Ich bin 36 Jahre alt, mein Mann 45 Jahre alt. Wir sind seit 15 Jahren verheiratet und leben seit 10 Jahren mit dem unerfüllten Kinderwunsch. Wir haben mehrere Versuche künstlicher Befruchtung hinter uns, leider ohne Erfolg. Ich kann mir das Leben ohne Kinder nicht vorstellen. Die 10 Jahre Kinderlosigkeit haben bei mir zur schweren Depressionen und sozialen Isolation geführt. Ich sehe die Adoption als die letzte Möglichkeit für uns eine glückliche und vollständige Familie zu werden. Allerdings bin ich mir nicht sicher, dass ich mit einem behinderten Kind zu Recht komme. Ich sage nicht, dass ich es nicht schaffe, aber ich bin mir eben nicht sicher, da ich damit keine Erfahrung habe.
Mein Mann ist sehr verhalten, was eine Adoption angeht. Zwei Gründe: - er möchte definitiv kein behindertes Kind (bedeutet, dass er keine bewusste Entscheidung dafür trifft, wenn leibliches Kind behindert wäre, dann ist es ganz anderes für ihn, da keine Entscheidung, sondern Schicksal) - er geht davon aus, dass die Bindungsfähigkeit eines Kindes in dem ersten Lebensjahr angelegt wird und die Defizite, die in diesem ersten Lebensjahr entstehen, nie mehr aufzuholen sind.
Mit reiner Logik geht es wohl dann um einen "gesunden Säugling". Ich bitte mich nicht gleich für den unverschämtem "Weihnachtswunsch" zu verurteilen. Ich wünsche mir einfach nur eine kleine Familienidylle, die die meisten Paare mit Kindern "einfach so" haben können.
Meine Frage ist, gibt es reelle Möglichkeit, ein gesundes Kind, das nur ein Paar Monate alt ist, zu adoptieren? Oder sollten wir uns innerlich auf ein behindertes 3 bis 4 jähriges Kind vorbereiten? Auslandsadoption kommt für uns in Frage. Ich bin gebürtige Osteuropäerin, lebe aber seit 18 Jahren in Deutschland mit dem deutschen Pass, mein Mann ist Deutsch.
Ich bin für jede Erfahrung und Meinungen dankbar. Manchmal sieht man vor lauten Bäumen kein Wald mehr. Vielen Dank!
PS: Ich bitte Grammatik- und Rechtschreibfehler zu verzeihen. Deutsch ist nicht meine Muttersprache.
Dass ein unerfüllter Kinderwunsch zu Depressionen führt, kann ich verstehen, das Problem kennen bestimmt einige Adobewerber oder- eltern. Dass du glaubst, nur ein Kind kann deine Probleme lösen, halte ich für einen gefährlichen Trugschluss. Kinder lösen keine Probleme, sie führen versteckte oder offene Probleme stattdessen gnadenlos vor. Darüber hinaus ist es ein K.O Kriterium, als Motivation für ein Kind Depressionen oder Bekämpfung der Isolation anzugeben. Das was du ohne Kinder nicht auf die Reihe bringst, geht mit Kindern häufig noch schlechter. Die Vermittlungsstellen, wollen gerade nicht als einzigen Lebensinhalt das Kind sehen, sondern, dass man auch ein erfülltes Leben ohne Kinder leben kann.
Bezüglich der Frage der Gesundheit wird natürlich gefragt, was ihr euch zutraut. Da wir keine Ärzte sind, haben wir die Gesundheitsfragen sehr stark eingegrenzt, Leute aus psychosozialen Berufen oder Ärzte entscheiden diese Fragen mitunter anders schon allein, weil sie gesundheitliche Probleme besser einschätzen können. Ein behindertes Kind aus einem völlig anderem Kulturkreis ist Einstellungssache. Es gibt Adostellen, die davon abraten.
Auch die Altersfrage wird erläutert. Bei euch würde man u.U. ein mittleres Alter errechnen, so dass ihr wahrscheinlich ein relativ kleines Kind bekämet.
