Viele Menschen denken Herkunftsmütter seien Rabenmütter. Denn sie sind es, die ihr Kind (ihr Fleisch und Blut, welches sie 9 Monate unter ihrem Herzen trugen) einfach weggeben. Aber mit "einfach" hat das nun wirklich nichts zu tun.
Es ist ein lebenslanges Leiden. Ich habe es aus Angst getan. Angst, der H.Vater könnte mir und dem Kind etwas antun. Angst den Vorstellungen der Familie nicht gerecht zu werden. Und aus Dummheit. Ich habe die Schwangerschaft bis zur Geburt weitgehends verdrängt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Ich wußte keinen Ausweg aus meiner Situation. Und der einzige Ausweg, der mir vorgeschlagen wurde, war Adoption.
Danach bestand mein Leben aus Verdrängung: weil man mit niemanden darüber reden kann. Sich selbst als Versager fühlt. Es bedeutet für mich aber auch hauptsächlich sich jeden Tag aufs neue Sorgen zu machen: Lebt das Kind? Geht es ihm gut? Ist es vielleicht krank? Sind die Eltern gut zu ihm? Weiß er von mir? Wie fühlt er dabei? Wird er mich jemals suchen? Spürt er, daß ich an ihn denke? Würde ich überhaupt benachrichtigt, wenn er nicht mehr leben würde, oder so krank wäre, daß er Organe bräuchte? Hasst er mich? Sorgen und Fragen, die wegen dem Inkognito nie aufhören.
Und wie nebenbei muß man weiter funktionieren. Sein Leben, ohne dieses Kind weiterleben!
mich würde interessieren, wie ihr Euch überwunden habt, mit Eurem "Geheimnis" an die Öffentlichkeit zu gehen und was die Reaktionen waren, die Ihr erlebt habt, wenn Ihr den Menschen in Eurer Umgebung erzählt habt, dass Ihr ein Kind zur Adoption freigegeben habt.
Ich persönlich als Adoptierte muss schon ein paarmal überlegen, bevor ich mich entschließe, dass ich jemandem davon erzähle und das, obwohl (logisch betrachtet) es a) nichts schlimmes ist, adoptiert zu sein und b) ich gar nichts dafür kann.
Die Scheu, davon zu erzählen setzt sich bei mir - so vermute ich - aus zwei Aspekten zusammen: einerseits wird man von Kindesbeinen ermahnt, es nicht gleich jedem zu erzählen, andererseits hat man auch mal schlechte Erfahrungen damit gemacht und den falschen Leuten davon erzählt.
Ich könnte mir vorstellen, dass es in Eurem Fall noch schwerer ist, Euch zu "outen". Wäre sehr an Euren Erfahrungen interessiert.
Liebe Grüße!
die studentin
P.S.: Sehe hier gerade ein hübsches Smiley - ich finde das passt gut zum Forum:
Danke für Deine Frage. Ich denke, das ist ein wichtiges Thema. Habe mich schon oft mit Adoptierten unterhalten, die ihre H.Mütter kennengelernt haben. Viele Berichten, daß die H.Mütter ihr großes Geheimniß nie jemanden erzählten, weil sie sich schämten.
Ich habe ca 5 Jahre nach der Geburt das erste mal mit einer Freundin darüber gesprochen. Ihre Reagtion war, Unverständniß und Mitleid. Sie suchte direkt die Schuld bei allen anderen, nur nicht bei mir. Sie hätte sowas wohl jedem zugetraut, nur halt mir nicht. Ich war sehr froh, daß ich nun jemanden hatte, mit dem ich mal reden konnte, wenn es mir schlecht ging.
Dann habe ich meinen heutigen Ehemann kennengelernt. Als er mir den ersten Heiratsantrag machte, "gestand" ich ihm mein Geheimniß. Er hat es super aufgefasst. Hatte Verständniß. Ich mußte es ihm sagen, weil ich damals fest entschlossen war keine weiteren Kinder zu bekommen. Und diesen Grund verstand er.
Meiner besten Freundin erzählte ich später auch davon. Sie reagierte mit Entsetzten. Sie glaubte sogar erst ich würde ihr Märchen erzählen. Heute ist es so, daß sie diejenige ist, die mich antreibt bei der Suche weiter zu machen!
Mittlerweile weiß es in meinem engen Umfeld jeder, der mir wichtig ist. Meistens ist es so, daß die Leute zunächst entsetzt sind, weil sie mir das nicht zugetraut hätten. Aber alle, die es wissen bringen auch viel Verständniß auf. Sie fiebern mit mir.
Nun haben wir ja doch noch Kinder bekommen. Und die "Große" (7) weiß es auch. Mein Mann und ich haben beschlossen, daß es besser ist, wenn unsere Lieben es wissen. Was wäre es sonst für ein Schock, wenn mein Sohn mal unverhofft auftauchen würde? Es wäre für ihn bestimmt auch nicht schön, zu merken, daß er verleugnet wird. Ich will ihn auch nicht verleugnen! Er, und alles, was mit der Adoption zusammen hängt, ist ein Teil von meinem Leben!
