Hallo, mein Mann und ich haben vor fast 1 Jahr einen kleinen Jungen zur Dauerpflege mit dem Ziel der Adoption bei uns aufgenommen. Sebastian war zu dem Zeitpunkt 1,5 Jahre alt und in einem Kinderheim untergebracht. Wir hatten in unseren Unterlagen angegeben, dass wir bereit wären, ein Kind von 0-3 Jahren bei uns aufzunehmen. Ich hatte mir auch immer einen Säugling gewünscht, da ich so die Entwicklung von Anfang an mitbekommen kann. Dann kam der Anruf und die erste Begegnung mit unserem kleinen Jungen und vom ersten Augenblick an habe ich mir nichts mehr gewünscht, wie diesen kleinen Kerl anvertraut zu bekommen. Jetzt ein Jahr später möchte ich um nichts in der Welt meinen Jungen mit einem Säugling eintauschen.Ja, er hat seine Geschichte, er hat von Geburt an eine Erkrankung (Zytomegalie), die seine leibliche Mutter auf ihn übertragen hat aber wir lieben unseren Jungen und sind sehr glücklich. Wir haben viel verpasst, was seine Entwicklung anbelangt aber dafür sind uns andere, ganz kostbare, wunderbare gemeinsame Erlebnisse und Meilensteine geschenkt worden. Ich mach euch Mut, auch ein älteres Kind aufzunehmen. Herzliche Grüße von liebling
danke für diesen Erfahrungsbericht. Er beinhaltet mehr als 100 Seiten gutgemeinte Ratschläge, Hinweise und Belehrungen. Mit Sicherheit hat Euch diese Erfahrung bisher auch mehr gelehrt als 5 Jahre Zusammenleben mit einem als neugeborenen Säugling aufgenommenen Kind.
Hallo, darf ich noch ein bißchen zum Thema behindertes Kind mitsenfen? Liebe Fuchur, nur wenige Eltern trauen sich von vorneherein zu, ein behinderte Kind großzuziehen. Ein großer Teil der Pränataldiagnostik ist doch sogar darauf ausgelegt, mögliche Behinderungen so früh wie möglich festzustellen und der Mutter die Möglichkeit zu eröffnen, im Bedarfsfall die Schwangerschaft frühzeitig zu beenden. Insofern ist es in meinen Augen völlig legitim, auch als zukünftige Adoptiveltern solche Ängste zu haben und zu äußern. Aber weißt Du was? Einige Eltern lehnen (gegen den Trend) derartige Diagnostik ab und nehmen bewußt ein gewisses Risiko in Kauf, andere wiederum entscheiden sich sogar ganz gezielt trotz negativer Prognose für ihr Kind - und fast alle, die ich kenne sind damit gut gefahren!!!!! Man wächst an seinen Aufgaben und mit der Verantwortung kommt auch die Reife, die man benötigt, sich gegen solche Widerstände aufzulehnen. Ich wüßte wirklich nicht, warum das bei Adoptiveltern anders sein sollte?
Ganz schlimme Behinderungen erkennt man in der Regel bereits während der Schwangerschaft oder zumindest kurz nach der Geburt, bei allen anderen würdet ihr halt ins kalte Wasser springen müssen wie leibliche Eltern auch. Mein Plädoyer wäre daher: Traut Euch ruhig!
Ehrlich gesagt würden mir mögliche Traumata und emotionale Störungen bei den Kleinkindern viel mehr Respekt einflössen. Als Dreijährige haben sie mit Sicherheit schon einige unschöne Situationen bewußt erlebt und ich würde mal denken, das sich daraus ein besonders hoher Anspruch an die Adoptiveltern ergibt - ihr müßtet nicht so gut wie "normale" Etern sein, ihr müßtet BESSER sein, denn das hat sich das Würmchen redlich verdient.
Vielleicht ist meine Einstellung zu naiv, ich weiß nicht wirklich, ob man leibliche Eltern mit Adoptiveeltern vergleichen kann. Aber Unvoreingenommenheit zu einem Thema bringt ja auch manchmal eine Perspektive mit sich, die man - in der Materie drin - schon fast aus den Augen verloren hat
Liebe Grüße Nicole
P.S. mein Menschenbild ist übrigens geprägt von der Einzigartigkeit eines Jeden. Daher gehören wir zu der oben genannten Gruppe der weiterführenden Diagnostik-Verweigerer. Es hat für mich nie einen Unterschied gemacht, in unserer Familie ist/war (unsere Familienplanung ist eigentlich abgeschlossen) jedes Kind willkommen, egal mit welchem Päckchen.
deine/eure Einstellung finde ich alles andere als naiv - ganz im Gegenteil. Und ja, der berühmte Blick von außen ist meistens hilfreich, denn man wird mit der Zeit automatisch betriebsblind.
Zumindest einen Unterschied zwischen Adoptiv- und leiblichen Eltern sehe ich aber schon, denn bei Adoptiveltern ist das Kind immer ein Wunschkind, manchmal über viele Jahre herbei gesehnt und oft das einzige (Wunsch-)Kind überhaupt. Da ist es doch nur zu verständlich, dass man da auch große Erwartungen und Hoffungen hinein projiziert. Manchmal erinnert mich das an China, wi die Einkind-Familie angesagt ist.