Die Frage nach der Bindungsfähigkeit ist immer ein Risko bei Ado- und Pflegekindern, über das man sich im Klaren sein sollte. Man kann die Babys nicht nach Wunsch ausstatten, sondern man wird Eltern eines schwer traumatisierten Kindes, das seine Eltern so oder so verloren hat und daher einiges mitbringt. Das kann harmlos wie Nägelkauen oder schwerwiegend wie Anpassungsstörungen, Depressionen oder Agressionen sein. Hier im Forum haben sich genügend Adoptierte zu entsprechenden Schwierigkeiten geäußert.
Da Eltern für ein Kind und nicht umgekehrt gesucht werden, habt ihr auch weder einen moralischen noch einen rechtlichen Anspruch auf eine Vermittlung.
Wenn Ihr diese Risiken nicht eingehen wollt oder könnt, dann ist ein Adokind nicht das Richtige für Euch. Man braucht sowohl in der Bewerbungszeit als auch danach starke Nerven und den unbedingten Willen.
Ich will Euch nicht entmutigen, wir sind auch blauäugig gestartet und im Verfahren gewachsen wie wahrscheinlich viele Bewerber.
Zitat von golfiDie Vermittlungsstellen, wollen gerade nicht als einzigen Lebensinhalt das Kind sehen, sondern, dass man auch ein erfülltes Leben ohne Kinder leben kann.
Mein Lebensinhalt zur Zeit ist mein Job, ich bin als Programmieren selbständig. Es läuft seit Jahren recht gut. Ich möchte aber eben nicht, dass mein Job mein einziger Lebensinhalt bleibt. So habe ich mir mein Leben einfach nicht vorgestellt. Durch die Kinderlosigkeit bin ich zu einem Workaholicer geworden, um die Defizite in Familienleben auszugleichen. Es ist aber definitiv nicht so, dass ich nichts anderes hätte. Ich fühle, dass ich viel mehr habe, was ich geben kann. Die Liebe, die Erfahrung, die Begeisterung, die Neugier, was in meinem Job nicht wirklich abverlangt wird.
Zitat von golfiWenn Ihr diese Risiken nicht eingehen wollt oder könnt, dann ist ein Adokind nicht das Richtige für Euch. Man braucht sowohl in der Bewerbungszeit als auch danach starke Nerven und den unbedingten Willen.
Ich bin mir bewusst, dass es Risiken gibt und es keine "Gewährleistung" gibt. Meine Frage zielte eher darauf ab, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen gesunden Säugling anzustreben? Eine Broschüre von Adostelle, die mir vorliegt, ist voll düstere Aussichten und ist nach dem Motto geschrieben "wenn Sie sich ein gesundes Kind wünschen, dann ist Adoption falsch für Sie. Stellen Sie sich auf ein 3- bis 4 jähriges Kind mit zahlreichen körperlichen und psychischen Störungen ein. Ihr dürft nichts aussuchen, kein Geschlecht, kein Gesundheitszustand, kein Alter, keine Hautfarbe, gar nichts. Sie müssen das Kind annehmen, das Ihnen vorgeschlagen wird und dürfen nur aus triftigen Gründen ablehnen." Ich wollte nur wissen, ob es wirklich so ist. Es bedeutet nicht, dass wir diesen Weg nicht gehen werden, ich wollte nur wissen, ob es stimmt, dass man keine Chance auf ein gesundes Baby hat und meine Erwartungshaltung dementsprechend anpassen.
Ich wollte mit meinem Mann zu einem Infoseminar gehen, damit er sich mit dem Gedanken vertrauter machen kann. Aber wenn diese Seminare im gleichen Stil ablaufen, wie die Broschüre geschrieben ist, dann hat es wohl wenig Sinn. Das hat mich bereits etwas erschreckt, obwohl ich für die Adoption offen bin, bei einem, der recht unsicher ist, wird so was eher zur endgültigen Abschreckung führen.
also um es gleich zu Beginn zu sagen: Ich verurteile dich gewiss nicht für deinen "unverschämtem Weihnachtswunsch"; das ist doch nur menschlich und verständlich, dass du dir Familienglück und Elternschaft wünschst.