Ja, und dann bin ich auf das Adoforum gestoßen, wo es Leute gab, die mir den Mut gaben, noch weiter an die Öffendlichkeit zu gehen.
Es ist schon schwer darüber zu reden. Aber die Reaktionen sind weiß Gott nicht so schlimm, wie ich voher vermutete!
Ich finde, Du warst sehr mutig und ich kann Deine Entscheidung, es Deinem Mann vorher zu sagen gut verstehen!
Glaubst Du, Du in Deinem Fall hattest mit den Reaktionen Deiner Umwelt eher "Glück" oder denkst Du, alle Herkunftsmütter haben mehr Angst vor der Reaktion als sie eigentlich müssten.
Du schreibst, dass in Deinem näheren Umfeld alle davon wissen, die Dir wichtig sind.
Wie ist es mit Deiner Internet-Präsenz? Hast Du keine Angst, dass Leute, die Dich neu kennenlernen oder nur entfernt mit Dir zu tun haben (Arbeit, etc.) dich mal googeln und von Deiner Adoptionsfreigabe lesen, was Du ihnen sonst gar nicht erzählen wollen würdest?
Auf jeden Fall denke ich, daß die H.Mütter es sich mit ihrem Schweigen schwer machen. Was ist, wenn das Kind irgendwann den Kontakt sucht? Dann kann die H.Mutter sich heimlich mit dem Kind treffen. Wie mies muß das sein? Für mich persönlich ist klar, wer mich kennt, und mag, sollte auch diesen Abschnitt aus meinem Leben kennen.
Ich glaube auch nicht mal, daß ich mit meinen Leuten Glück hatte. Ich denke, wenn man erst mal angefangen hat darüber zu reden, geht das auch von mal zu mal besser, und es ist für einen selbst auch sehr erleichternd.
Ich denke, die meisten Menschen haben mehr Verständniß für eine Adoption, als man denkt. Viele waren in ihrem Leben selbst schon in Notsituationen, in denen sie Dinge getan haben, die sie sonst nicht tun würden.
Meine Internetpräsenz ist so ne Sache. Wenn es z.B. ehemalige Arbeitskollegen mitbekommen, wäre es mir egal. Eine frühere Schulfreundin hat mich so schon gefunden. Sie selbst ist Adoptiert. Das macht mir nichts. So muß ich es den Leuten nicht persönlich erzählen. Dennoch war der Schritt mit der HP nicht so einfach. Ich mache also keine private Werbung oder so.
Meine einzige Angst ist, daß ich versehentlich zuviele Daten erwähne. Ich möchte nicht, daß jemand Rückschlüsse auf die Identität meines Sohnes ziehen kann. Da habe ich schon ein wenig Angst.
ZitatDie Reaktionen in meinem unmittelbaren Umfeld waren: Kullerunde Augen - Großes Erstaunen – DU ???? Dein Kind wurde adoptiert???? Das kann ich gar nicht glauben.
das ist eine wirklich ergreifende Lebensgeschichte und ich freue mich sehr, dass es den Kontakt zu Deinem Sohn gibt. Vielleicht nimmt Deine Tochter irgendwann nochmal einen Anlauf.
Falls sie Deinen Sohn in Mexiko kontaktiert und mit ihm Kontakt pflegt könnte vielleicht auch wieder ein Kontakt zu Dir entstehen. Ich wünsche es Dir von ganzem Herzen.
Ich wollte Dir aus meiner Warte als Adoptierte sagen, dass ich, als ich mich auf die Suche gemacht habe, nie den Gedanken hatte, meiner Mutter Vorwürfe machen zu wollen. Ich habe mich auf die Suche gemacht, um sie kennenzulernen und zu verstehen, wie es zu der Adoption kam. Ich hatte keinen Hass oder keinen bösen Willen meiner Mutter gegenüber im Herzen. Vielleicht hatte Deine Tochter ein Bild von Dir (vielleicht verursacht durch die A-Eltern), dass allen bekannten Klischees entspricht. Da ist es manchmal nicht möglich, ein solches Bild an einem Abend richtigzurücken.
Nichtsdestotrotz ist Adoption für alle Adoptierten belastend. Ich glaube zudem für Mädchen vielleicht noch mehr als für Jungs. Interessant: unter den suchenden Adoptierten sind 80% Frauen (Quelle: C. Swientek, Adoptierte auf der Suche...).
