Hi Mich würde interessieren, ob es anderen Adoptierten, die ihre leibliche Familie kennengelernt haben, ähnlich ergeht wie mir und zwar, dass verstärkt mit der Zeit das Gefühl eintritt, es doch eigentlich mit Fremden zu tun zu haben.?
Also ich habe inzwischen des öfteren meine leibliche Familie besucht (4 mal glaube ich, erste mal vor 8 Monaten) und habe jetzt nach dem letzten Besuch erst wirklich realisiert, wie fremd mir dort die Umgebung, der Geruch in der Wohnung und natürlich die Personen vorkommen. Einfach alles ist fremd. Dementsprechend unwohl fühle ich mich auch dort, obwohl sie mir eigentlich durch ihr Verhalten keinen Grund dazu geben (indirekt vielleicht doch?! habt ihr diesbezüglich Erfahrung gemacht?). Besonders schlimm ist es mit meiner Schwester ... ich bin regelrecht angespannt und kriege keine freundschaftliche Konversation mit ihr hin. So krank der Vergleich sein mag, aber ich komme mir immer vor wie bei einem schlechten Date, bei dem man es einfach nicht schafft ins Gespräch zu kommen. Jedes mal fühle ich mich dann total beschissen wenn ich mich wieder auf den Heimweg mache und frage mich, was das denn eigentlich für eine Bruder-Schwester Beziehung sei. Wünsche ich mir vielleicht einfach zu krankhaft eine gute Beziehung zu meiner Schwester und der Familie? Dieses Gefühl unter Fremden zu sein setzt sich auch darin fort, dass ich einfach in niemandem dieser Familie ein Fünkchen von mir entdecken kann. Ging euch das auch so, oder habt ihr sofort Gemeinsamkeiten mit dem ein oder anderen feststellen können? Dieser Punkt hat mich schon immer ein bisschen in meiner Adoptivfamilie gestört und ich habe mir natürlich erhofft, dass es wenigstens in der leiblichen Familie Gleichgesinnte gäbe. Auch hier ist wieder meine Schwester diejenige, die mich am meisten aus der Bahn geworfen hat ... so nahe Verwandtschaft und gleichzeitig so anders. Mir ist völlig bewusst, dass jeder Mensch ein Individuum ist, aber trotzdem habe ich mit offensichtlichen Gemeinsamkeiten gerechnet. Naja, anscheinend falsch gedacht.
Weiß nicht genau warum, aber irgendwie macht es mich total fertig, dass ich es nicht schaffe eine ungezwungene, freiere Beziehung zu ihnen aufzubauen. Ich bin auch ernsthaft am überlegen, ob ich die Besuche nicht einfach sein lasse. Diese scheiß Depriphasen danach kann und will ich mir einfach nicht länger antun, aber gleichzeitig habe ich im Laufe der Zeit, seit ich das erste mal dort war, feststellen müssen, dass ich nach ein paar Woche doch wieder dort angerufen habe, weil einfach das Bedürfnis da war. Man könnte fast von Sehnsucht sprechen. Ja ihr seht schon, es ist nicht bei der einen Frage ganz oben geblieben, wollte mir einfach mal wieder ein wenig Last von der Seele schreiben. Freue mich aufjedenfall über Rückmeldung
das ist eine schwere Situation und ich kann Dir da nicht wirklich helfen. Wie geht man am besten damit um?! Steht Deine Ado-Familie zumindest hinter Dir und hast Du dort ein Gefühl von Zuhause?! Vielleicht erwartest Du auch zu schnell zu viel?! Ich meine letztlich hast Du bei einer anderen Familie, Deiner Ado-Familie Dein Leben verbracht, bist von dort geprägt etc. Ich wünsche Dir, dass Du einen Weg findest der Dir hilft damit umgehen zu können.
Hallo Mico, ich glaube, dass diese Gefühle normal sind. Schließlich bist Du dort in einer fremden Umgebung und Du kennst die Menschen dort ja leider nicht wirklich. Alles braucht seine Zeit. Vergleiche das mal mit anderen Menschen, die Dir fremd waren und mit denen Du jetzt befreundet bist. Da war Dir die Wohnung, die Gerüche zunächst doch auch fremd. Das Beispiel mit dem schlechten Date kenne ich gut. Wenn ich mich mit meinem Sohn treffe merke ich auch wie angespannt wir sind. So kann man sich nicht ungezwungen unterhalten. Und ich merke, dass es schlimmer wird, umso länger wir uns nicht gesehen haben. Wie oft telefoniert oder schreibt ihr denn?