Was nun weiterhin deine Besorgnis in Hinblick auf eine mögliche Behinderung angeht, verstehe ich deinen Punkt möglicherweise nicht vollständig; vielleicht hast aber auch du derzeit noch unvollständige Kenntnisse/Vorstellungen vom Adoptionssystem. Also, zunächst einmal muss euch klar sein, dass es (in Deutschland) sehr viel mehr Adoptionsbewerber als zu vermittelnde Kinder gibt, derzeit etwa 7:1, Tendenz steigend.* Sprich: Es wird in jedem Fall mal Geduld und Kraft erfordern. ABER die Adoptionsvermittlung ist keine Lotterie, wo ihr am Anfang nur "Kind" wünschen könnt und es Glückssache ist ob ihr ein behindertes oder ein gesundes (zunächst einmal im Sinne von nicht behindertes) Kind vermittelt bekommt. Behinderte Kinder werden natürlich nur an Eltern vermittelt, die eine solche Belastung ausdrücklich auf sich zu nehmen bereit sind. Ob man schneller zum Zug kommt, wenn man sich dazu bereitfindet, ein behindertes Kind zu adoptieren, weiß ich nicht. - Aber es wäre sicherlich der denkbar schlechteste Grund, ein behindertes Kind zu adoptieren, nur weil das schneller geht.
Aber, behindert oder nicht, ihr solltet euch im Klaren sein, dass ein Adoptivkind mit 99%iger Sicherheit ein anstrengenderer Job ist als ein leibliches Kind. Es ist ein kleines, verletztes Wesen, dessen bisher einzige Urerfahrung darin besteht, dass es verlassen wurde. Es braucht wahrscheinlich mehr Liebe, mehr Geduld, mehr Aufmerksamkeit, usw. Deshalb sind die Bedenken deines Mannes berechtigt. Ich sehe in den Bedenken auch kein Problem, besser eine realistische Sicht als falsche Illusionen. Wo ich so meine Bedenken habe, das ist möglicherweise die Einstellung dazu.
Da schließe ich mich zunächst mal im Wesentlichen Golfi an. Es ist ganz normal und richtig, dass Menschen sich von der Elternschaft auch persönliches Glück erhoffen, Kinder bescheren einem ja auch viel Glück, denke ich mal. Aber gerade bei einem Adoptivkind sollte im Vordergrund stehen, was ihr dem Kind geben wollt und auch überzeugt seid, gegen zu können. Da stimmt deine erste Schilderung hier schon nachdenklich; gerade was auch die Einstellung (s.o.) deines Mannes angeht, denn gelinde gesagt scheint er von der Adoptionsidee nicht sehr überzeugt zu sein. Da solltet ihr euch zuallererst einmal gemeinsam finden und klären, was ihr euch wünscht und erwartet.
Wenn du schreibst "Ich sehe die Adoption als die letzte Möglichkeit für uns eine glückliche und vollständige Familie zu werden", dann stellen sich mir schon die Nackenhaare auf. Ist nicht böse gemeint, ich greife den Satz ja isoliert heraus, ich erlaube mir da wie gesagt kein vorschnelles Urtei. - Aber ein Adoptivkind fühlt sich ohnehin schon immer(!) in der Schuld der Adoptiveltern und verantwortlich für deren Glück. Wenn du es dann noch ganz real mit der Verantwortung für das Gelingen eures Familienglücks (eurer Beziehung?) verantwortlich machst, dann kannst du dich auf einiges gefasst machen, wenn das Kind mal erwachsen wird ...
Soviel als erstes feedback zu deiner Anfrage, auch ich möchte dich/euch nicht gleich ganz entmutigen. Aber ich denke wie gesagt, ihr habt noch einige Punkte, über die ihr euch gemeinsam klar werden müsst.
Ich drücke jedenfalls die Daumen, dass ihr am Ende ein gemeinsames Glück findet, mit oder ohne Kind.
lG, arkanaut
PS: zum Teil oben durch deine Antwort an Golfi überholt
PPS: Ich finde dein Deutsch einwandfrei
*Das liegt einfach daran, dass immer weniger ledige Mütter (uneheliche) Kinder zur Adoption freigeben, sondern diese eben selbst und alleine aufziehen. Zugleich steigt meines Wissens die Zahl der Menschen mit Kinderwunsch, die keine eigenen kriegen können. Über die Gründe hierfür kann man nur spekulieren ...
Zitat von ArkanautWvielleicht hast aber auch du derzeit noch unvollständige Kenntnisse/Vorstellungen vom Adoptionssystem.
Ja, das stimmt. Ich habe ehrlich gesagt, ganz wenig Ahnung und versuche mich jetzt zu orientieren.
