ich wollte mal Euch alle was fragen und hoffe auf Antworten:
- inwiefern schätzt Ihr die Verlustangst bei kleinen adoptierten Kindern ein? Zur Erklärung: meine A- Tochter hat i.M. eine Phase (?), in der sie es nicht gut toleriert, wenn ich sie "stehenlasse". Soll heissen, wir sind unterwegs, und sie kommt nicht hinterher und bummelt, dann gehe ich ein paar Schritte vor, bleibe natürlich in näherer Sichtweite, aber sie bekommt dann die total Panik, dass ich gehen würde und sie zurücklasse.
Meint Ihr, es ist übertrieben, wenn ich es damit erkläre, dass sie schon einmal verlassen wurde und sie instinktiv davor Angst hat, es nochmal zu erleben?
Das würde bedeuten, dass leibliche Kinder anders reagieren.
Was denkt Ihr?
Wir erklären ihr dann, warum wir vorgehen und dass wir sie niemals allein lassen. Das beruhigt sie, und letztendlich weiss sie es auch.
wie alt ist deine A-Tochter nochmal? Ich glaube, dass das was du beschreibst, nicht unbedingt adoptionsspezifisch ist, sondern einfach eine Entwicklungsphase, die viele Kinder durchmachen, wenn sie sich in einer Ablösungsphase befinden. Manche mehr und manche weniger. So wie ja auch manche Kinder mehr und manche weniger fremdeln. Vielleicht sind die Verlassensängste bei einigen besonders sensiblen A-Kindern in solchen Phasen besonders groß. Das ihr mit Eurer A-Tochter darüber sprecht und ihr erklärt, dass ihr sie nicht allein lasst, finde ich sehr schön - machen wir bei unserem A-Sohn auch. Er hatte z.B. relativ große Eingwöhnungsschwierigkeiten im Kindergarten, obwohl wir das vorher gar nicht so vermutet hätten. Er hat auch manchmal große Schwierigkeiten, wenn Situationen auf einmal anders sind, als von ihm erwartet, aber das hat z.B. der leibliche Sohn meines Bruders auch. Ist also vielleicht auch eine Charakterfrage.
bei mir war es so. ich hab als kleine todesängste ausgestanden wenn unterwegs meine a-mutter, oder noch pflege-mutter, plötzlich außer sichtweite war, mir die seele aus dem leib geschrien. das wurde dann mehr belächelt und als anhänglich interpretiert, die sie irgendwie stolz machte, nur nicht als verlustängste.... im vertrauteren umfeld, zuhause, war das weniger so. ich denke, je nach alter, wird sie deine erklärung nicht begreifen, sowas läuft ja gefühlsmäßig ab, vermutlich wird sie es dir das dann genau so wenig erklären können. für mich sind das ganz typische a-spezifische ängste.
Hmmm...ich finde das schwierig einzuschätzen. Man darf nicht alles auf die Adoption zurückführen, weil das einfach nur Schwachsinn wäre.
Ich war ein extrem schüchternes Kind und wollte meine Mama immer bei mir haben. Am Spielplatz konnte ich nicht mal die 20 Meter allein zur Schaukel rübergehen, wenn da noch andere Kinder schaukelten. Da musste meine Mama immer mitkommen. Und auch ich hatte Panik, wenn ich meine Mama auf der Straße oder im Geschäft aus den Augen verloren habe. Da hab ich auch immer gleich nach ihr gerufen und war ganz hysterisch. Ob das alles mit meiner Adoption zu tun hat, kann ich nicht 100%ig sagen. Aber ich glaub eher nicht. Ich glaube, dass solche Dinge manchmal wirklich charakterabhängig sind.
Adoptionsbezogene Verlustangst erlebe ich zwar sehr stark, aber auf einer anderen Ebene. Auf einer nicht so offensichtlichen Ebene - ich weiß nicht, ob das verständlich ist. Es ist nur schwer zu erklären, was genau ich damit meine. Es ist eben ein Gefühl.
