mein Name ist Peter und ich bin stolzer Vater meiner inzwischen 22 jährigen Tochter Anna. Meine Frau und ich haben sie adoptiert, als sie 8 Jahre alt war. Es war keine Auslandsadoption, sondern innerhalb Deutschlands. Ihre leibliche Mutter hatte sie weggegeben, als sie 4 Jahre alt war und seitdem hatte sie eine Odyssee durch verschiedene Heime und kurzfristige Pflegefamilien hinter sich.
Die ersten Monate waren hart, für uns alle.
Wir hatten Probleme, uns in dieser neuen Situation zurechtzufinden und Anna natürlich erst recht. Sie hatte große Probleme, sich in ihr neues Umfeld zu integrieren, zu uns Vertrauen zu finden usw. In der Schule sackte sie immer mehr ab und sie hatte sogar angefangen, wieder das Bett zu nässen.
Das erste Jahr war unglaublich schwer und gezeichnet von Stress, vom Streit zwischen mir und meiner Frau usw. Wir alle hatten große Probleme, uns in die neue Situation einzufügen.
Anna hatte Angst, dass auch ihre Zeit bei uns wieder nur von kurzer Dauer sein und wir sie wieder weggeben würden. Einmal gab es wieder eine große Stresssituation und Anna ist weinend in ihr Zimmer gelaufen. Meine Frau und ich sind ihr hinterher und dann hat sie wieder weinend gesagt, dass sie bald sowieso weg ist, weil wir sie nicht mehr haben wollen usw. Das kam in der letzten Zeit sehr häufig vor, obwohl wir ihr natürlich immer erklärt haben, dass nicht so ist und sie unsere Tochter ist und bei uns bleibt.
Ich weiß nicht, was mich in diesem Moment geritten hat, ich habe gar nicht bewusst nachgedacht. Ich bin raus aus dem Kinderzimmer und in die Küche gegangen und habe dort ein Messer geholt. Ich bin wieder ins Kinderzimmer und sah, wie meine Frau weiterhin versucht hat, Anna zu trösten und auf sie einzureden. Ich bin auf beide zugegangen und als ich bei ihnen war, holte ich das Messer aus meiner Hosentasche heraus und schnitt mir damit im selben Moment in die linke Handfläche.
Nicht viel, nur so viel, dass da auch Blut rauskommt.
Noch bevor meine Frau irgendwas sagen konnte, habe ich mir ihre linke Hand geholt und dasselbe bei ihr gemacht. Dann habe ich meine blutende Handfläche auf Annas Stirn gesetzt und dort mein Blut verschmiert. Das gleiche habe ich mit der blutenden Handfläche meiner Frau gemacht: Auf Annas Stirn und dort das Blut verschmieren.
Danach habe ich Annas linke Handfläche genommen und dort mit dem Messer reingeschnitten. Nicht viel, nur so viel, dass da Blut rauskommt. Dann habe ich meine blutende Hand genommen und auf ihre Hand gelegt. So, dass sich unser Blut vermischt. Dasselbe habe ich mit meiner Frau gemacht: Ihre blutende Hand auf die blutende Hand von Anna. So, dass sich deren Blut vermischt.
Das hört sich alles länger an, als es tatsächlich war. Das Ganze war innerhalb von einer Minute erledigt und ging so schnell, dass weder meine Frau noch Anna irgendwas sagen oder machen konnten. Ich sagte dann Anna, dass sie jetzt unser Blut hat, wir ihre Eltern sind und sie nie wieder irgendwo anders hingeht.
Wir sind dann alle still ins Bad gegangen und haben das Blut abgewaschen und uns Pflaster aufgelegt.
Das Ganze fand in einer Stille, in einer Schnelligkeit und Intensität statt, die unglaublich war. Natürlich hatten wir danach noch Probleme, aber es waren normale Probleme. Probleme, die alle Eltern haben. Zimmer aufräumen, Rausgeh-Zeiten, Teenager-Probleme usw. Normale Probleme und nichts adoptionsspezifisches.
Nach diesem Vorfall haben wir nie wieder auch nur irgendetwas davon gehört, dass sie nicht unsere "echte" Tochter ist, wir nicht ihre "echten" Eltern und wir bald sowieso wieder weggeben. Nie wieder.
