wir sind uns ja alle einig, dass ein Kind so früh wie möglich über die Adoption aufgeklärt werden sollte bzw. Fragen ehrlich beantwortet werden sollen. Wie sieht es dann aber mit Kindergarten und Schule aus? Sollte man dort die Betreuer/Lehrer informieren, dass es ein Adoptivkind ist oder nicht? Wie habt ihr es gemacht/erlebt? Ich habe aus meinem beruflichen Alltag Nachteile für beide Varianten erlebt, daher bin ich ein bisschen unschlüssig.
Da ich bekanntlich ja leider H-Mutter bin, kann ich dazu nichts Authentisches sagen.
Ich denke, es kommt immer darauf an, was das Umfeld davon weiß. Wenn die Möglichkeit besteht, dass das Kind damit gehänselt werden könnte, würde ich mir schon überlegen, das Thema kleinkindgerecht anzusprechen. Es gibt ja auch ganz nette Kinderbücher dazu.
Ich selbst kann mich bis heute detailliert an peinliche/schmerzhafte Dinge erinnern, die mir meine Mutter angetan hat, als ich zwischen vier und sechs war - das ist 55 Jahre her! Sicher enspricht nicht mehr alles davon der Realität, aber die Vorgänge an sich haben sich in mein Gehirn eingebrannt. Vertrauen hatte ich seit der Scheidung meiner Eltern zu ihr nie mehr, denn sie bekam uns zugesprochen, und hat uns bis zum Tod unseres Vaters voll in den Krieg hineingezogen!
Kinder merken sich jede Kränkung - die einen können damit umgehen, die anderen leiden bis an das Ende ihrer Tage an solchen Vertrauensbrüchen.
englandfan, wir bekamen von unserer Sachbearbeiterin des JA die Empfehlung für ein Buch "Ratgeber Adoptivkinder" von Irmela Wiemann. Ich habe das Buch jetzt bekommen und schon ein wenig drin gelesen. Gerade was deine Frage betrifft stehen dort auch Tipps drin. Ich kann dir wirklich empfehlen, dieses Buch zu kaufen.
ZitatWie sieht es dann aber mit Kindergarten und Schule aus? Sollte man dort die Betreuer/Lehrer informieren, dass es ein Adoptivkind ist oder nicht? Wie habt ihr es gemacht/erlebt?
Bei uns lief das so: Unser Sohn hat einmal im Kindergarten ganz offen von seinem Status erzählt, die Kinder konnten mit dem Begriff "Adoptierter" nichts anfangen, die Erzieherinnen erklärten und alles war gegessen. In der Grundschule konnte er selbst schon besser auf- und erklären. Wenn dann Kinder zu uns kamen, fragten sie uns nur, ob das stimmt. Merkwürdigerweise wußten die Lehrer in der weiterführenden Schule lange nichts von seiner Adoption, bis ich als Elternvertreterin einmal "in die Falle tappte", weil mir die Geheimniskrämerei meines Sohnes in diesem Falle nicht bekannt war. Allerdings fiel ich meinem Sohn damit nicht in den Rücken, er empfand sich damals nicht mehr als Exoten, so dass er wohl auch nicht mehr groß darüber nachdachte.
Ich würde genau wieder so handeln, meinem Kind die 'Offenbarung' überlassen, denn dann lernt es, mit den Reaktionen selbst gut umzugehen.
Bei mir war es so, dass ich davon angefangen habe zu erzählen. Ich habe früher immer damit "angegeben", dass ich adoptiert bin und hab gesagt dass ich ausgesucht wurde etc. Was man halt so sagt als Kind Ich bin auch nie damit geärgert worden oder so.
Wir haben es bei unserem Sohn jetzt im Kindergarten so gemacht, dass ich den Erzieherinnen gesagt habe, dass ich adoptiert bin. Da mein leibl. Papa nun seit gut 1 1/2 Jahren an unserem Leben ziemlich aktiv teilnimmt und mein Sohn sich erklären musste wo der dritte Opa jetzt herkommt, habe ich es für besser gehalten da selber aufzuklären. Ob das in der Schule noch nötig sein wird weiß ich nicht.