Also ich kann von mir sagen dass ich als Kind sehr sehr starke Verlustängste hatte! Das morgendliche verabschieden von meiner Mutter im Kindergarten war für mich ein Horrorszenario! Ich habe mir die Seele aus dem Leib gebrüllt und richtige Panikanfälle! Außerdem konnte ich erst mit ca 12 Jahren woanders übernachten! Ich habe es davor immer wieder ersucht, aber nie geschafft... Diese angst die sich plötzlich breit machte sobald es ans Zubettgehen ging war regelrecht körperlich spürbar... Und mich da dann wieder rauszuholen war unmöglich... Wie oft meine Familie mich wieder abholen musste...
riddle, wer könnte sonst lattitias frage beantworten, wenn nicht adoptierte selber? sie versucht es ja herauszufinden. daß es da unterschiede geben wird, wie auch im umgang mit a-kinden, steht außer frage. charaktersache? ich glaube vielmehr liegt es daran, wieviel selbstvertrauen ein kind im laufe der zeit fassen kann. ja der kindergarten, das war bei mir auch so eine sache. ich glaub da war ich insgesamt zwei oder dreimal drin. das muß ein ziemliches theater damals gewesen sein, und soweit ich mich erinnere, haben sie mich da gleich wieder abgemeldet. das war dann später nie mehr ein thema, obwohl es mich natürlich interessiert hätte. schwierigkeiten wurden, meinen heutigen erkenntnissen nach, gleich mit tabuisiert.
vielen Dank für Eure Meinungen. Meine A- Tochter ist fast 4, und sie ist ein sehr selbstbewusstes Kind. KiGa war nie ein Problem, und auf Erwachsene geht sie sehr selbstbewusst zu, auch wenn sie sie nciht kennt. Sie spricht mit ihnen ohne Hemmungen und setzt ihre Bedürfnisse gut durch.
Nochmal zur Betonung: ich bin dann nicht ausser Sichtweite, sondern nur etwas entfernt und mit einigen Schritten schnell erreichbar.
Vielleicht muss ich die FRage noch konkreter stellen (ich neige auch nicht dazu, alles auf die Adoption zu schieben): inwiefern meint ihr spürt ein Baby oder Kleinkind, das es kurz nach der Geburt von der H- Mutter getrennt wird? Spürt es das so sehr, das sein Leben geprägt wird durch Verlustängste? Inwiefern spürt das Kind, das es eine andere Mutter bekommt? Natürlich hört es eine andere Stimme, aber kann ein Kleinkind spüren, dass es getrennt wurde?
Bei älteren Kindern ist mir das alles ziemlich klar, aber wie seht Ihr das wie in meinem Beispiel?
Hallo Lattitia, mir hat man im Krankenhaus erklärt, dass ein Kind das durchaus spürt. Es hat eine Verbindung zur Mutter im Unterleib aufgebaut. Es weiß, wie sie riecht, welche Stimme sie hat, hat 9 Monate eine Verbindung zu ihr gehabt. Somit ist ein Bruch da, auch wenn die Adoptiveltern direkt ab der Geburt im KRankenhaus sind. Das Problem ist wohl, dass dieser Bruch nur im Unterbewusstsein wahrgenommen wird. Ein 3-Jähriger hat eine Sprache, um diesen Verlust auszudrücken. Ein Baby hat das nicht. Daher kann es bei Kindern, die als Säuglinge adoptiert werden, genauso zu Verlustängsten und ähnlichem kommen. Früher dachte man da wohl in der Forschung anders. LG englandfan
Liebe Lattitia, ich stimme Englandfan voll zu! An Deiner Stelle würde ich versuchen herauszufinden, ob die Kleine wirklich Panik bekommt, oder sie sehen will, wer mehr "Macht" hat. Ich kenne es auf jeden Fall von meinen leiblichen Kindern auch. Bei den Kleinen waren es Machtspiele, die Große hatte wirklich Panik. Sie war zwar selbstbewusst und Kiga war auch kein Problem. Aber draußen oder beim einkaufen durfte ich mich auch nie zu weit von ihr entfernen. Meine Nichte ist 10 und würde nie woanders schlafen. Die Freundin meiner Tochter ist 10 und ich muß abends bei ihr am Bett sitzen, bis sie eingeschlafen ist, wenn sie bei uns übernachtet. Manche Kinder haben gewisse Ängste. Ob dies nun an der persönlichen Vergangenheit, an der Erziehung oder anderen Erfahrungen liegt, wissen sie selbst wohl nur im Unterbewusstsein. Wichtig ist nur, dass Du ihre Ängste ernst nimmst!