Zitat von Arkanaut ein Adoptivkind mit 99%iger Sicherheit ein anstrengenderer Job ist als ein leibliches Kind. Es ist ein kleines, verletztes Wesen, dessen bisher einzige Urerfahrung darin besteht, dass es verlassen wurde. Es braucht wahrscheinlich mehr Liebe, mehr Geduld, mehr Aufmerksamkeit, usw.
Ich weiß nicht, ob es vielleicht bescheuert klingt, aber da ich selbst keine Kinder habe, weiß ich auch nicht genau, wie viel Liebe, Geduld und Aufmerksamkeit ein leibliches Kind benötigt. Ich kann eben nicht vergleichen, was ist "mehr" bei einem Adoptivkind. Und da ich keine Vergleichsmöglichkeit habe, würde ich einem Kind alles geben, was ich kann. Egal, ob es leiblich ist oder nicht. Bedeutet, dass ich da keinen Unterschied mache in der Form "dieses Kind bracht etwas weniger und dieses mehr, weil..." Wahrscheinlich, ganz schief ausgedrückt, ich hoffe dass der Grundgedanke durchgekommen ist .
Zitat von Arkanaut gerade was auch die Einstellung (s.o.) deines Mannes angeht, denn gelinde gesagt scheint er von der Adoptionsidee nicht sehr überzeugt zu sein.
Das stimmt auch. Ich kenne ihn sehr gut, er hat ein großes Herz, ist aber in allen Entscheidung erstmal absolut kopfgesteuert. Wir haben bereits über Adoption gesprochen. Ich kann ihm nicht mehr sagen, als ich selbst im Internet gelesen habe. Er ist bereit zu einem Infoseminar zu gehen, um Fragen zu stellen, die ich ihm nicht beantworten kann. Er hat aber diese Broschüre noch nicht gesehen, die so düster geschrieben ist (s. oben). Ich habe mich nicht getraut, ihm diese zu zeigen, damit er sich nicht sofort verschließt.
Zitat von Arkanaut Wenn du es dann noch ganz real mit der Verantwortung für das Gelingen eures Familienglücks (eurer Beziehung?) verantwortlich machst, dann kannst du dich auf einiges gefasst machen, wenn das Kind mal erwachsen wird ...
Unsere Beziehung stimmt, wir sind durch dick und dünn gegangen, kennen uns seit mehr als 17 Jahren und finden beide, dass "bis der Tod uns scheidet" auf uns zutrifft. Auch wenn wir keine Kinder je haben sollten. Allerdings, kann ich den Einwand nachvollziehen: was ist, wenn das Kind keine Bereicherung für uns wird? Was ist wenn es zum Fluch und Belastung wird? Ich weiß es nicht. Ich würde das Kind nicht bewusst für mein Glück oder Unglück verantwortlich machen. Was da aber unbewusst ablaufen kann, weiß keiner...
Ich verstehe deinen Wunsch nach einer eigenen, kleinen Familie. Und es ist auch ganz natürlich, dass du dir ein gesundes Kind wünschst, da ist auch nichts verkehrt daran. Schon gar nicht dann, wenn du keine Erfahrung im medizinischen Bereich bzw. im Behindertenbereich hast.
Mir als Adoptierte kommen beim Lesen deiner Zeilen aber andere Fragen:
- Bist/Seid du/ihr dir bewusst darüber, dass euer eventuelles Adoptivkind noch irgendwo eine leibliche Familie hat? - Weißt/Wisst du/ihr, dass dieses Kind dadurch nie vollständig EUER Kind sein wird, vom Rechtlichen und Emotionalen her vielleicht schon, aber vom Geschichtlich-Biografischen her nicht. - Wie würde(s)t du/ihr mit der Adoption dann umgehen? Würdet ihr dem Kind von Anfang an offen begegnen und ihm sagen, dass es adoptiert ist? - Was denk(s)t/fühl(s)t du/ihr bei dem Gedanken, dass das Kind höchstwahrscheinlich irgendwann auf Wurzelsuche gehen wird?
Mich würden deine Antworten dazu einfach generell interessieren.
Zitat von riddle- Bist/Seid du/ihr dir bewusst darüber, dass euer eventuelles Adoptivkind noch irgendwo eine leibliche Familie hat?
