Zitat von SesaMBrötchenHi von der Neuen (Vorstellungenthread),
Seht ihr (vor allem Adoptierte und Herkunftseltern) neben den Problemen, die ich hier deutlich lese und die ich nachvollziehen kann, ethisch gangbare Wege der Adoption?
Unter welchen Bedingungen ist es für das Kind gut, adoptiert zu werden?? Damit meine ich einerseits, welche Bedingungen sind für ein Kind so untragbar, dass ein Verbleib in der Familie schlecht wäre? Damit meine ich aber und vor allem andererseits, welche Bedingungen muss die Adoptivfamilie erfüllen, um gut für das Kind zu sein?
Ist eine Pflegschaft für ein Kind besser als eine Adoption?
Wie weit sollte der Kontakt/Einfluss der Herkunftsfamilie gehen? Diese Frage stelle ich VOM KIND aus, also es ist nicht gemeint, wie weit Herkunftseltern Einfluss nehmen MÖCHTEN, sondern wie viel ist gut für´s Kind?
Reicht das Kennen? Sollten Begegnungen stattfinden? Soll das Kind den Rufnamen tragen, den die Herkunftsfamilie ausgesucht hat? (Oh, damit hätte ich als "Adoptivmama" echt ein großes Problem... rein gefühlsmäßig. Aber wenn es nun aus irgendwelchen Gründen gut für´s Kind wäre, beispielsweise Chantal-Chayenne zu heißen, wäre mein Problem egal, nicht?) Soll die Herkunftsfamilie bei wichtigen Ereignissen im Kinderleben dabei sein? (Geburtstag, Einschulung, Theateraufführung etc.)
Wie ist das mit Erziehungsgrundsätzen? Soll man die Herkunftsfamilie da behandeln wie "Oma" - bei der gäbe es auch Sachen, die man als Eltern doof findet, die man aber halt akzeptiert. Wie weit soll eine solche Akzeptanz gehen? Mit Bonbons zustopfen okay, anschreien nicht okay?
Alle meine Fragen münden in der Frage: Gibt es eurer Meinung nach ethisch vertretbare Wege, ein Kind anzunehmen, und wie sehen sie aus?
Gespannt: SesaMBrötchen
Hallo,
ich bin Adoptivmutter und finde es durchaus ethisch vertretbar, ein Kind zu adoptieren
Deine Fragen finde ich schwierig, pauschal zu beantworten, ich versuche dir mal, meine persönlichen Antworten, bezogen auf unsere Situation, zu geben.
ZitatUnter welchen Bedingungen ist es für das Kind gut, adoptiert zu werden?? Damit meine ich einerseits, welche Bedingungen sind für ein Kind so untragbar, dass ein Verbleib in der Familie schlecht wäre? Damit meine ich aber und vor allem andererseits, welche Bedingungen muss die Adoptivfamilie erfüllen, um gut für das Kind zu sein?
Es gibt Bedingungen, die für ein Kind untragbar sind, z.B. Vernachlässigung oder Gewalt. Inwieweit Herkunftseltern mit angemessener Hilfe in der Lage wären, ihr Kind selbst zu erziehen, lässt sich im einzelnen schwer sagen. Die leiblichen Eltern unserer Tochter haben selbst entschieden, sie zur Adoption freizugeben, und ich glaube, dass es eine verantwortungsvolle Entscheidung war.
Die Adoptivfamilie muss bereit sein, ein Kind aufzunehmen, das eine neue Familie braucht, und es so anzunehmen, wie es ist.
ZitatIst eine Pflegschaft für ein Kind besser als eine Adoption?
So pauschal kann man das, glaube ich, nicht sagen. Die Mutter unserer Tochter hat sich gegen eine Pflegefamilie entschieden, weil sie wollte, dass die Kleine eine Familie hat, zu der sie ganz gehört. Sie hatte die Sorge, dass sie als Pflegekind nie so richtig wissen würde, wo sie hingehört. Wir wären auch bereit gewesen, ein Pflegekind aufzunehmen, hätten es uns aber schon schwierig vorgestellt, als Familie mit dieser ständigen Unsicherheit zu leben. Wichtig ist meiner Meinung nach in jedem Fall, die Herkunftseltern zu respektieren und nicht sie schlecht zu machen oder gegen sie zu arbeiten.