Sie ist heute ein 22 Jahre altes Mädchen, studiert Germanistik und führt ein erfülltes und glückliches Leben.
Ich kann immer noch nicht sagen, was mich in diesem Moment geritten hat. Denn ich bin keiner, der solch martialische Gesten bevorzugt. Ich weiß nicht, wie ich auf diese Idee kam. Doch es war bisher die beste Idee, die ich in meinem Leben hatte.
Entweder bist Du sehr ... sagen wir mal exzentrisch, oder die Geschichte (was mir beinahe wahrscheinlicher vorkommt) ist durch irgendeinen Kitschroman inspiriert worden und hat nur einen geringen wahren Kern.
Es ist ein Ritual aus Winnetou- Filmen, und da war es mir auch schon suspekt.
Ich habe nichts gegen Rituale, aber mir gefallen genau 2 Sachen nicht:
die Überschrift und die Tatsache, daß Du schreibst, daß sie nun Euer Blut hat oder Ihr eben Gemeinsames.
Das halte ich im Adoptionsgedanken für falsch. Eure Tochter zeichnet sich nicht dadurch zu Eurer Tochter aus, in dem Ihr Blut austauscht. Sie trägt das Blut anderer Menschen, ihrer Erzeuger, und das ist eine Tatsache, die ein Kind, welches adoptiert ist/wird, akzeptieren muß und Ihr als Adoptiveltern sowieso.
Ihr seid die sozialen Eltern, nicht mehr und nicht weniger.
Übrigens kenne ich bei kleinen Adoptivkindern den Wunsch, von der Adoptivmutter geboren zu werden. Auch dieses halte ich für falsch.
Die Kinder sollten in dem Wissen um ihrer Herkunft kindgerecht aufwachsen. Man kann auch durch andere Rituale den Kindern Sicherheit geben.
Ich kann Peter's Geschichte nicht einordnen. Zum "Blutaustausch" sind meine Gedanken so ähnlich wie Lattitia's.
Die Erwähnung eines "sogar wieder anfangen" verstehe ich auch nicht ganz. Eigentlich zu erwarten aufgrund seiner Beschreibung.
In einer Stress-Situation mit einem Messer ins Zimmer eines vortraumatisierten Kindes zu rennen - und dann auch noch zu schneiden - wage ich mir gar nicht vorzustellen... Kurzschlussreaktion? Würde man diese nicht aufarbeiten? Aufarbeiten müssen? Jede Situation ist anders, persönlich kann ich mir aber nicht vorstellen, dass die beschriebene Aktion das angepeilte Sicherheitsgefühl erzeugt. Abgesehen davon, bin ich mir so gut wie sicher, dass hier in GB diese Sache mindestens vor Gericht gelandet wäre.
Also Ganz ehrlich das ist schon etwas krass, meiner Meinung nach.
Ich kann mich Lattitia eigentlich nur anschließen, bist du sicher das dies der richtige Weg war ? Eure Beziehung hat sich zwar verbessert aber für mich grenzt wenn sowas passiert ist wirklich an Körperverletzung. Bei Adoption geht es doch nicht darum das selbe Blut, Gene und was man sonst noch so alles im Körper hat zu haben. Adoptioveltern sind wie gesagt die sozialen Eltern. Meinst du nicht das du damit ihre Verbindung zu ihren leiblichen Eltern verletzt hast ? Schließlich besteht diese doch auch. Und das ist von beiden Seiten meiner Meinung nach zu akzeptieren. Sollte sich eure Verbindung durch dieses Ritual verbessert haben dann war meiner Meinung nach ein Problem zwischen euch. Das es am Anfang nicht einfach wird konntet ihr euch ja bestimmt vorstellen, ein Kind was zu Anfang seines Lebens, in dem es doch vorallem von der Mutter " abhängig " ist oft sozusagen hin und hergereicht worden ist hat ein sozusagen Trauma was mit professioneller Hilfe bewältigt werden sollte.
Für das Ganze habe ich leider kein Verständnis und kann die Folgen davon nicht verstehen.
Ich würde es allerdings jederzeit wieder so machen.
