Liebe Bonnie, auch ich war gefesselt von Deinem Bericht! Danke dafür, man kann sich durch Deine Darstellung sehr gut da hineinversetzen. Wirklich keine schöne Kindheit. Erst recht nicht wenn man es mit den anderen Berichten von Dir multipliziert. Glaubst Du, dass Deine Adoptiveltern gänzlich anders gewesen wären wenn die Kriegswirren nicht gewesen wären? Es war ja doch eine extrem schwere Zeit.
Liebe Cornelia, ich finde es erstaunlich wie viel Kraft Du hast! Ich glaube nicht, dass ich an Deiner Stelle noch mit meiner Mutter sprechen würde. Hut ab!
für deinen kommentar cornelia, auch deinen bianka, möchte ich mich bedanken.
cornelia, dein satz über die kraft aus der du am meisten schöpfst [....] hat mich nachdenklich gemacht. ist es das alter deiner mutter, die dich gnädiger stimmte? allein die vorstellung, wie sie da in ihrem eigenen kosmos lebt, du nicht an sie herankommst, ist schon bedrückend genug. ändern wird sie sich wahrscheinlich kaum mehr. da kann ich nur hoffen, daß diese kraft allen a-krisen stand hält, und auch anderen nicht verloren geht.
das war überhaupt eine erschreckende erfahrung, daß es zur kindheit, die einem so nahe ist, letztlich soviel abstand braucht, um sie erfassen zu können.
mit der generation meiner a-eltern hab ich mich zeitweise sehr intensiv beschäftigt. es gibt viele strategien mit der vergangenheit fertig zu werden, typisch ist jedoch für die kriegs-generation das verdrängen und verschweigen der kriegsererlebnisse. ticks, überreaktionen, sprachlosigkeit o. gebetsmühlenartiges dauerthema, lebenseinstellungen, verhalten usw. und der umgang damit ist dann nicht nur für familienangehörige schwierig.
bewußt herummanipuliert haben meinen a-eltern damit nicht, sind problemen eher ausgewichen, und die weigerung, sich der eigenen desolaten kindheit mit all ihren verletzungen zu stellen. sie neigten eher dazu, sie noch als gut und gegeben abzutun und gedankenlos weiterzugeben, das machten beiläufigkeiten deutlich. fehlerfrei ist wohl niemand, und ändern läßt sich nichts, aber immerhin lassen sich erkenntnisse daraus ziehen, um negatives nicht zu wiederholen. ja doch, da hat bestimmt einiges ihre persönlichkeit und verhalten geprägt, auf ihre erfahrungen zurückzuführen, so wie wir uns an die kindheit als prägend erinnern und die jetzige zeit mit allen möglichkeiten und nachteilen wahrnehmen, uns die im positiven wie negativen beeinflussen kann - aber nicht muß!
später überfiel mich schon noch häufig unsägliche enttäuschung über ihre gleichgültigkeit, und was mir innerhalb der a-familie an unerträglicher menschenfeindlichkeit entgegenschlug. unglaublich, wie blind und abgestumpft menschen dem leben gegenüberstehen können, sie so hat werden lassen.
die hilflosigkeit meiner a-eltern mit der eigenen vergangenheit und der adoption umzugehen, die erkenntnis war fast noch erschreckender, unverzeihlich ihr menschliches unvermögen und die lieblosigkeit. rachegefühle oder haß sind durch die unzähligen erschütterungen nicht entstanden. jeder mensch wird unschuldigen geboren, nicht bösartig, wäre unter anderen umständen vermutlich auch anders geworden.
was netzbeschmutzung, die in der familie mehr wertschätzende 'rangordnung' ausdrückte, anging, wurden vorurteile eher verdeckt rübergebracht, das hätte sie sonst in kein gutes licht gestellt, aber der status war mir von anfang an durch die 'andere' herkunft sicher, dazu brauchte ich nichts beitragen.
die versuche die kindheit so lange wie möglich schönzureden, bzw. für ihr tun entschuldigungen zu finden, hat nicht dazu führen können mit ihr in einklang zu kommen.
was nach der gescheiterten adoption an 'freiheit' übrig blieb und noch immer zu schaffen macht, sind die unabänderlichkeiten, ein leben in einschränkenden a-bestimmungen, einer nicht klärbaren herkunft, dem vorenthalten und verwalten der biographie, massive behinderungen bei der aufarbeitung (egal durch wen), die weiterbestehende falsche indentität usw. usf.. das quält nach wie vor.
Zitat von BibiBlocksteinLiebe Cornelia, ich finde es erstaunlich wie viel Kraft Du hast! Ich glaube nicht, dass ich an Deiner Stelle noch mit meiner Mutter sprechen würde. Hut ab!
Lass den Hut lieber auf dem Kopf! Erst vor wenigen Tagen hätte ich ihr am liebsten eine gescheuert, so sehr hat sie mich wieder einmal gedemütigt mit ihren Frechheiten. Wenn ich irgendetwas sage, was ihr gegen den Strich geht, sagt sie mir mitten ins Gesicht, dass das endgültig das letzte Treffen war und ich in Zukunft nur noch Überweisungen (= Kohle) bekäme. Sie erniedrigt mich wie eine Dirne, obwohl ich noch nie von ihr Geld eingefordert habe. Sie gehört zu den Menschen, die glauben, dass man sich mit Geld jede(n) kaufen kann. Mir ist es manchmal richtig peinlich, wenn sie viel zu üppige Trinkgelder gibt - wie ein Zuhälter
Aber sie ist nun mal erstens 85 und war zweitens bis vor einem Jahr der einzige Mensch, den ich noch als Familie hatte. Da kann man nicht einfach sagen "scher Dich zum Teufel!"
Das mit der unwiederrufbaren Adoption erscheint mir die bizterste Konsequenz aus dem, was unsereins "verbrochen" hat. Das meine ich jetzt aber nicht aus meiner Sicht, sondern Deiner, bzw. der von den Adoptierten, bei denen die Adoption mehr Schaden als Glück gebracht hat.
Ansonsten möchte ich hier momentan nur auf den Punkt mit der Verdrängung eingehen, weil das für mich ein ganz zentraler ist. Oberflächlich betrachtet,mag Verdrängen und Verschweigen eine Lösung sein, aber dauerhaft praktiziret führt das zu einem Leben vollen Lügen und verdirbt den Charakter vollends.
Mich hat diese bescheuerte Lügerei meiner Mutter schon als Kind abgestossen, denn bereits als Schulmädchen habe ich ihre selbstherrlichen Stories, mit denen sie bis heute ihr Umfeld teilweise zu blenden versteht, gehasst. Es war mir peinlich, so eine "auffällige" Mutter zu haben.
Wenn so ein pfauenhaftes Getue auf Selbstbetrug und Beschönigungen beruht, hat das Umfeld solcher Menschen selten etwas zu Lachen. Da amcht es auch keinen Unterschied, dass das die eigenen Kinder sind, die man da mit verarscht.
Ein Lob jedem, der sich da nicht in den Sumpf ziehen lässt