Ich habe mich vor einigen Monaten nach 43 Jahren von meiner leiblichen Mutter adoptieren lassen und trage nun wieder meinen ursprünglichen Geburtsnamen. Nun stelle ich mir die Frage, ob ich mich von meiner leiblichen Mutter wohl auch dann hätte adoptieren lassen, wenn meine Adoptiveltern mir gute Ersatzeltern gewesen wären (Näheres zu den Hintergründen kann meinem Vorstellungsfaden entnommen werden). Wenn ich ernsthaft darüber nachdenke – wage ich zu behaupten, dass ich ebenso gehandelt hätte. Denn: Es ist in beiden Fällen nicht als Akt gegen meine Adoptiveltern zu verstehen, sondern als Bekenntnis zu meiner Herkunftsmutter und als Akt meines selbstbestimmten Identitätsempfindens. Es hat mich viele Jahre der Arbeit an mir selbst gekostet, mir die Erlaubnis zu geben, das Konstrukt der Adoption und das Handeln meiner Adoptiveltern in Frage zu stellen. Es hat mich viele Jahre gekostet, meine Dankbarkeit ihnen gegenüber als Produkt meiner Angst zu entlarven und ihnen eine angemessene Dankbarkeit entgegenzubringen. Es hat mich viel zu viele Jahre gekostet, mir zu erlauben, meine Herkunftseltern zu lieben und zu ihnen eine Beziehung jenseits der Vorsicht und jenseits der Romantisierung aufzubauen. Jetzt, wo alles in mir da sein darf, ich meinen Schritt gegangen bin und ich mich endlich als ganz erleben kann, frage ich mich, ob ihr Adoptiveltern, die ihr hier im Forum schreibt, so weit lieben könntet, dass ihr das Kind, das ihr adoptiert habt, so frei lassen könntet. So frei, dass es sich auch von der Herkunftsmutter und/oder dem Herkunftsvater neu adoptieren lassen könnte und deren Namen annehmen könnte. Ohne eure Liebe zu verlieren. Könntet ihr so weit lieben?
Du hast dich von deiner leiblichen Mutter adoptieren lassen? Heißt das dann, dass du zweimal insgesamt adoptiert worden bist? Und ist die Adoption von deiner L-Mutter rechtskräftig? Sorry für diese Fragen, aber ich höre das gerade zum ersten Mal (das sowas überhaupt Möglich ist)
Liebe Senah, ja, diese Adoption ist möglich geworden, weil meine leibliche Mutter und ich es beide wollten. Wir haben uns eine Anwältin mit dem Spezialgebiet Adoptionsrecht gesucht und haben uns von ihr über die zwei verschiedenen möglichen Formen beraten lassen. Danach hat sie einen Schriftsatz verfasst, der im Beisein meiner Mutter und mir von einem Notar beurkundet wurde. Danach wurden alle möglichen weiteren Schriftstücke angefertigt und Dokumente vorgelegt. Schließlich folgte nach gut einem Jahr ein Termin beim Familiengericht, zu dem meine Mutter und ich erscheinen mussten. Dann war es endlich so weit. Alles ist nun rechtskräftig, meine Geburtsurkunde wurde geändert. In meiner Abstammungsurkunde ist den bisherigen Randvermerken ein weiterer hinzugefügt worden.
Ich muss zugeben, ich bin auch erstaunt über die Vorgehensweise ich hätte gedacht, dass es vielmehr so läuft, dass du 'einfach' die erste Adoption anfichts oder in ähnlicher Weise eben rechtlich rückgängig machst und damit gewissermaßen 'automatisch' wieder in deine abstammungsmäßige Verwandtschaft eintrittst. Interessant also und wieder was gelernt.