Hallo Mico,ich kann deine Gefühle sehr gut verstehen.Natürlich ist man erst mal "fremd".Man kennt ja nicht diese Personen,mit denen man DNAtechnich zusammengehört. Ich habe meine amerkanische Familie nie gesehen seit 3 Jahren ,aber dennoch fühle ich mich sehr verbunden mit ihnen,auch wenn sie in alabama wohnen 30.000 km von hier weg. Mit meinem Dad fühlte ich mich von der ersten Sekunde an nah,weil ich seine Stimme kannte tief in sich drin,aber wenn wir uns sehen täten wäre es sciher auch so fremd.
Ich kann nachvollziehen wie du dich fülst,geb nicht auf..Du schaffst es!
Zitat von SherryStNa ick hatte mal gerechnet,da kam ich auf die Summe,aber 10.000 kann auch real sein
Das liegt daran, dass der Erdumfang gerade mal 40.000 km misst. Demnach können zwei Orte auf unserem Planeten nie weiter als 20.000 km auseinander liegen.
Ganz nebenbei: Woran ich als Kind lange Zeit gerätselt habe, waren Jules Vernes "20.000 Meilen unter dem Meer". Irgendwann habe ich aber kapiert, dass die fragliche Strecke nur unterseeisch zurückgelegt wurde. Die Tauchtiefe war nicht gemeint.
ich verstehe dich total gut. Mir geht es genauso. Und ganz besonders mit meiner Schwester geht es mir so. Immer wenn ich zu Besuch bei meiner Familie in Italien bin, hoffe ich fast, sie nicht zu treffen, denn es ist so deprimierend, wie wenig wir miteinander anfangen können und ich habe das Gefühl, ich dringe in "ihre" Familie ein, obwohl sie sich um mich bemüht. Leider kommt erschwerend hinzu, dass ich zwar seit einigen Jahren, aber doch sehr mühsam Italienisch lerne, aber die Sprachbarriere ist natürlich nicht zu verachten. Allerdings muss ich sagen, dass ich dort auch noch einen Bruder habe, der mir im Gegensatz zu ihr sehr nahe ist. Ich glaube also, es wäre auch nicht anders, wenn ich mit ihnen gemeinsam aufgewachsen wäre - das können sicher diejenigen bestätigen, die mit Geschwistern gemeinsam aufgewachsen sind. Ist man nicht vielleicht dem einen näher als dem anderen, auch wenn es beides Geschwister sind? Es hat also bestimmt nicht nur etwas mit der Tatsache zu tun, dass man nicht gemeinsam groß geworden ist.
Trotzdem ist das aber ein Punkt, der uns Adoptierte immer verfolgen wird, glaube ich. Man gehört nirgends so richtig dazu. Bei der Adofamilie ist man aufgewachsen, aber man gehört eben doch nicht "in echt" zu ihnen. Und die, zu denen man "in Echt" gehört, die hat man den größten Teil seines Lebens gar nicht gekannt. Für mich sind meine ersten und einzigen "echten" Verwandten meine Kinder, denn in denen ist beides vereint...
alles was zwischenmenschliche beziehungen anbelangt, ist immer auch eine frage der chemie. ich beispielsweise kam mit meinem vater eigentlich nie gut aus, angeblich waren wir uns zu ähnlich, mit meiner jüngsten schwester kam ich früher besser klar, mit der anderen klappt's jetzt besser.
ist das nicht ein ständiges auf und ab?
ich wünsche dir, daß es bei dir bald doch in den "chemisch richtigen " bahnen läuft.
(ich schreibe derzeit 9,5 fingig, das geht nicht so leicht).
Zitatich habe das Gefühl, ich dringe in "ihre" Familie ein
das kenne ich nur zu gut und ich denke, dass es auch seinen Teil dazu beiträgt, dass man einfach nicht offen und entspannt miteinander umgehen kann ... man fühlt sich einfach unwohl, vllt. gerade weil sie sich bemüht?! Also wenn es doch eine etwas deprimierende Sache ist bei der leiblichen Familie, freust du dich dennoch, wenn du sie besuchst? Auch wenn dein Bruder, mit dem du dich verstehst, nicht da wäre oder du nur deine Schwester besuchen würdest? Mir scheint es irgendwie so, dass das alles nur unnötige Quälerei ist, die man sich nicht unbedingt antun muss. Falls man nicht wirklich miteinander auskommt, geht man sich halt aus dem Weg, egal ob Schwester, Bruder oder wer auch immer. Wenn ich mich so in meinem Umfeld umschaue, kann ich auch beobachten, dass sich Familienmitglieder meiden. Woher kommt dann bei Adoptierten diese merkwürdige Verbundenheit zu Blutsverwandten? Es gibt so viele die einfach auf ihre Familie scheißen und gerade uns Adoptierten sollte das doch eigentlich leicht fallen, schließlich waren diese Menschen nie für uns da und das ist eine Tatsache und keine Verurteilung.
Was mich noch interessiert paula, hat deine Familie dich nach Italien eingeladen? Ich mein, kannst du wirklich behaupten, dass sie auf dich zugekommen ist?
