Im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Reaktionen bei einem späteren Kontakt zur Ursprungsfamilie, beschäftigt mich folgende Frage:
Welches Szenario ist eher zu ertragen ...
1. Die Erkenntnis, dass die ersten Eltern die landläufigen Klischees erfüllen, sie also als "unfähig" gelten und die Adoption absolut richtig war?
2. Das Wissen, dass die Familie, der man früher einmal angehört hat, nicht dem unangenehmen Klischee "minderwertig und asozial" entspricht, sondern auch nicht schlechter ist, als die Familie, der man nun angehört und die einem Ersatz war und ist?
Zitat von mausi51Im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Reaktionen bei einem späteren Kontakt zur Ursprungsfamilie, beschäftigt mich folgende Frage:
Welches Szenario ist eher zu ertragen ...
1. Die Erkenntnis, dass die ersten Eltern die landläufigen Klischees erfüllen, sie also als "unfähig" gelten und die Adoption absolut richtig war?
2. Das Wissen, dass die Familie, der man früher einmal angehört hat, nicht dem unangenehmen Klischee "minderwertig und asozial" entspricht, sondern auch nicht schlechter ist, als die Familie, der man nun angehört und die einem Ersatz war und ist?
Cornelia
Meiner Ansicht nach ist beides sehr schlecht zu ertragen und man hat in jedem Szenario wirklich Probleme, damit umzugehen und die Emotionen in irgendeine klare Bahn zu lenken. Es kommt aber auch darauf an, wie man selbst geprägt ist, wie der Charakter ist, was für einen persönlich wirklich von Wichtigkeit ist.
Am Anfang stellt sich diese Frage auch gar nicht, muss ich zugeben. Man ist mehr damit beschäftigt überhaupt erstmal längerfristig Kontakt zu schaffen um herauszufinden, wie es eigentlich so ist. Und man ist damit beschäftigt, sich seine Fragen nach dem "Warum" beantworten zu lassen. Es gibt komischerweise immer mehrere Versionen, aus denen man sich dann irgendwie seine eigene Wahrheit zusammen bastelt. Einmal das was die Adoptionseltern sagen, einmal das was in der Akte steht und einmal das, was die leiblichen Eltern zu sagen haben. Das alles bekommt man nicht auf einen Nenner, man muss selbst zusehen, was und wem man glaubt und da schustert sich aus allen 3 Dingen zusammen. So ist es bei mir zumindest.
Zu finden, oder auch gefunden zu werden, löst immer ein emotionales Chaos aus, was man erstmal zu sortieren hat.
Zitat von *Chilena*Meiner Ansicht nach ist beides sehr schlecht zu ertragen und man hat in jedem Szenario wirklich Probleme, damit umzugehen und die Emotionen in irgendeine klare Bahn zu lenken.
Da muss ich natürlich gleich die nächste Frage stellen: was wäre denn die Idealvorstellung bezüglich Ursprungsfamilie? Was würde den Umstand, dass es diese Familie überhaupt gibt (sprich die Adoption, bzgl. Herkunftsfamilie), denn erträglich machen? Welchen Wunsch hättest Du an deine Geburtsfamilie gehabt, als Du noch nichts von ihnen wusstest?
Zitat von mausi51Da muss ich natürlich gleich die nächste Frage stellen: was wäre denn die Idealvorstellung bezüglich Ursprungsfamilie? Was würde den Umstand, dass es diese Familie überhaupt gibt (sprich die Adoption, bzgl. Herkunftsfamilie), denn erträglich machen? Welchen Wunsch hättest Du an deine Geburtsfamilie gehabt, als Du noch nichts von ihnen wusstest?
Cornelia
Ich hatte bezüglich meiner leiblichen Familie irgendwie noch nie eine Vorstellung, ich war auf alles und nichts vorbereitet. Ich habe mich bei der Suche darauf eingestellt, dass sie auch sagen könnten, sie wollen mich nicht sehen oder kennenlernen, damit die Entäuschung dann nicht so groß ist.