Ansonsten bin ich aber immer eher für Offenheit. Lehrer sind ganz glücklich wenn sie ihre Kids ein bisschen kennen. Dann können sie manche Situationen auch besser einschätzen.
Bei uns war es so, das meine A-Eltern im Kindergarten die Erzieher und auch in der Schule die Lehrer informiert haben, das wir adoptiert sind. Ich habe es in meiner ganzen Kindheit nur ein einziges Mal erlebt, das jemand nachgefragt hat, ob es wirklich so ist, und ich musste auch keinerlei negative Erfahrungen machen.
Die Frage nach dem Vorgehen ist immer mal wieder Thema in Adoptions-Gesprächsrunden und die nach meiner Meinung richtige Antwort kann nur sein, es ganz individuell zu machen. Es hängt vom Kind ab, ob es über Adoption erzählt, ob es selbstbewußt damit umgeht, ob sowieso schon 3/4 Eltern der Kindergartengruppe es wissen etc. Es hängt von den Lehrern und Erziehern ab bzw. das Vertrauen, was man in die Personen setzt.
Vorteil beim "Mitteilen" sehe ich darin, dass Lehrer und Erzieher auf eine Situation "Hänselei" oder "Ist das wirklich wahr?" sofort in die richtigen Bahnen lenken können. Außerdem kann der Erzieher/ Lehrer auffälliges Verhalten den Eltern mitteilen. Weiterer Vorteil: Wenn man ehrlich zu den Personen ist, schafft das i.d.R. eine besseres Vertrauensverhältnis
Nachteil beim "Mitteilen": Man überläßt es nicht seinem Kind den Zeitpunkt und den Umfang der zugehörigen Informationen mitzuteilen. Das Kind aber muss damit vor allem später umgehen können. Der Vorteil, das Erzieher / Lehrer direkt korrigierend eingreifen können funktioniert aber nur so gut, wie die Personen es machen. Leider haben diese Personen nach meiner Erfahrung kaum Berührungspunkte mit Adoption und können auch viel Falsches sagen. Der Vorteil, dass z.B. der Lehrer Auffälligkeiten den Eltern mitteilen kann, kann aber schnell auch sehr nachteilig sein. Mal angenommen, ein Kind zeigt irgendeine Auffälligkeit. Wenn diese Auffälligkeit nur halbwegs mit Adoption zu erklären ist (und da ist man schnell dabei), dann wird diese Auffälligkeit der Adoption zugeschrieben (Problem gelöst!) und als gegeben hingenommen. Eine Suche nach konkreten Ursachen, erfolgt nicht mehr. Dieses wäre aber sehr wichtig. Schublade auf, Problem rein, Schublade zu.
Mir fielen auf die Schnelle nur diese Gründe ein. Wenn jemand was zu ergänzen hat , wäre ich auch dankbar. Wie gesagt, kann man das nicht verallgemeinern und ich habe sowohl sehr positive als auch negative Erfahrungen gehört.
Die Erzieher im Kiga wurden darüber informiert; ebenso jetzt die Vorschullehrerin. Im Kiga wussten es einige Eltern anderer Kinder; der Rest ist meiner Tochter überlassen. Wenn sie es wem auch immer erzählen will, soll sie es gerne. Wichtig ist mM, dass sie auch weiss, wie sie damit umgehen (meine dass sie Antworten kennt) kann wenn sie von wem auch immer darauf angesprochen wird. Denn so "liebe" Nachbarn gibt es hier auch.
Viele wissen um die Geschichte der Ado; einige haben es direkt mitbekommen und die wenigsten trauen sich Fragen zu stellen. Wir binden es nicht jedem auf die Nase, unser Ziel ist es "halbwegs normal" zu leben.
ZitatEs hängt vom Kind ab, ob es über Adoption erzählt, ob es selbstbewußt damit umgeht, ob sowieso schon 3/4 Eltern der Kindergartengruppe es wissen etc. Es hängt von den Lehrern und Erziehern ab bzw. das Vertrauen, was man in die Personen setzt.
Wir zogen z. B. erst eine Woche, bevor mein Sohn in den Kindergarten ging, in diesen Ort, so dass noch Niemand Bescheid wußte.