Hallo Mico, auch wenn die leiblichen Verwandten jahrelang nicht da waren, kann ein Kennenlernen ein Anfang sein. Um so besser/länger man sich kennt, weiß man erst, ob man sich mag oder nicht. Wenn man aber nicht miteinander auskommt, sollte man selbstverständlich wieder getrennte Wege gehen. Egal, ob leiblich oder nicht! Aber wie bei jedem anderen Menschen auch sollte man seinem gegenüber wenigstens eine Chance geben.
nun raffe ich mich auf, nochmal zu schreiben, denn heute mittag hab ich schonmal ganz viel geschrieben und dann war alles wieder weg.
Also, ich freue mich immer, sie zu besuchen, aber das Zusammentreffen mit meiner Schwester ist eben, wie du es auch erlebst, im Anschluss immer sehr deprimirend. Irgendwann wird es wahrscheinlich auch so kommen, dass nur noch sie in dem Ort meines Ursprungs leben wird. Mein Bruder nämlich lebt inzwischen in Spanien und die Witwe meines leiblichen Vaters ist schon recht alt und leider auch nicht sehr gesund. Sie ist diejenige, die mich mit offenen Armen empfängt und bei der ich mich wirklich willkommen fühle - obwohl ich das "Produkt" eines Seitensprungs ihres Mannes bin. Naja, und wenn sie mal nicht mehr ist - ich weiß nicht, meine Schwester würde ich wohl nie besuchen. Also hat es vielleicht doch nicht so viel mit Blutsverwandschaft oder nicht zu tun.
Aber, unnötig ist diese "Quälerei", glaube ich, nicht. Denn auch ich kenne dieses Gefühl von Sehnsucht, von dem du schreibst. Ich finde, es fühlt sich wie Heimweh an, obwohl man zu Hause ist. Und wenn man dann dort ist, wo man sich hinsehnt, fühlt man sich fremd... Aber, würde man nicht gehen, würde man immer diese Sehnsucht spüren.
Du fragst, warum man nicht auf die leibliche Familie schei... Ich glaube, weil die Bande zu zart sind, um so hart damit umzugehen. Man hat Angst, alles wieder kaputt zu machen und zu verlieren. Bei der Familie, mit der man aufgewachsen ist aber, kann man sich so einiges erlauben, ohne das es große Auswirkungen hat.
Eingeladen hat mich meine Familie in Italien nicht direkt. Ich habe sie gesucht und eine Kusine gefunden, die aber Angst hatte, den anderen von meiner Existenz zu erzählen, weil sie nicht wusste, ob meine Geschwister und vor allem die Witwe meines Vaters von mir wussten. Als dann aber mein Bruder wieder im Land war hat sie all ihren Mut zusammengenommen und ihm von mir erzählt. Er wiederum hat mich gleich angerufen und gemeint, wir müssten uns unbedingt sehen. So saß ich dann kurz darauf auch wieder im Flieger und bin von allen mit offenen Armen empfangen worden. Auch wenn meine Schwester erst skeptisch war, hat sie mich beschenkt, bekocht und willkommen geheißen. Ich denke aber, ihre Distanz hängt auch mit unserem Vater zusammen. Ich glaube, sie hat als Kind einiges mitgemacht, was mit dem Tod unseres Vaters abgeschlossen für sie war. Mit mir ist dann aber halt alles wieder präsent...
Für dich glaube ich, du musst dir und deiner Familie vielleicht einfach ein bisschen mehr Zeit geben, es ist ja doch alles noch sehr frisch. Ich glaube nicht, dass du glücklich werden würdest, wenn du den Kontakt abbrächest. Wie gesagt, die Sehnsucht würde bleiben...
Das ist ja auch bei ganz normalen Familien so, dass die KInder völlig anders sind, als ihre Eltern - nicht wahr?
Das stimmt nur zum Teil. Die Kinder sind zwar (völlig) anders als ihre Eltern, aber in ihnen sind die Gene all ihrer Vorfahren zusammengemixt, und jeweils die stärksten kommen dann zum Vorschein.
So beobachte ich immer die Kinder meiner Schwestern, bei der einen Nichte kann ich keine Parallelen zu mir feststellen, und bei den anderen 3 (sind allesamt Schwestern) doch eine ganze Reihe, z.T. Vorliebe für Schmuck, Figur...
Und selbst bei meinen (adoptierten) Kindern habe ich immer so den Eindruck, als seien sie auch mit meiner Familie verwandt, z.B. mein Sohn hat vieles mit meiner jüngsten Schwester gemeinsam und meine Tochter hat Ähnlichkeiten mit meiner Oma mütterlicherseits - und ich glaube, diese Oma hätte an ihr ihre wahre Freude.