ich bin auch der Meinung, dass ein Kind es mitbekommt, wenn nach der Geburt jemand anderes da ist, als während der Schwangerschaft. Ob das nach Jahren der neuen Bindung starke Auswirkungen hat, ist eine andere Frage. Es ist richtig in solchen Situationen zu hinterfragen, ob es mit Adoption zu tun hat, aber auch nicht über zu reagieren. Tust Du ja auch nicht. Deshalb ist es ja auch schön sich mit anderen Betroffenen Auszutauschen. Die Reaktion auf die Situation würde ich aber auch unabhängig von der Adoption machen. Ich sehe es auch wie Bianka. Ist es Panik oder nur ein Machtkampf. Das solltest Du herausfinden. Generell glaube ich eher, dass es eine Typ-Frage ist, wobei frühe Ereignisse auch den Typ beeinflussen. Bei unserem Sohn tritt es nicht auf. Er geht eher auf Entdeckungsreise und vergißt uns. Da haben wir uns auch gefragt, ob das zu wenig Bindung zu uns ist. Inzwischen denke ich, dass er einfach sehr selbständig ist und genug Bindung hat. Irgendwann dreht er sich auch um und sucht uns ...
schön, dass Ihr mir Eure Meinung geschildert habt. Ich denke, wir gehen ganz gut mit solchen Situationen um, zumindest merken wir, dass es ihr guttut zu hören, wie wichtig sie uns ist und dass wir sie nie verlassen würden.
Flipper, wie gesagt, die Situationen treten auf, wenn wir von ihr weggehen, umgekehrt ist es ja was anders *schmunzel*
Was denkt Ihr, spürt ein Kleinkind, dass es nicht die biolgischen Eltern sind, bei denen es lebt? Für mich ist die Frage wichtig, weil wir ja ein Leibliches haben. Und ich bin oft dabei, mich zu fragen, ob ich ihr gerecht werde. Auch wenn wir beide Kinder "gleich lieben", so hat unser L- Kind eben diesen genetischen Bonus, den wir zwar so überhaupt nicht empfinden, wir aber besorgt sind, dass unsere Tochter ihn empfinden könnte und als Nachteil für sich verbucht.
Hallo Lattitia, ich glaube nicht, dass ein Kind mit nicht einmal 4 Jahren schon den wirklichen Unterschied zwischen biologischen und Adoptiveltern spüren kann, weil es ihn gar nicht kennt. Also gar nicht wirklich erfassen kann, wie ein Mensch entsteht. Auch wenn sie weiß, dass sie adoptiert ist und euer Sohn euer leibliches Kind ist, glaube ich nicht, dass sie den Unterschied irgendwie bewerten kann. Ich glaube nicht, dass sie sich alleine durch den Adoptionsstatus zurückgesetzt fühlen kann, ohne das eine Zurücksetzung tatsächlich stattfindet. Ich könnte mir vorstellen, dass sie evtl. später - z.B. in der Pubertät - damit einmal hadern wird. Sicherlich spüren die Kinder im Unterbewusstsein, dass sie bei einer anderen Mutter sind, als bei der, bei der sie im Bauch waren, auch wenn sie schon als Säugling zu den Ado-Eltern gekommen sind. Aber, dass sie sich dadurch schon als Kleinkinder in irgendeiner Form zurückgesetzt gegenüber biologischen Kindern fühlen, kann ich mir nicht vorstellen. Dann müsste es ja theoretisch auch so sein, dass sich mein A-Sohn gegenüber seinen Cousins, die die biologischen Enkel meiner Eltern sind, zurückgesetzt fühlt, was ich aber bisher in keinster Weise, da eine gleiche Behandlung stattfindet, feststellen konnte. Viele Grüße Lena
ZitatWas denkt Ihr, spürt ein Kleinkind, dass es nicht die biolgischen Eltern sind, bei denen es lebt? Für mich ist die Frage wichtig, weil wir ja ein Leibliches haben. Und ich bin oft dabei, mich zu fragen, ob ich ihr gerecht werde. Auch wenn wir beide Kinder "gleich lieben", so hat unser L- Kind eben diesen genetischen Bonus, den wir zwar so überhaupt nicht empfinden, wir aber besorgt sind, dass unsere Tochter ihn empfinden könnte und als Nachteil für sich verbucht.
