während des Nachdenkens über den kontroversen Verlauf eines Threads kamen mir Zweifel an der bisherigen Praxis, 1. Herkunftsmüttern/Eltern lediglich eine 8-Wochenfrist für die Freigabeentscheidung zu gewähren und 2. dass nach der Unterschrift beim Notar so gut wie keine Möglichkeit mehr besteht, das Kind zurückzubekommen.
Sicher hatte(n) die Mutter/die Eltern 9 Monate Zeit, sich über eine Zukunft mit oder ohne Kind klar zu werden, aber bei der Freigabeentscheidung spielen so viele Unwägbarkeiten eine Rolle, die gar nicht alle ausgereift bearbeitet werden können. Zwar bin ich selbst Ado-Mutter und weiß was es heißt, ein Kind, das man sich sehr gewünscht und an das man sich auch zumindest schon gewöhnt hat, wieder herzugeben, aber man darf den evtl. später einsetzenden Schmerz einiger Herkunftsmütter/Eltern über den Verlust des Kindes (wenn sie den dann realisiert haben) auch nicht so leicht abtun.
- Evtl. wurde die Adoption als Ausweg aus einer Panik ins Auge gefaßt, weil eine Beziehung zerbrochen ist, - oder weil die Verwandtschaft oder der Vater des Kindes massiv darauf gedrängt haben, - oder weil absolut keine Hilfe greifbar ist und die Mütter nicht wissen, wie sie die Betreuung bewältigen sollen, - oder weil schon einige Kinder vorhanden sind und ein (weiteres) Zusammenleben mit dem Vater nicht möglich ist, - oder weil nach der Geburt eine starke Depression (Babyblues) auftrat und die Handlungsfähigkeit einschränkt, usw. usw.
Wenn dann etliche Wochen/Monate später wieder so einigermaßen Normalität bei den Müttern eingetreten ist und sie sich in der Lage fühlten, das Kind alleine großzuziehen, ist es weg und durch die Unterschrift nicht mehr rückholbar. Das finde ich schon sehr hart, beschert es doch diesen Frauen nicht selten einen lebenslangen Schmerz und ein schlechtes Gewissen. Als Ado-Mutter möchte ich mit diesem Bewußtsein nicht leben, durch mein Glück einer anderen Frau großes Leiden zugefügt zu haben.
Vor einiger Zeit postete hier eine Ado-Pflegemutter, die das bereits freigegebene Kind nach 6 Monaten Ado-Pflege freiwillig wieder zurückgegeben hatte, weil die junge Mutter es so wollte und die Verwandtschaft zwischenzeitlich auch (sie waren Ausländer). Auch eine andere Mutter, die bereits 3 Kinder hatte und sich wegen einer Trennung von ihrem Mann alleine kein 4. Kind zutraute, versuchte mit allen rechtlichen Mitteln, ihr Kind zurückzubekommen, nachdem sich ihre Ehe wieder einigermaßen stabilisiert hatte. Aber die Ado-Pflegeeltern verteidigten es mit allen ihnen ihres Wohlstandes und ihrer Stellung wegen zur Verfügung stehenden Mitteln. In diesem Fall war die Freigabe nicht mal notariell besiegelt, sie wurde dann trotz wehementer Weigerung der Mutter vom Gericht ersetzt.
In der Haut dieser Ado-Eltern möchte ich in einigen Jahren nicht stecken, wenn das Kind von dem Kampf der Mutter erfährt, der letztlich zur Adoption geführt hatte.
Meiner Meinung nach sollte die Freigabefrist für eine Adoption 6 Monate betragen. In dieser Zeit hat sich bei der Herkunftsfamilie vieles geklärt und die Entscheidung steht dann auf ganz sicheren Füßen. Was meint Ihr dazu?
An und für sich sollten sich die H-Mütter nicht so viel Zeit lassen, weil die Ado-Pflegefamilie meist auf Sicherheit pocht. Sie hilft dann auch schon mal nach, wenn sich die leibliche Mutter nach 2 bis 3 Monaten nicht zum Notar bewegt hat (bei uns war das z. B. auch der Fall obwohl wir nicht gedrängelt haben). Seit wann die 8-Wochenfrist gilt, entzieht sich meiner Kenntniss. Seit Einführung des neuen Adoptivrechts auf alle Fälle.
