieller Urkunde vom 27.08.2008 willigte die Mutter in die Adoption von R. ein.
- Seit dem 01.12.2008 lebt R. im Haushalt der Adoptiveltern (Anmerkung: da war sie 6 und der Bruder 8, siehe Urteil Abs. II, 2. aa)
- Ein Umgang zwischen den Geschwistern fand seitdem ebensowenig statt wie telefonischer, brieflicher oder sonstiger Kontakt.
- In der Folgezeit entstanden Meinungsverschiedenheiten zwischen der leiblichen Mutter, dem damaligen Ergänzungspfleger R. sowie Mitarbeitern des Jugendamtes der Landeshauptstadt Dresden einerseits und den Adoptiveltern andererseits, ob der Umgang und Kontakt der Geschwister für diese kindeswohldienlich seien und welche Bedeutung Absprachen hätten, die die leibliche Mutter und die Adoptiveltern zu Beginn des Adoptionsverfahrens hierzu getroffen hatten.
- Im Februar 2010 wurde auf Antrag des damaligen Ergänzungspflegers R. das vorliegende Verfahren zur Regelung des Umgangs der Geschwister bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Dresden eingeleitet, ...
- Gleichzeitig bemühte sich die Mutter gegenüber dem Amtsgericht Meißen, in dessen Bezirk die Adoptiveltern mit R. leben und bei dem das Adoptionsverfahren geführt wurde, darum, ihre Einwilligung zur Adoption rückgängig zu machen.
- Mit Beschluss des Amtsgerichts Meißen vom 30.08.2010 wurde R. als gemeinschaftliches eheliches Kind der Adoptiveltern angenommen. (Anmerkung: da muss sie 8 gewesen sein)
- Das Amtsgericht Meißen wies mit dem angefochtenen Beschluss vom 27.04.2011 die Anträge J. (Anmerkung: auf Umgangsrecht mit seiner Schwester) als unbegründet zurück. Ein Umgangsrecht bestehe nach der unanfechtbaren Adoption weder gemäß § 1685 Abs. 1 noch gem. § 1685 Abs. 2 BGB.
- Hiergegen wendet sich die leibliche Mutter mit ihrer Beschwerde. Die Adoptiveltern hätten getroffene Vereinbarungen gemäß einer halboffenen Adoption nicht eingehalten. Sie hätten jeglichen Kontakt der Kinder unterbunden und im Umgangsverfahren nicht mitgewirkt. R. habe große gesundheitliche Probleme. Der Kontakt beider Kinder stehe einer Eingliederung in die Adoptivfamilie nicht entgegen.
- Auch J. ́ Verfahrensbeistand hebt mit seiner Beschwerde hervor, der Mutter sei schon seit Beginn des Adoptionsverfahrens der fortbestehende Kontakt der Kinder wichtig gewesen. Dies habe auch die Mitarbeiterin der Adoptionsvermittlungsstelle beim Jugendamt der Landeshauptstadt Dresden bestätigt. J. habe auf Grund seiner Entwicklung eine besonders enge Beziehung zu seiner Schwester entwickelt.
- Die Adoptiveltern sind dem entgegengetreten. Das Amtsgericht Meißen habe mit dem Adoptionsbeschluss alle Gesichtspunkte berücksichtigt. Ein Umgangsrecht bestehe danach nicht mehr. R. gehe es gut. Umgang mit ihrem Bruder wünsche sie nicht. Es sei wichtig, dass sie bei ihnen als Adoptiveltern ungestört aufwachsen könne. R. sei in der Vergangenheit sexuell missbraucht worden, auch von ihrem Bruder. Wenn R. eines Tages Kontakt mit J. wünsche, nähmen sie mit ihm Kontakt auf.
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Wenn man sich die Mühe macht, aufmerksam die unter Abschnitt II des Urteils aufgeführten Erklärungen zu lesen, dann findet man genug Argumente gegen einen Geschwisterkontakt, aber auch einige Hintertürchen, diesen doch zu erwirken.
Es fällt einem aber auch Merkwürdiges und Interessantes auf, wie z. B.:
Wie passt es zusammen, dass in der Urteilsbegründung die Behauptung der Adoptiveltern steht, der Bruder habe die kleinere Schwester sexuell missbraucht, in den Erklärungen aber nur angemerkt wird, dass es "Hinweise gibt, nach denen es offenbar deutlich unangemessene Verhaltensweisen J. gegenüber R. in der Vergangenheit gegeben haben soll."? Man beachte hierzu, dass zum Zeitpunkt ihres letzten Zusammenseins der Bruder 8 und die Schwester 6 waren. Nirgendwo in den ganzen Erklärungen steht irgendetwas dazu, dass das Mädchen von irgendjemandem sexuell missbraucht worden war. Vielleicht wundert man sich über die Beschuldigung nicht mehr, wenn man den nächsten Satz liest: "Die Zurückhaltung der Adoptiveltern mag auch von der nachvollziehbaren Befürchtung getragen sein, dass die leibliche Mutter, die die Adoptionsfreigabe zwischenzeitlich bereut, versucht sein könnte, R. mit Hilfe des Kontaktes zu ihrem Bruder gegenüber den Adoptiveltern negativ zu beeinflussen."
Besonders aufschlußreich ist das Statement zu Absprachen bei offenen Adoptionsvarianten (Abschnitt II, 2, d)):
Zitat: Ein Umgangsrecht kann sich nicht aus etwaigen Vereinbarungen zwischen leiblicher Mutter, Adoptionsvermittlungsstelle und Adoptiveltern ergeben. [...] Zulässig ist eine Beschränkung der Einwilligung zur Adoption nur dergestalt, dass der Annehmende bestimmte objektivierbare Voraussetzungen zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt, z.B. was Religionszugehörigkeit, Nationalität oder Beruf angeht. Solche Beschränkungen sind von einem bloßen Wunsch zu unterscheiden und müssen überdies Bestandteil der notariell beurkundeten Einwilligungserklärung sein (Frank, a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. In der Vereinbarung künftiger Umgangsgestaltungen wäre keine zulässige Beschränkung der Einwilligungserklärung mehr zu sehen, die sich an einer nachprüfbaren Eigenschaft der Adoptiveltern festmacht, sondern es würde sich um eine unzulässige Auflage zur künftigen Ausgestaltung des Sorgerechts handeln.
Wir lernen daraus also genau das, was Kritiker von "halboffen/offen" schon immer sagen: Das Werben für die offenen Varianten als Beweis für eine Modernisierung des Adoptionswesens ist sittenwidrig, weil sich rechtlich nichts geändert hat! Freiwillige Absprachen zur Durchführung einer Inkognitoadoption waren schon immer möglich, wenn sich alle Parteien einig waren.
in bezug auf den letzten Abschnitt: wir lernen daraus dass genau das, was Kritiker von "halboffen/offen" schon immer sagen....." Da hilft kein Werben für offene Varianten etc. solange die H-familie auf gedeih und verderb auf das wohlwollen der A-familie angewiesen ist.
Ich sehe nach wie vor den zwingenden handlungsbedarf einer gesetzesänderung, die inkognitoadoptionen nur in sehr gut überprüften und unumgänglichen fällen zulässt.
dieser meinung war ich schon vor 23 jahren und daran hat sich bis heute nichts geändert.