Mir ging es hauptsächlich darum, dass es ihnen gesundheitlich gut geht, dass sie noch leben und ich die Chance bekomme, sie kennen zu lernen. Mein leiblicher Vater ist leider verstorben.
Ich wüsste ehrlich gesagt auch nicht, was ich mir hinsichtlich meiner Herkunftsfamilie wünschen sollte. Bis auf Ehrlichkeit, Offenheit und Verständnis, vielleicht auch etwas Liebe, das wissen, dass man gewollt war, aber aus welchen Gründen auch immer, nicht zu halten war. Wenn ich das glaube, was meine liebliche Mutter mir sagt, war sie immer auf der Suche nach mir. Dass sie nichts von der Adoption wusste, das ist nachweislich. Sie hat auch niemals die Zustimmung dazu gegeben. Demnach bin ich auch gewillt, ihr ihre Aussage zu glauben.
Wichtig ist für uns Adoptionskinder nicht, wie unsere Herkunftsfamilien leben, sondern eher, die Offenheit, die Ehrlichkeit, dieses aufklären und erklären wollen. Gespräche sind uns wichtig. Leibliche Eltern die unsere Fragen beantworten, mit Liebe, Rücksichtnahme und Ehrlichkeit.
Das ist das, was ich mir wünsche und vielleicht bekomme ich das eines Tages noch, ich weiß es nicht.
Zitat von *Chilena*Ich wüsste ehrlich gesagt auch nicht, was ich mir hinsichtlich meiner Herkunftsfamilie wünschen sollte. Bis auf Ehrlichkeit, Offenheit und Verständnis, vielleicht auch etwas Liebe, das wissen, dass man gewollt war, aber aus welchen Gründen auch immer, nicht zu halten war. [...] Das ist das, was ich mir wünsche und vielleicht bekomme ich das eines Tages noch, ich weiß es nicht.
Na, das ist doch schon eine Menge und so habe ich das am Anfang meiner Suche nach meiner Tochter auch gesehen: Ehrlichkeit und Offenheit waren meine einzigen Erwartungen. Mir war zu jeder Stunde klar, dass ich auf mehr kein Anrecht habe.
Ich wünsche Dir, dass sich Deine Wünsche noch erfüllen werden!
Zitat von mausi51Na, das ist doch schon eine Menge und so habe ich das am Anfang meiner Suche nach meiner Tochter auch gesehen: Ehrlichkeit und Offenheit waren meine einzigen Erwartungen. Mir war zu jeder Stunde klar, dass ich auf mehr kein Anrecht habe.
Ich wünsche Dir, dass sich Deine Wünsche noch erfüllen werden!
Cornelia
Vielen lieben Dank, Cornelia. Ich war früher immer sehr ungeduldig, aber diese ganzen Umstände haben wir geholfen, sehr geduldig zu werden und ich werde warten, bis es vielleicht eines Tages so weit ist. Es ist etwas, was ich selbst nicht in der Hand habe.
Ich fand beides schlimm...meine Mutter entspricht Gruppe 1 mein Vater Gruppe 2. Bei ersterer war ich geschockt, es tat mir dann leid, dann habe ich versucht zu retten und dann resigniert, bei meinem Dad hatte ich eine kurze, heftige und intensive Phase der Trauer und auch heute haben wir noch ab und an Momente (wie Weihnachten) wo wir traurig sind weil wir so viel verpasst haben.
Ich denke es ist wie bei so vielem individuell zu betrachten. Ich kann sowohl bei meiner Mutter als auch bei meinem Vater sagen, dass es okay war nicht bei Ihnen aufgewachsen zu sein. Ich wäre anders wenn das eine oder das andere der Fall gewesen wäre. Andererseits stelle ich mir schon noch oft die Frage: Was wäre gewesen wenn. Aber da das zu keiner befriedigenden Antwort führen kann habe ich vor einiger Zeit beschlossen glücklich zu sein mit dem was ich habe und darauf aufzubauen... und damit lebe ich ganz gut
Gewünscht hätte ich mir natürlich schon, dass meine Mutter an mich gedacht hätte, zumindest am Geburtstag oder an Weihnachten, *iroon* aber dass da bei der Vielzahl der Kinder schonmal eins unter geht ist ja nicht so schlimm *irooff*, das hat mich wirklich am meisten verletzt.