Ja. Allerdings bin ich mir aber auch bewusst, dass diese leibliche Familie dieses Kind aus irgendeinem Grund abgestoßen hat. Es wird entweder im Heim aufwachsen oder in einer Familie aufgenommen. In der leiblichen Familie ist es nicht erwünscht.
Zitat von riddle- Weißt/Wisst du/ihr, dass dieses Kind dadurch nie vollständig EUER Kind sein wird, vom Rechtlichen und Emotionalen her vielleicht schon, aber vom Geschichtlich-Biografischen her nicht.
Diese Frage habe ich nicht ganz verstanden. Es geht mir in der ersten Linie um emotionalen Bindung. Dass das Kind nicht von mir biologisch gesehen abstammt, ist mir bewusst und das es, sofern nicht nach der Geburt adoptiert, eine Vorgeschichte hat, auch.
Zitat von riddle- Wie würde(s)t du/ihr mit der Adoption dann umgehen? Würdet ihr dem Kind von Anfang an offen begegnen und ihm sagen, dass es adoptiert ist?
Nur offen. Das ist wahrscheinlich der einzige Punkt, bei dem mein Mann und ich überhaupt keine Zweifel haben. Wir würden zwar keine Plakate aufhängen und darüber schreien, aber wenn die Sprache darauf kommt, ob Familie, Nachbarschaft oder Kind selbst (beim entsprechenden Alter) werden wir ganz offen damit umgehen und kein Geheimnis daraus machen.
Zitat von riddle- Was denk(s)t/fühl(s)t du/ihr bei dem Gedanken, dass das Kind höchstwahrscheinlich irgendwann auf Wurzelsuche gehen wird?
Ich würde dem Kind helfen, die Familie aufzusuchen und bei der Suche begleiten. Das sage ich jetzt, weil ich mir keine Gründe vorstellen kann, warum ich es dem Kind verbieten sollte.
Riddle hat schon sehr gute Fragen gestellt. Daß mit der H-Familie ist allerdings nicht immer so, daß das Kind unerwünscht ist/ war. Ich denke, wenn Du hier im Forum liest, wirst Du die eine oder andere Geschichte dazu lesen können.
Meine Frage ist eine andere: was ist für Euch eine Behinderung?
Euren Wunsch kann ich verstehen, aber: Du kannst Dir nie sicher sein, ob Dein Säugling wirklich gesund ist. Es gibt Krankheiten, die zeigen sich erst später oder sind nicht untersuchbar nach der Geburt. Ein wenig "die Katze im Sack" ist so ein Kind immer, übrigens auch ein Leibliches.
Aber bei einem A-Kind verläuft vielleicht auch die Schwangerschaft anders als bei einem leiblichen Kind. Du mußt Dir bewußt machen, daß es vielleicht ein Kind aus einer Vergewaltigung, einem Inzest, von einer Prostituierten oder Drogensüchtigen sein kann. Vielleicht aber auch das Kind eines jungen Mädchens aus einer intakte Familie. Wer weiß.....
In Osteuropa gibt es sehr viele FAS-Kinder, bedingt durch den erhöhten Alkoholkonsum.
Alles Dinge, über die man nachdenken muß und die man vom JA gefragt wird.
ZitatJa. Allerdings bin ich mir aber auch bewusst, dass diese leibliche Familie dieses Kind aus irgendeinem Grund abgestoßen hat. Es wird entweder im Heim aufwachsen oder in einer Familie aufgenommen. In der leiblichen Familie ist es nicht erwünscht.
Ich war durchaus erwünscht bei meiner leiblichen Mutter, es brach ihr das Herz, dass sie mich hergeben musste und hat sehr lange mit der Entscheidung gehadert...sowohl vor als auch nach meiner Geburt. Bei ihr waren es äußere Umstände, die es ihr nicht ermöglichten, mich zu behalten....abgestoßen wurde ich in dem Sinne also keinesfalls. Und es gibt einige andere Adoptierte hier im Forum und auch draußen in der "echten Welt", bei denen es (sehr) ähnlich war.
Zitat von LattitiaRiddle hat schon sehr gute Fragen gestellt. Daß mit der H-Familie ist allerdings nicht immer so, daß das Kind unerwünscht ist/ war.
Ja, das mag sein. Ich muss mir die Geschichten lesen, um mitreden zu können.