Aber natürlich kam mein Sohn etliche Zeit später auch mit Tips und Empfehlungen von "lieben Nachbarn" nach Hause, bei denen uns Eltern die Haare zu Berge standen. Aber er selbst machte kleine schlechten Erfahrungen mit der Tatsache, Adoptivkind zu sein.
Zitat von Flipper Der Vorteil, dass z.B. der Lehrer Auffälligkeiten den Eltern mitteilen kann, kann aber schnell auch sehr nachteilig sein. Mal angenommen, ein Kind zeigt irgendeine Auffälligkeit. Wenn diese Auffälligkeit nur halbwegs mit Adoption zu erklären ist (und da ist man schnell dabei), dann wird diese Auffälligkeit der Adoption zugeschrieben (Problem gelöst!) und als gegeben hingenommen. Eine Suche nach konkreten Ursachen, erfolgt nicht mehr. Dieses wäre aber sehr wichtig. Schublade auf, Problem rein, Schublade zu.
Hallo Flipper, genau das ist es, wovor ich Angst habe. Ich habe genau dieses Phänomen schon beobachtet. Lehrer oder (überforderte) Adoptiveltern, die alle Probleme des Kindes auf das Thema Adoption reduziert haben. "Erfolg" des Ganzen war, dass sich das Kind als "Dauerproblem" verstanden hat: "Ich bin so problematisch, weil ich adoptiert bin und da ich an dem Zustand des Adoptiertseins nichts ändern kann, werde ich immer ein wandelndes Problem sein." Ein Teufelskreis, aus dem mancher nie wieder herauskommt, das Selbstwertgefühl ist auf dem Nullpunkt nach dem Motto, mein Leben kann ja nicht funktionieren, da ich adoptiert bin. Leider keine Theorie, sondern in mehr als einem Fall beobachtete Realität. Gruß englandfan
Hallo, wir haben bisher keinen "eingeweiht", weder die Kita Erzieherinnen noch die Lehrerin (geht allerdings auch erst die 4. Woche in die Schule). Ich überlasse es unserem Kind, ob und wann sie es sagt. Da die Adoption bei uns nichts besonderes ist,meine Freundinn hat auch zwei Kinder adotiert, es ist also in der Umgebung "normal", fühlt sich unser Kind nicht als was Besonderes,die Idee sie wurde ausgesucht hatte sie tzwar auch schon mal, aber da war sie jünger. Wir warten ab, denn ich befürchte auch nur "schlafende Hunde" zu wecken, den wenn es die Lehrer erst wissen geht es meist rum wie ein Lauffeuer,und das muß nicht sein. Wir wollen ja auch normal leben.
Zitat von Petram72Wir wollen ja auch normal leben.
Hallo zusammen, ich glaube, genau hierin liegt die Krux, denn die Konstellation Adoptivfamilie ist nun mal nicht "normal", weil es da noch ein anderes, meist total unbekanntes Nest der Kinder gibt. Auch wenn man das bewußt gar nicht will, wird es sicher nicht leicht sein, diese Tatsache immer vor Augen sehen zu wollen. Bei Pflegekindern oder Adoptivkindern, die aus anderen Kulturkreisen/Kontinenten stammen, wo klar ist, dass es nicht die biologischen sind, ist das vermutlich etwas anders. Hier hat man erst gar nicht die Wahl abzuschätzen, was richtig oder falsch ist. Ich selbst weiß nicht, wie ich das handhaben würde. Ganz schön schwer, denn man will ja sein Kind nicht blöden Fragen aussetzen.
Je mehr ich darüber nachdenke, umso eher denke ich, man kann das gar nicht vorab entscheiden. Es hängt stark davon ab, wie das Kind ist. Ist es selbstbewusst und kann sich gut behaupten, ist es sicher nicht nötig, mit irgendwem zu reden. Ist es das nicht, könnte es nötig sein, die Betreuer zu sensibilisieren. Aber auch nur, wenn sie sensibel sind, sprich man den Betreuern vertraut. Da man alles nicht voraussagen kann, bleibt es wohl eine relativ spontane Entscheidung. Mal sehen, wie die bei uns ausfällt, wir haben ja noch ein bisschen Zeit. Danke jedenfalls für alle Anregungen. englandfan