zum topic, auch wenn du primär die Adoptiveltern ansprichst: Ich finde Deine Geschichte sehr berührend, auch weil sie sich zufällig mit meiner eigenen Ursprungssuche überschneidet, die gerade jetzt stattfindet (siehe dazu mein Vorstellungs-topic ). Auch ich habe Jahre gebraucht, um überhaupt zum Bewusstsein des Gefühls zu gelangen, dass ich um meine Herkunft wissen will und muss, vorher hatte ich mich einfach mit dem 'Konstrukt' der Adoption abgefunden, wie du sagst. Allerdings glaube ich nicht, dass ich am Ende meinen Adoptionsstatus würde ändern wollen oder müssen, um meine bislang vermisste Identität zu finden. Ohne Deine Geschichte im Einzelnen zu kennen, denke ich schon, dass das eher für den (hoffentlich Ausnahme-)Fall passt, wo die Adoptiveltern ihrer Elternrolle nicht gerecht geworden sind. Von Adoptiveltern, die (wie z.B. meine) ein Leben lang ihr letztes Hemd für ihr geliebtes Kind gegeben hätten, fände ich es schon eher zu viel verlangt, dass sie dann später auf ihren (rechtlichen) Eltern-/Verwandtenstatus wieder verzichten sollten, und wenn ich wüsste, dass sie mich so sehr lieben, selbst das für mich hinzunehmen, würde ich es ihnen gerade drum nicht zumuten. Das ist mein Gefühl dazu. Was ich aber eben erwarten würde (und gewünscht hätte, es wäre mir zuteil geworden), das wäre eben so viel Liebe seitens der Adoptiveltern, dem Kind nicht den Zugang zum Wissen um seine leibliche Herkunft zu verweigern, sondern es auch in diesem natürlichen Bedürfnis zu unterstützen.
Um noch ein kleines, möglicherweise auftauchendes Missverständnis gleich zu klären: Ich bin rechtlich immer noch auch das Kind meiner Adoptiveltern. Ich habe rechtlich zwei Mütter und einen Vater. Zu meinen Adoptiveltern hatte ich immer wieder über lange Jahre keinen Kontakt, habe aber vor der Adoption durch meine leibliche Mutter wieder einmal (ich weiß nicht, wie oft schon) Kontakt aufgenommen, um eben klarzustellen, dass sich an der rechtlichen Stellung zwischen uns nichts ändert und es allein an unser aller Wollen liegt, eine neue, gesunde Beziehung zueinander aufzubauen: und zwar mit allem Respekt auch für meine Gefühle und Perspektiven. Bisher habe ich geschrieben und angerufen, in zwei bis drei Wochen werde ich meine Adoptivmutter nach 5 Jahren wieder treffen. Mein Lebenszweck ist die ständige Erweiterung meiner Liebesfähigkeit: Liebe für meine leiblichen Eltern, Liebe für meine Adoptiveltern und Liebe für mich.
Tja Snow, ich sehe es so: wenn man liebt, dann liebt man. Sicher würde es immer Situationen geben, die anders laufen, als man es sich vielleicht gewünscht hat. Aber so ist das Leben.
Ich vergleiche es mal mit der Partnerwahl. Das Kind sucht sich seinen Partner aus bzw. sein eigenes Lebensmodell. Als Eltern kann man sicherlich noch so viel richtig machen, vieles hat man nicht in der Hand.
Wenn man sich damit nicht arrangieren kann, läuft man Gefahr, das Kind zu verlieren. Dann ist der eigene Egoismus wichtiger als die Liebe.
Andererseits kann ich mir auch Lebensumstände vorstellen, die nicht tolerabel wären wie Straffälligkeit etc..Und trotzdem: wenn man das Kind liebt, auch dann. Auch wenn es bedeuten könnte, daß es einen gegenseitigen Rückzug gäbe oder geben muß.
Sorry aber wie kann man rechtlich zur einen Familie gehören aber zur anderen auch? Leibliche Eltern hatten wenigstens die Chance nein zu sagen, die Adoeltern auch?
Die Beiden hier im Haus sind ja nicht nur unsere Kinder, sie sind auch Nichte, Neffe .... haben Omas, Kusinen, Onkels und Tanten. Sie sind ein wichtiger und geliebter Teil für den sich hier jeder, aber wirklich jeder zerteilen lassen würde. Es würde auf jeden Fall zu erheblichen irritationen führen und auf unverständniss stoßen.