Zitat von LattitiaMeine Frage ist eine andere: was ist für Euch eine Behinderung?
Auch gute Frage.
In erste Linie ist es eine geistige Behinderung, bei der keine Aussicht auf eine Besserung durch die entsprechende Förderung besteht. Nicht durch Förderung, nicht durch Zuwendung, nicht durch Zeit, nicht durch Therapie, ein unveränderbares Status Quo. Das wäre für mich persönlich sehr schwer, ich bin Kämpfernatur, aber eben nur wenn ich weiß, dass es sich zu kämpfen lohnt. Meine Schwäche liegt leider daran, dass wenn der Kampf aussichtslos erscheint, dann gebe ich auf. Ich muss Fortschritte sehen, auch wenn diese winzig klein sind, aber die muss ich sehen, um bei der Sache dabei zu bleiben.
Bei der körperlichen Behinderung denke ich an eine, die den normalen Alltag stark beeinträchtigt. Z. B. wenn wir unser Haus aufgeben müssen und in ein behindertengerechtes Haus ziehen müssen. Dafür wäre ich jetzt nicht bereit. Auch eine Behinderung, die Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt. Wir sind beide sehr aktiv, wandern viel, lieben die Natur und wenn ich mir vorstelle, dass ich es aufgeben müsste, dann wird mir anders.
Und noch eine Sache vor der ich Angst habe, das sind schwere Verhaltensstörungen, die sich ebenfalls nicht therapieren lassen.
Zitat von LattitiaEuren Wunsch kann ich verstehen, aber: Du kannst Dir nie sicher sein, ob Dein Säugling wirklich gesund ist. Es gibt Krankheiten, die zeigen sich erst später oder sind nicht untersuchbar nach der Geburt. Ein wenig "die Katze im Sack" ist so ein Kind immer, übrigens auch ein Leibliches.
Das weiß ich. Ich denke der Unterschied liegt eben daran, sich bewusst für ein behindertes Kind zu entscheiden oder eben "Katze im Sack". Bewusst momentan noch nicht, vor allem nicht bei meinem Mann. Und ohne seine Unterstützung würde ich alleine so eine Entscheidung nicht tragen wollen.
Zitat von LattitiaIn Osteuropa gibt es sehr viele FAS-Kinder, bedingt durch den erhöhten Alkoholkonsum.
Da ich daher komme, weiß ich es leider nur zu gut. Ich bin wahrscheinlich einem FAS-Kind nicht gewachsen. Ob so eine Behinderung von vorne rein ausgeschlossen werden kann, weiß ich noch nicht. Da muss ich mich noch informieren.
Zitat von riddleIch war durchaus erwünscht bei meiner leiblichen Mutter, es brach ihr das Herz, dass sie mich hergeben musste und hat sehr lange mit der Entscheidung gehadert...sowohl vor als auch nach meiner Geburt. Bei ihr waren es äußere Umstände, die es ihr nicht ermöglichten, mich zu behalten....abgestoßen wurde ich in dem Sinne also keinesfalls. Und es gibt einige andere Adoptierte hier im Forum und auch draußen in der "echten Welt", bei denen es (sehr) ähnlich war.
Es tut mir leid dies hören. Darf ich auch Frage stellen? Wäre es Dir lieber, dass man Dich nicht adoptiert hat und Du stattdessen in einem Heim aufgewachsen wärst? Oder gab es noch andere Alternativen? Ich möchte auch die Sichtweise von Adoptierten verstehen und finde es super, die andere Seite zu hören.
ZitatEs tut mir leid dies hören. Darf ich auch Frage stellen? Wäre es Dir lieber, dass man Dich nicht adoptiert hat und Du stattdessen in einem Heim aufgewachsen wärst? Oder gab es noch andere Alternativen? Ich möchte auch die Sichtweise von Adoptierten verstehen und finde es super, die andere Seite zu hören.
Natürlich darfst du fragen, dafür ist dieses Forum ja hier. Ich hatte das Glück, tolle Adoptiveltern zu haben, bei denen ich mit Liebe und Verständnis aufgewachsen bin. Daher macht es für mich auch keinen Sinn, darüber nachzudenken, ob ich es mir im Nachhinein gewünscht hätte in meiner leiblichen Familie aufgewachsen zu sein. Ich kenne mein Leben nur so wie es ist und ich bin - vor allem jetzt da ich meine leibliche Familie kenne - sehr zufrieden damit! Ich stelle mir die Frage "Wie wäre es gewesen, wenn..." nicht.