Mausi, da hast Du sicher recht mit den Erwartungen an das einzige Kind. Ich glaube, die meisten Bewerber wünschen sich vielleicht im Vorfeld relativ gute Ausgangsbedingungen, weil sie instinktiv damit rechnen, daß das Kind später sowieso vielleicht Probleme, Behinderungen mit sich bringen wird. Sei es eben durch eine ungesunde Schwangerschaft, durch "schlechte" Gene bei Inzucht, durch Drogen etc...
Strampelhexe, seit ich Mutter bin, bekomme ich einen Überblick, wie es in anderen befreundeten oder auch bekannten Familien zu sich geht. Dort sind teilweise die Mütter/Väter schon mit ihren "gesunden" Kindern völlig überfordert, und ich wage zu bezweifeln, daß jeder Mensch in der Lage wäre, ein behindertes Kind großzuziehen. Natürlich wächst man mit seinen Aufgaben, aber man gibt ein großes Stück seines eigenen Lebens auf, und ich bin mir nicht sicher, ob das die zukünftige Generation der Mütter und Väter noch "schafft" und als Familie zusammenbleibt und zusammenhält. Die verzweifeln schon an ganz anderen Sachen und sind froh, wenn sie ihre Kinder wegorganisieren können und ihre Ruhe haben. Woran das liegt, habe ich noch nicht herausgefunden.
Hallo Lattitia, oh ja, solche Exemplare kenne ich auch und interessanterweise kommen manchen von denen dennoch auf die Idee, ein Zweites wäre auch ganz schön Aber ich habe ein halbes Jahr in einer G-Schule, einer Schule für geistig-,mehrfach- und schwerstbehinderten Kinder und weitere Jahre in 2 Wohnheimen (1x staatlich, 1x privat) für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung gearbeitet. Außerdem stehe ich bedingt durch unseren Dritten mit einigen Eltern entwicklungsverzögerter Kinder unterschiedlichen Grades in engem Austausch. Ich kenne also auch die andere Seite, viele Familien, die mit einem besonderen Umstand klarkommen müssen - uns eingeschlossen.
Ich behaupte ja gar nicht, das wirklich jeder sich gewachsen fühlt, ich schränkte mein Statement ein mit "fast alle". Auch kenne ich eine Familie aus dem direkten Bekanntenkreis, deren Beziehung dem dauerenden Stress anhaltender Krankenhausaufenthalte einfach nicht gewachsen war (oder das zumindest als Grund genannt wurde )
Aber ich bezog mich explizit auf Fuchurs Ängste. Wir reden ja nicht davon, ein offensichtlich schwerstpflegebedürftiges Kind anzunehmen. Es ging um das "Restrisiko", um die Gefahr, das sich bei dem Kind später eine bis dahin nicht ersichtliche Behinderung oder Erkrankung herauskristallisiert. Dieses Risiko tragen meines Erachtens alle Mütter, alle Väter, alle Familien. Und woher will man seine Grenzen überhaupt kennenlernen, wenn man nicht mal im geringsten bereit ist, auch nur irgendein Risiko einzugehen? Daher lautete mein Statement ähnlich dem von Hans: Das Kind seiner selbst willen annehmen und nicht seiner vermeintlich gesunden Genetik.
Mit naiv meinte ich übrigens, das ich mir das Thema dahingehend vereinfache, das ich Adoptionsfamilien "normalen" Familien gleichsetze. Unwissend würde ich mich hier nicht unbedingt bezeichnen
Dieses Risiko tragen meines Erachtens alle Mütter, alle Väter, alle Familien. Und woher will man seine Grenzen überhaupt kennenlernen, wenn man nicht mal im geringsten bereit ist, auch nur irgendein Risiko einzugehen?
Mit jeder Adoption geht man ein Risiko ein.
Als leibliche Eltern mit Kenntnis über Erbkrankheiten oder Sonstiges ist man aber in der Lage, über seinen Kinderwunsch nachzudenken und ggf.abzuschließen aus Sorge.
Mein A-Kind war stark nikotingeschädigt, und es dauert einige Zeit bis sie gesundheitlich stabil wurde. Diese Erfahrung hat uns zusammen geschweißt, und ich behaupte sogar, daß man Kinder mit ihren Problemen noch mehr lieben kann.
Ich akzeptiere aber die Sorge von Adoptivbewerbern, dem nicht gerecht zu werden. Sich auf ein fremdes Kind einzulassen ist schon eine ganz besondere Situation. Für mich steht das Kind im Mittelpunkt. Und besser ist es für sie, wenn Bewerber von vornherein ablehen als den KiVo anzunehmen, eben, Hauptsache, überhaupt ein Kind. Das wird ihm nicht gerecht. Aber das liegt im Ermessen des JA. Wenn dort Bestellungen aufgenommen und erfüllt werden, bitteschön.