[...] 1948 ist in Südafrika die Apartheid-Ära angebrochen. Eine südafrikanische Kinderpsychologin bricht nach Deutschland auf und wählt 83 Kinder aus deutschen Waisenhäusern aus. Hinter dieser Initiative steht ein südafrikanisches privates Adoptionsunternehmen, gegründet von rechtsgerichteten Buren. Ihr Auswahlkriterium ist die sogenannte "Rasse”. Das "arische Blut” soll der burischen Minderheit in Südafrika helfen, "weiß zu bleiben in einem schwarzen Land”. "Isoliert die Kinder, trennt die Geschwister voneinander und schneidet sie von ihrer Vergangenheit ab", das ist das Motto des Dietse-Kinderfonds, der die Sammeladoption unter kirchlicher Bürgschaft durchführt. [...]
zur trennung, der gründe und familiengeschichten muß ich noch was loswerden. das grauen liegt ja manchmal fast vor der haustür. kriegsfolgen ziehen sich ja bis heute noch durch generationen. ein thema, das wahrscheinlich aus volkswirtschaftlichen gründen lange totgeschwiegen wurde. für die kinder, die vor und nach kriegsende aus not oder familiär/gesellschaftlichen gründen aus ihren familien (sofern vorhanden) herauskamen, ein desaster.
in dem buch 'die vergessene generation' von sabine bode (kann ich nur empfehlen) liest sich der bericht einer damaligen fürsorgerin (s. 135), die für pflegeplätze zuständig gewesen sein muß, (bericht aus damaligem erziehungsratgeber, ernst-klett-verlag) geradezu erschreckend. sie beschreibt, was die situation fremduntergebrachter kinder erschwerte: zitat: "eine pflegefrau rühmte sich, von dem pflegegeld für drei pflegekinder kücheneinrichtung, schlafcouch und zuschuß zum bau des eigenheims beschafft zu haben. in anderen fällen dienten die pflegekinder als billige hilfskraft. als besonders auffallend wird hervorgehoben, daß im gegensatz zu den früheren schwierigkeiten pflegekinder unterzubringen, diese jetzt geradezu 'gefragt' seien. als ursache solchen andrangs von bewerben um ein pflegekind wird in erster linie der wunsch nach barem geld, das heute besonders knapp ist, angesehen. in diesem zusammenhang seien auch die bei schwarzwaldbauern untergebrachten 'hütekinder' erwähnt. hilfehabenwollen, ausnutzen des pflegekindes als geldquelle oder als arbeitskraft steht allzu oft im vordergrund, während doch das helfenwollen erster antrieb auf aufnahme eines pflegekinds sein sollte". (zitatende). nicht gerade rosige aussichten.
das ließ mich natürlich aufhorchen, da meiner adoption derzeit ein mehrjähriges pflegeverhältnis vorausging, zu menschen, die vor dem nichts standen, sich selber nicht helfen konnten, geschweige für ein kind verantwortung übernehmen (da bin ich mir sicher, die umwandlung der pflegestelle in eine ado kam mit zutun der vermittlungsstelle und dem (alleinigen) willen meines a-vaters zustande. anders kann ich mir die kälte und ablehnung meiner a-mutter nicht erklären).
so kommt doch noch unverhofft ein puzzle-teil zum anderen.
in dem buch 'mundtot' schildert jürgen schubert eindringlich seine lebensgeschichte, sein werdegang mit dem stempel der mutter: kind aus einer vergewaltigung und abgeschoben in ein heim. behandelt hat man ihn deshalb wie geistig minderbemittelt, der förderung nicht würdig. abenteuerliche gutachten trieben ihn in die fänge der psychiatrie, schildert seine heimerfahrungen, miserable schulförderung, medikamentöses ruhigstellen, ausgrenzungen. wie er damit umgeht und doch immer wieder neuen mut faßt. und, warum seine mutter die außereheliche schwangerschaft als vergewaltigung hinstellte, obwohl es anders war (angst vor dem ehemann, ansehensverlust, stramme rechtspolitische orientierung, gesellschaftliche und kirchliche zwänge, die unfähigkeit der beiden, sich auch später nicht der verantwortung zu stellen zu können).
die nackenhaare sträubten sich mir nochmal im interview mit schubert und den dipl.-psychologen tietjen und hittinger (s. 85): zitat schubert (auf die nachkriegszeit bezogen): "[...] interessant ist ja auch die entdeckung, es gibt einen lastenausgleich für die, die das kind nicht haben wollten. es gibt keinen lastenausgleich für das kind, das doch einen nachteil erheblicher art erlitten hat. ich wurde unter dem aktenzeichen als sache geführt, unter kriegsschaden wird das abgedeckt. einige zeilen darunter: die haben (*bei vergewaltigung nehme ich an*) nachher einen lastenausgleich kassiert, haben gebaut, da wohnt heute der halbbruder drin, hat die halbgeschwister abgefunden, und ich war eine sache, mit der sache haben sie nichts zu tun" [...] zitatende. ein verhältnis zu halbgeschwistern kam erst gar nicht zustande.
könnte fast OT meine h-familie gewesen sein. die angst, daß ihnen etwas weggenommen werden könnte war schon stark spürbar. warum auch immer. daß es um ausgrenzung und auch annäherung, dem annehmen der vergangenheit gehen könnte, kam eher keinem in den sinn. sie konnten es allein deshalb nicht verstehen, weil nach (überholtem) allgemeingesellschaftlichem verständnis nichtbetroffener eine adoption sämtliche bedürfnisse eines menschen abdeckt.