Ich denke es läge sehr an der Erklärung des Adoptierten ob Verletzungen entstehen und wie tief sie gehen. Wenn der Adoptierte seinen Adoeltern klar machen kann das das annehmen des einen nicht zugleich das ablehnen des Anderen ist ... Warum nicht?
Mir wäre wichtig zu wissen wozu sich mein Kind bekennt. Beim Großen kenne ich die Familie, die Umstände, weiss das sie immer für ihn da waren. Ich hätte kein Problem, hatte ja auch vorher keins, ist ja eine von Anfang an offene Ado gewesen.
Bei der Kleinen hat sich ihre leibliche Mutter nicht durch zuverlässigkeit hervor getan, neben einigen anderen Dingen. Ganz ehrlich ... ich wäre sehr verletzt sollte sie wegen der 6,5 Monate die sie in ihrem Bauch war lieber in diese Familie gehören wollen. Denn mehr hat diese Frau trots reichlicher Gelegenheit und weit offener Türen nie für sie getan. Und das ist es, die leibliche Mutter hatte reichlich Gelegenheit und hat sie nicht genutzt.
Würde ich dem Kind das ich aufgezogen habe deshalbmeine Hilfe verweigern wenn es sie braucht. Nein! Würde ich mich selbst vor weiteren Verletzungen schützen JA! Ich würde mich emotional zurück ziehen. Ich stelle hiermit fest, ich bin auch nur ein Mensch!
Zitat von snowUm noch ein kleines, möglicherweise auftauchendes Missverständnis gleich zu klären: Ich bin rechtlich immer noch auch das Kind meiner Adoptiveltern. Ich habe rechtlich zwei Mütter und einen Vater. Zu meinen Adoptiveltern hatte ich immer wieder über lange Jahre keinen Kontakt, habe aber vor der Adoption durch meine leibliche Mutter wieder einmal (ich weiß nicht, wie oft schon) Kontakt aufgenommen, um eben klarzustellen, dass sich an der rechtlichen Stellung zwischen uns nichts ändert und es allein an unser aller Wollen liegt, eine neue, gesunde Beziehung zueinander aufzubauen: und zwar mit allem Respekt auch für meine Gefühle und Perspektiven. Bisher habe ich geschrieben und angerufen, in zwei bis drei Wochen werde ich meine Adoptivmutter nach 5 Jahren wieder treffen. Mein Lebenszweck ist die ständige Erweiterung meiner Liebesfähigkeit: Liebe für meine leiblichen Eltern, Liebe für meine Adoptiveltern und Liebe für mich.
Herzlichst, snow
Dann ist ja sozusagen alles klar Dann verstehe ich auch die Konstruktion mit der doppelten Adoption. - Weil Du eben gerade nicht das 'ursprüngliche' Adoptionsverhältnis aufheben wolltest, sondern zusätzlich auch ein Zeichen der Verbundenheit mit deiner Herkunftsmutter setzen wolltest. Ist doch einfach nur schön!
Schön wäre es, wenn meine Adoptiveltern dies verstehen könnten. Leider hat mir meine Adoptivmutter immer wieder ihre Adoptivmutterschaft gekündigt. Indirekt geschah dies schon während meiner Kindheit, direkt - und scheinbar auch auf irgend eine Weise unwiderruflich - tat sie es an dem Tag, nach dem ich im Alter von 23 gerade das erste Mal meine leibliche Mutter getroffen hatte. Wir werden sehen, was noch zwischen uns sein kann...
Hm, ja, nicht ganz so schön dann, in der Tat. Ach Mensch, wie schade! Gleichzeitig kann ich kaum überrascht sein. Ich habe ja meine Adoptiveltern von Anfang an nicht in meine Ursprungssuche einbezogen, weil ich da wenig Verständnis erwarte. Gerade von meiner Adoptivmutter denke ich an meinem jetzigen Kenntnisstand, 1. dass sie mehr wusste (von meiner leiblichen Mutter) als sie mir weitergegeben hat und 2. dass sie es sofort als eigenes Scheitern als Mutter bzw. den Vorwurf eines Scheiterns empfinden würde, wenn ich doch einfach nur wissen will, wer mich zur Welt gebracht hat.