Ich finde es auch wirklich schlimm, dass das Jugendamt Deine Zwillinge getrennt hat. Ich kenne ein Zwillingspaar (zwei Männer), die durch die Kriegsgefangenschaft 15 Jahre lang getrennt waren, aber beide erzählen, dass sie durch ein unsichtbares Band stets empfunden haben, dass der andere noch am Leben ist. Ich frage mich immer öfter, ob die Mitarbeiter der Jugendämter sich jemals mit solchen Dingen beschäftigen oder nur wie Finanzbeamte Akten abarbeiten (bitte entschuldigt, wenn ich unter Euch einen Finanzbeamten beleidigt habe).
Hallo Darky, erst einmal herzlich Willkommen hier !
Du hast ja auch wirklich ein sehr bewegendes Leben. Ich freue mich sehr für Dich, daß der Kontakt zu Deinem Sohn so gut ist, und drücke Euch die Daumen, daß ihr einmal die finanzielle Gelegenheit bekommt, Euch zu treffen. Schade, daß es mit Deiner Tochter nicht so gut lief. Wie Studentin schon schrieb, kann es aber doch durchaus möglich sein, daß sie es sich noch einmal anders überlegt!
Das schlimmst an Deiner Geschichte finde ich aber, daß das JA die Zwillinge getrennt hat. Sowas darf nicht passieren! Wie gefühllos können Sachbearbeiter eigentlich sein?
ich habe mal gehört, daß in der DDR Adoptionen noch einfacher waren, wie sonst wo. Ging das nur durch Beziehungen?
Ich finde es sehr interessant, daß es zur Zeit soviele Adoptionsstorrys im TV gibt. Anscheinend hat das Thema wieder an Aktualität gewonnen. Das scheint mir aber am Versagen des JA in so vielen Fällen zu liegen.
Liebe Darky, sicherlich ist es besser, sein Kind zur Adoption zu geben, als es umzubringen!!! Und sicher wird es immer Mütter geben, die in Notsituationen stecken, oder sich auf ihr Kind einfach nicht einlassen können.
Meiner Meinung nach, sollte es aber zunächst andere Hilfsangebote geben. Und wenn Adoption, dann bin ich für die offene/halboffene Ado! Aber diese Wahl hatte ich leider nicht. Und Du sicher auch nicht.
Hallo Vulnona, zunächst einmal ein herzliches Willkommen!
Es ist schön zu hören, daß Du bei Deinen A.Eltern so viel Glück hattest, und es Dir mit der Ado so gut geht! Schade, daß Deine Eltern so lange brauchten, um Dich darüber aufzuklären. Ich kann ihre Ängste aber auch verstehen. Du hast einige Dinge geschrieben, auf die ich lieber zu einem späteren Zeitpunkt eingehen möchte.
Willst Du jetzt also auf die Suche nach Deinen Wurzeln gehen? Das finde ich gut, weil die Vergangenheit einfach auch zu einem gehört.
Liebe Darky, einen Rat möchte ich Dir nicht geben. Ich kann Dir höchstens sagen, was ich in der Situation tun würde.
Was soll sie denn lesen? Das, was Du im Internet schreibst? Das würde ich nicht so gut finden. Denn dann könntest Du nicht mehr so unbefangen schreiben, würdest nur noch daß schreiben, was sie Deiner Meinung nach lesen darf. Das hilt Dir nicht. Das nimmt Dir die Möglichkeit Dich auszutauschen.
Ich würde ihr einen persönlichen Brief schreiben. Schreibe doch mal alles auf, was Du ihr gerne sagen möchtest. Ich halte Briefe immer für die beste Möglichkeit. Du kannst Dir die Zeit nehmen, die Du brauchst. Und Dein Gegenüber kann nicht dazwieschen reden. So kannst Du ihr in Ruhe einiges erklären. Und sie wird es sicher lesen. Menschen sind neugiriege Wesen.
Liebe Darky, es bleibt natürlich Dir überlassen, ob Du es nocheinmal ausprobierst. Aber ich denke, wenn Du ihr wieder schreibst, sieht sie ja auch, daß Du Interesse hast! Was sagt sie denn, warum sie Dir nicht glaubt?
Liebe Darky, ohne Dir zu Nahe treten zu wollen: Wenn Du ihr schreibst "Hoffendlich ist es nicht einmal zu spät" fühlt sie sich warscheinlich unter Druck gesetzt. Wenn man sich etwas länger mit dem Thema Adoption beschäftigt, wird sehr schnell klar, wie sensilbel Adoptierte bei dem Thema sind. Sie fühlen sich oft nicht gewollt, und nicht geliebt.
Als ich im letzten Jahr anfing mich mit dem Thema auseinander zu setzen, war mir dieses Ausmaß auch nicht bewußt. Es gibt so viele Dinge, die ich gar nicht beachtet hätte, wenn ich nicht in den Foren unterwegs gewesen wäre.
Laß Dir und ihr noch etwas Zeit. Aber gib nicht auf. Wenn Du Dich nicht mehr meldest, gibst Du ihr die Bestätigung, nicht gewollt zu sein. Auch wenn das so nicht stimmt!