ZitatWie weit sollte der Kontakt/Einfluss der Herkunftsfamilie gehen?
Da kann man, glaube ich, keine allgemeingültigen Regeln aufstellen.
ZitatReicht das Kennen? Sollten Begegnungen stattfinden? Soll das Kind den Rufnamen tragen, den die Herkunftsfamilie ausgesucht hat? Soll die Herkunftsfamilie bei wichtigen Ereignissen im Kinderleben dabei sein? (Geburtstag, Einschulung, Theateraufführung etc.)
Wir haben uns dafür entschieden, dass wir Kontakt einschließlich persönlicher Begegnungen halten wollen, wenn die leiblichen Eltern das möchten. Die Mutter unserer Tochter möchte, und wir finden das sehr schön. Wir haben vor, uns ca. 1 - 2 Mal im Jahr zu treffen. Den Rufnamen unserer Tochter haben wir ausgesucht, den zweiten Vornamen ihre leibliche Mutter. Das hatte die Sozialarbeiterin, die unsere Tochter vermittelt hat, im Vorfeld mit der Mutter so beschlossen. Bei der standesamtlichen Beurkundung hat die leibliche Mutter dann beide Vornamen eintragen lassen, den von uns ausgesuchten als ersten, den von ihr ausgesuchten als zweiten Vornamen. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir den Rufnamen aussuchen durften. Wäre uns bei der Vermittlung aber gesagt worden "Das Kind heißt ..." , hätten wir den Rufnamen nicht geändert. Wir hätten dann evtl. einen Vornamen dazu gegeben, der uns etwas bedeutet, z.B. im Rahmen der Taufe. Den Vornamen, den die leiblichen Eltern gegeben haben, ganz wegzulassen, finde ich persönlich nicht in Ordnung, wenigstens als zweiten Vornamen sollte man ihn dem Kind lassen. Wir lassen die leibliche Mutter an Ereignissen in Muckelchens Leben teilhaben, indem wir ihr davon berichten und Fotos senden. Für uns ist vorstellbar, dass Muckelchen ihre leibliche Mutter später einmal zum Geburtstag oder anderen Festen einladen möchte, dann würden wir das machen.
ZitatWie ist das mit Erziehungsgrundsätzen? Soll man die Herkunftsfamilie da behandeln wie "Oma" - bei der gäbe es auch Sachen, die man als Eltern doof findet, die man aber halt akzeptiert. Wie weit soll eine solche Akzeptanz gehen? Mit Bonbons zustopfen okay, anschreien nicht okay?
Für die Erziehung unserer Tochter sind wir zuständig. Situationen wie die von dir beschriebenen hatten wir noch nicht. Was ich wichtig finde: Wenn die leiblichen Eltern dem Kind etwas schenken, das Geschenk anzunehmen und mit Achtung zu behandeln.
ZitatGibt es eurer Meinung nach ethisch vertretbare Wege, ein Kind anzunehmen, und wie sehen sie aus?
Ja, gibt es, und wir sind - hoffentlich - dabei, einen zu finden und zu gehen.
ich glaube, bessere A-Eltern als Euch, kann sich eine H-Familie kaum wünschen und ich hoffe, dass beide Seiten dieses Konzept auch durchhalten können!
ZitatDie leiblichen Eltern unserer Tochter haben selbst entschieden, sie zur Adoption freizugeben, und ich glaube, dass es eine verantwortungsvolle Entscheidung war.
Wie ich Deinen Aussagen entnehmen kann, scheint das in Eurem Fall tatsächlich so zu sein, aber meine eigene Erfahrung und die unzähligen Fälle, die mir inzwischen bekannt sind, sagen etwas anderes aus. Viel zu oft war (und ist bis heute) Druck im Spiel und mit der "freien Entscheidung" ist es nicht weit her. Euer Fall ist ein wahrer Lichtblick am Adoptionshimmel und ich wünschte, das würde schnell Schule machen