Zitat von riddleIch hatte das Glück, tolle Adoptiveltern zu haben, bei denen ich mit Liebe und Verständnis aufgewachsen bin. Daher macht es für mich auch keinen Sinn, darüber nachzudenken, ob ich es mir im Nachhinein gewünscht hätte in meiner leiblichen Familie aufgewachsen zu sein. Ich kenne mein Leben nur so wie es ist und ich bin - vor allem jetzt da ich meine leibliche Familie kenne - sehr zufrieden damit! Ich stelle mir die Frage "Wie wäre es gewesen, wenn..." nicht.
Es freut mich das zu hören. Ich hatte zuerst gedacht, dass Du als Adoptierte(r) der Adoption grundsätzlich kritisch gegenüber stehst und wollte nur wissen, warum. Es ist schön zu hören, dass es auch "gelungene" Zusammenführungen gibt. Das gibt mir wieder Hoffnung, dass es auch gut laufen kann und nicht nur eine unheimliche "Bürde" für alle Beteiligten ist oder ein endloser Kampf mit einem traurigen Ende.
Zitat von riddleIch war durchaus erwünscht bei meiner leiblichen Mutter, es brach ihr das Herz, dass sie mich hergeben musste und hat sehr lange mit der Entscheidung gehadert...sowohl vor als auch nach meiner Geburt. Bei ihr waren es äußere Umstände, die es ihr nicht ermöglichten, mich zu behalten....abgestoßen wurde ich in dem Sinne also keinesfalls. Und es gibt einige andere Adoptierte hier im Forum und auch draußen in der "echten Welt", bei denen es (sehr) ähnlich war.
Es tut mir leid dies hören. Darf ich auch Frage stellen? Wäre es Dir lieber, dass man Dich nicht adoptiert hat und Du stattdessen in einem Heim aufgewachsen wärst? Oder gab es noch andere Alternativen? Ich möchte auch die Sichtweise von Adoptierten verstehen und finde es super, die andere Seite zu hören.
Mir ist es genau wie riddle ergangen, auch ich habe alles in allem (Reibereien gibt es in jeder Familie) ein herzliches und liebevolles Verhältnis zu meinen Eltern (die ich deshalb auch praktisch nie selbst hier als "Adoptiveltern bezeichne) und auch meine Mutter war aus wirtschaftlicher Not gezwungen, mich abzugeben, weil sie keinen zwei Kinder "ein gutes Leben geben konnte" (o-ton). - Nur habe ich das leider erst vor wenigen Monaten erfahren, und ich bin jetzt fast 40 Bis dahin habe ich wohl im tiefsten Inneren genau das gefühlt / geglaubt / gefürchtet, was du weiter oben (ohne bösen Willen) als pauschale Annahme formuliert habe, dass ich "abgestoßen" wurde, dass meine eigene leibliche Mutter mich nicht haben wollte. Zu erfahren, dass sie mich gerne behalten hätte, dass sie mir einen Namen gegeben und mich ihren Sohn genannt hat, dass es ihr sehr schwer fiel, mich abzugeben, war für mich ein unbeschreibliches Glückserlebnis. Das wäre also etwas, was du deinem Adoptivkind m.E. unbedingt vermitteln solltest: Dass es von seiner leiblichen Mutter geliebt wird/wurde und diese auch lieben darf, ohne dass du das als "Verrat" oder Undankbarkeit vorwirfst. Das Folgende ist jetzt meine ganz persönliche Meinung, aber ich würde mich in der Situation glaube ich sogar bemühen, das dem Kind so darzustellen, wenn ich es eigentlich besser wüsste, die leibliche Mutter also in Wirklichkeit gar nicht an dem Kind interessiert war. Und ja, ich denke, dass das im Wesentlichen in Hinblick auf die Mutter wichtig ist. Aber das mag auch nur in meinem Fall so sein. PS: Außerdem komme ich mir eh schon furchtbar oberlehrerhaft vor und möchte deshalb nur nochmal sagen, dass ich es toll finde, wie ernsthaft und aufmerksam du mit dem Thema und dem feedback hier auf dem Forum umgehst, das finde ich echt Klasse.