Die momentan vorhandenen Aussagen bestätigen mir meinen Verdacht, dass es immer auf einen Schmerz bei Adoptierten heraus läuft, egal wie "gut" die Geburtsfamilie auch war/ist.
Deswegen müsste der Fokus bei der Aufklärung zur späteren Kontaktaufnahme, jetzt rede ich nur von der Herkunftsseite, auf der Offenheit liegen sollte, nicht darauf, möglichst "gut dazustehen". Ich denke, dass hier sehr oft eine Barriere besteht, denn wer gibt schon gerne zu, dass er/sie früher oder bis heute ein Versager war/ist? Dann lügt man sich womöglich etwas Schöneres zusammen oder gibt gar keine Auskunft.
Vielleicht sind dann ehrliche Versager die günstigere Variante
Vielleicht sind dann ehrliche Versager die günstigere Variante
Cornelia
Ich lebe nach der Devise, dass Ehrlichkeit immer der bessere Weg ist, egal worum es geht. Dadurch ecke ich zwar oft an, aber das ist mir mittlerweile herzlich egal. Ich kann es nicht ab, angelogen zu werden und erwarte einfach, dass man ehrlich zu mir ist. Die Ehrlichkeit ist Anfangs vielleicht schmerzhaft oder sehr schmerzhaft, aber man kann damit besser umgehen, als wenn im Nachhinein herauskommt das gelogen wurde. So geht es mir zumindest und es kommt definitv immer heraus und wenn es Jahre später ist. Ob man sich das als Mensch antun muss, das eben erworbene Vertrauen als Herkunftseltern sofort wieder zu verlieren und sein Kind auf nimmerwiedersehen zu verlieren, muss jeder für sich herausfinden.
Cornelia, ich denke, dass Du damit recht hast. Das Wichtigste ist ehrlich behandelt zu werden. Wenn meine Mutter gesagt hätte:"Ich hatte und habe ein großes Problem in meinem Leben, ich versuche das durch Alkohol zu betäuben und es sind viele Dinge passiert die ich dann auch in meiner Sucht nicht mehr beeinflussen konnte." dann hätte ich gesagt: Okay, das ist dumm gelaufen, aber jetzt haben wir uns gefunden und gehen die Sache gemeinsam an (ich war übrigens tatsächlich bei einem Treffen von Anonymen Alkoholikern und beim skf wegen dieser Problematik um meiner Mutter helfen zu können). Meine Mutter hat es jedoch vorgezogen mir zu sagen, dass alle anderen Schuld waren, aber sie schonmal gar nicht, und abtreiben lassen wollte sie mich auch nie, und Geld von meinem Vater hat sie auch nicht bekommen etc.etc.etc. ... leider gab es für alles was sie so gesagt hat immer den Gegenbeleg...sei es durch meinen Vater, durch die Akte, durch meine Tante (ihre Schwester) oder meine Geschwister. Und sie hat sich immer weiter in den Lügensumpf gestürzt..und DAFÜR habe ich kein Verständnis.
Ich kann mich meinen Vorrednerinnen nur anschließen. Ehrlichkeit ist ein sehr wichtiger Faktor.
Bei mir war es so, dass ich froh war, dass die leibliche Familie ganz "normal" war und meine leibliche Mutter in keinster Weise dem "Soldatenflittchen" glich, wie mir erzählt wurde. Ich hatte richtiggehend Angst, dass mir so eine aufgetackelte Alte entgegenkommt! Nein, es kam ein nette Oma, wie bei Rosamunde Pilcher. Sie liebt Bücher wie ich, sie backt, kocht, lebt in einem kleinen gemütlichen Haus, wie gesagt, wie bei Rosamunde Pilcher. Bloß leider ist sie auch so eine gute Schauspieler, wie die netten Omis in den Pilcherfilmen; leider hat sie mich sehr getäuscht; sie hat mich ein zweites Mal verlassen bzw. kein Interessse mehr an mir.