Du wirfst sehr interessante Fragen in den Raum! Ich find's toll, dass du dich mit all dem auseinandersetzt, da könnt ihr als Eltern und auch euer Kind (wenn nicht sogar beide) davon profitieren! Ich war 5-6 Jahre alt als ich von meiner Adoption erfuhr. Und ich kann mich noch genau daran erinnern, wie das war, als meine Mama mir davon erzählt hat. Und ich weiß auch, WARUM sie es mir gesagt hat. Ich hab sie einfach ständig gefragt, wie's bei meiner Geburt so war. Ob das fest weh getan hat und so. Mit 5-6 fallen einem ja ständig Fragen ein. Und meine Mama hat mir nie eine richtige Antwort gegeben und Kinder merken es, wenn was Unausgesprochenes im Raum herumschwebt. Irgendwann hat sie es mir dann doch erzählt und ich erinnere mich noch gut wie das war. Wir saßen zusammengekuschelt auf der Bodenheizung in der Küche. Vom biologischen Aspekt her hab ich das damals nicht geschnallt. Ich glaube auch nicht, dass ein Kind sowas merkt. Eher merkt es, dass etwas nicht stimmt oder anders ist, wenn Eltern bei gewissen Fragen anfangen herumzudrucksen. Zumindest war es bei mir so. Ich hab noch jahrelang davon gesprochen, dass ich bestimmt mal so groß werde wie mein Papa. Oder ich hab lange noch erzählt, dass ich meine blauen Augen und meine hellbraunen Haare von meiner Mama habe. Mir war gar nicht klar, dass das nicht geht, bis ich eben älter wurde und mehr Verständnis für Biologie und Vererbung hatte.
Aber mich würde interessieren, ob vielleicht andere Adoptierte hier gemerkt haben, dass sie biologisch nicht zu ihren Eltern passen, BEVOR sie von ihrer Adoption erfuhren.
Aber mich würde interessieren, ob vielleicht andere Adoptierte hier gemerkt haben, dass sie biologisch nicht zu ihren Eltern passen, BEVOR sie von ihrer Adoption erfuhren.
Zitat
....genau, das ist die Kernfrage!
Pusteblume, genau, das denke ich manchmal auch....meine Tochter bekommt den Sonderstatus, weil wir natürlich ganz immens damit beschäftigt sind, ihr all unsere Liebe und Zuneigung zu schenken...., und dann denke ich, mein L- Sohn kommt dabei zu kurz. Denn den Sonderstatus "leibliches Kind" halten wir bedeckt.
Lena, Du schreibst mir da aus den Herzen. Ich sehe es ähnlich.
Riddle, freut mich, dass Dir meine Fragen gefallen. Ich empfinde es sehr angenehm, in diesem Forum diese Fragen stellen zu können und von verschiedene Seiten eine Antwort.
Ganz interessant finde ich auch die Antworten der Adoptierten unter Euch, die selber Mutter sind.