Anna hatte keinen Kontakt zu ihrer "wahren" Familie, fühlte sich die ganze Zeit in einer Schwebe, dass das bei uns wieder nichts für sie wird. Ich kann selbst nicht sagen, warum ich das gemacht habe. Vielleicht habe ich gespürt, dass sie einen wirklichen Neuanfang braucht. Mit einem Zeichen dafür. Dass habe ich ihr gegeben bzw. wir.
Wir sind nicht ihre "sozialen Eltern", wir sind ihre Eltern. Ohne wenn und aber. Die einzigen, die sie hat.
ZitatWir sind nicht ihre "sozialen Eltern", wir sind ihre Eltern. Ohne wenn und aber. Die einzigen, die sie hat.
Und genau da täuscht du dich eben. Auch wenn ihr diejenigen seid, die sie aufgezogen haben, so seid ihr "nur" ihre sozialen Eltern. Ihre biologischen Eltern seid ihr nicht und werdet ihr auch nie sein. Das mein ich auch nicht böse, ich möchte euch eure Rolle in Annas Leben keinesfalls absprechen. Und es ist nur gut, wenn ihr sie annehmen konntet, als wäre sie ganz euer Kind, wichtig ist nur, dass man einem Adoptivkind seine Herkunft nicht aberkennt als Adoptiveltern.
Biologisch genetisch geshen ist sie nicht eure richtige Tochter. Akzeptiert und respektiert das oder ihr werdet irgendwann mal ziemliche Probleme haben. Und euch wird die Adoption "gekündigt".
Mann kein ein Eltern/Tochter Verhältnis nicht kündigen.
Der Punkt ist, dass sie ihr Leben lang rumgeschoben wurde und ihre biologischen Erzeuger keinen Kontakt mit ihr haben wollten. Gar nicht. Durch dieses "Ritual", was sie vielleicht schlimmer anhört, als es tatsächlich war, haben wir ihr eine neue Basis gegeben. Jede Situation ist anders und meine Geschichte soll hier auch keine "Blaupause" für andere sein.
Es war notwendig und es hat funktioniert. Da können mir irgendwelche "Adoptionsratgeber" noch so sehr etwas anderes erzählen. Es ist 14 Jahre her und seitdem gab es nicht einen einzigen Zweifel, dass wir nicht ihre Eltern sind oder sie nicht unsere Tochter.
Selbst im schlimmsten Teenager-Streit haben wir noch nie gehört, dass wir nicht ihre Eltern sind.
Wie gesagt, es ist keine Blaupause. Ich wollte ich einfach nur von unserer Geschichte erzählen.
Oh doch man kann es künden. Man kann es hassen, verachten, verleugnen, verabscheuen und so weiter. Das sind alles Auswirkungen und Praktiken von dieser Kündigung.
@Maus: Seit wann kann man Adoptionen "kündigen"? Ich dachte meist, die seien sozusagen endgültig, nicht mehr rückgängig zu machen. Oder sollte das als Metapher zu verstehen sein?
Zum Thema: Ich persönlich fand dieses Ritual auch ein wenig, nun ja, abergläubig bzw. ein wenig seltsam. Es ist natürlich verständlich, dass ihr eurer Tochter Halt geben möchtet, ihr damit zeigen möchtet, dass sie zu euch gehört, dass sie nicht mehr verlassen wird usw. Aber ganz ehrlich, ich würde es schon mit der Angst bekommen, wenn mein Vater auf einmal mitten im Zimmer stünde mit einem Messer in der Hand und ihm selbst, mir und meiner Mutter in die Hand schneiden würde, um das Blut anschließend irgendwie zu verwischen, und das vollkommen wortlos. Natürlich hast du es nur "gut gemeint". Und natürlich ist es wichtig, dass ihr euer Tochter zeigt, dass ihr immer für sie da seid. Aber ihr solltet ihr ihre Herkunft nicht vorenthalten, solltet ihren Hintergrund nicht verleugnen, vor allem nicht vor euch selbst. Wenn sie nicht darüber reden möchte bzw. mochte, ist das okay. Aber einfach auf "heile Welt" machen, läuft meistens auch nicht.