Wenn ich ehrlich bin: ich würde so gerne zu ihrer Familie dazugehören, mit einer Schwester und zwei Brüdern. Besonders schlimm ist es für mich, dass sie den Kontakt abgebrochen hat, als meine Adoptivmutter gestorben ist.
Sorry, ich schweife schon wieder vom Thema ab, dass wolltet ihr ja gar nicht wissen.
Letztendlich tut es immer weh, nicht bei der leiblichen Mutter bzw. Vater aufgewachsen zu sein, egal wie gut oder schlecht man es bei seinen Adoptiveltern hatte.
zwar bin ich nicht adoptiert, konnte aber durch meinen Sohn so einiges erfahren, was ihn an oder mit seinem Status bewegt. Wie er oft verlauten läßt, ist er sehr froh, adoptiert worden zu sein. Ein Aufwachsen bei der H-Familie kann er sich heute nicht vorstellen. Oft stöhnt er darüber,keine ordentliche H-Familie kennengelernt zu haben, wie er sich immer vorgestellt und gewünscht hat.
Über die H-Familie wusste ich so gut wie gar nichts, konnte ihm auch nichts darüber erzählen. Allerdings habe ich nie ein negatives Wort über sie verloren. Wenn er mal (was selten vorkam) auf Grund von Statements anderer über sie schimpfte, erklärten wir ihm immer, dass sie ihm das Leben geschenkt haben.
Das wichtigste Attribut der A-Eltern ist meines Erachtens, das Vertrauen zu der Herkunftsfamilie nicht zu zerstören, weil man damit auch Gefahr läuft, das Vertrauen des "Kindes" zu einem selbst zu verlieren.
ZitatHashimoto schrieb: Sorry, ich schweife schon wieder vom Thema ab, dass wolltet ihr ja gar nicht wissen.
Doch, liebe Brigitte, das interessiert uns, weil es Dich schmerzt und wir möchten gerne Dein Leid mit Dir teilen.
ZitatLetztendlich tut es immer weh, nicht bei der leiblichen Mutter bzw. Vater aufgewachsen zu sein, egal wie gut oder schlecht man es bei seinen Adoptiveltern hatte.
Das glaube ich nicht in jedem Falle. Das kommt auf den Adoptierten an, auf die Umstände, die er "erwischt" hat (oder die ihn "erwischt" haben), oder aus denen heraus er weggegeben wurde.
du hast Recht, man kann das nicht verallgemeinern, nicht jeder Adoptierte wäre lieber bei seiner leiblichen Familie aufgewachsen. Ich meinte eher, die Umstände machen so traurig. Ich persönlich bin mit meinigem jetzigen Wissen, froh, adoptiert worden zu sein.
Ganz herzlich danke ich dir nochmals für dein Verständnis, dass du mir gegenüber schon so oft gezeigt hast.
ZitatLetztendlich tut es immer weh, nicht bei der leiblichen Mutter bzw. Vater aufgewachsen zu sein, egal wie gut oder schlecht man es bei seinen Adoptiveltern hatte.
Ich glaube auch, dass es immer weh tut, mal mehr, mal weniger. Zumindest hinterlässt es immer einen bitteren Beigeschmack.
ZitatWenn ich ehrlich bin: ich würde so gerne zu ihrer Familie dazugehören, mit einer Schwester und zwei Brüdern. Besonders schlimm ist es für mich, dass sie den Kontakt abgebrochen hat, als meine Adoptivmutter gestorben ist.
Hat sie Dir denn gesagt, dass sie gar keinen Kontakt mehr will? Hast Du Dich mal bei ihr gemeldet?