(1) Zur Annahme eines Kindes ist die Einwilligung der Eltern erforderlich. Sofern kein anderer Mann nach § 1592 als Vater anzusehen ist, gilt im Sinne des Satzes 1 und des § 1748 Abs. 4 als Vater, wer die Voraussetzung des § 1600d Abs. 2 Satz 1 glaubhaft macht.
(2) Die Einwilligung kann erst erteilt werden, wenn das Kind acht Wochen alt ist. Sie ist auch dann wirksam, wenn der Einwilligende die schon feststehenden Annehmenden nicht kennt.
Die acht Wochen sind eine Mindesfrist. Es gibt keine zeitliche Frist innerhalb derer eine Einwilligung in die Adoption erfolgen muss. Aber anscheinend wird diese Fehlinformation den H-Eltern häufig noch immer vermittelt. Meine Tochter war 8 Monate allt, als sie in anonyme Dauerpflege kam. Sie war sechs Jahre alt, als dier Adoption erfolgte.
Ich nehme an, dass ich Martina zu diesem Faden inspiriert habe, deswegen werfe ich einige aufklärende Informationen ein. Mein Sohn ist mit 11 Wochen zu seinen späteren Adoptiveltern gekommen. Anderthalb Monate später habe ich die notarielle Einwilligungserklärung unterschrieben. Zwar geht einer Adoption sowieso ein Jahr Pflegezeit voraus, aber in meinem Fall war es so, dass sie sich durch meine Einwilligung verzögert hat, da ich sie angefochten habe und das ein langes Teilverfahren war. Das wäre nicht passiert, wenn mir einfach nach 3 Monaten das Sorgerecht offiziell entzogen und meine Einwilligung ersetzt worden wäre, da ich zu diesem Zeitpunkt offiziell wohnunglos war und in keinster Weise dagegen hätte vorgehen können. Wie schon erwähnt, habe ich die mir bekannte Bedenkzeit nach der Geburt dahingehend ausgelegt, dass mein Sohn mir nicht zum Zweck einer Adoption weggenommen werden darf. So konnte ich ihn in den ersten Lebenswochen stillen, was ich gegen Ende nur noch verbotenerweise tat. Ich möchte noch anmerken, dass bereits Petitionen in beide Richtungen, kürzere und längere Bedenkzeit, zurückgewiesen worden sind.
Unsere Tochter war über ein Jahr im Heim. Bei der Abholung unserer Tochter haben wir die Mutter kennengelernt. Wir waren ein paar Stunden zusammen. Danach war ich erleichtert, denn es schien sowohl für die Herkunftsmutter als auch für uns in Ordnung zu sein, dass wir dieses Mädchen zu uns nehmen. Wir bekamen dann noch ein paar Informationen über die Herkunftsfamilie und konnten Fotos machen für später.
Anmerkung an Cornelia: Die Mutter hatte weder einen Bananenrock an, noch hat sie getanzt. (Diese Bemerkung hat mich verletzt )
Hallo Martina, wie Burkhard ja schon schrieb, ist die 8-Wochen-Frist ja die Mindestzeit, die abgende Eltern warten müssen, bis sie beim Notar unterschreiben. Ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass Adoptivpflegeeltern nach, wie du schreibst, 2-3 Monaten Druck ausüben können. Das wäre ja direkt schon zu Beginn der überhaupt möglichen Zeit, in der eine Freigabeerklärung unterschrieben werden kann. Ich wüsste auch gar nicht, welche Handhabe man da hätte. Es besteht ja in der Regel kein persönlicher Kontakt zwischen abgebender und annehmender Seite. Und nach so kurzer Zeit: welche Argumente sollten die annehmenden Eltern denn bringen können, um Druck auszuüben? Was ich mir allerdings vorstellen kann, ist, dass das eine oder andere JA oder Vermittlungsstelle den Fall gerne "in trockenen Tüchern" sehen möchte und (mehr oder weniger) sanften Druck ausübt. Offiziell darf die leibliche Familie quasi jederzeit ihr Kind wieder zurückholen (vielleicht mit einer gewissen Anbahnungszeit), solange nichts Verbindliches unterschrieben ist. Dass es in der Praxis die Fälle gibt, wo schon nach sehr kurzer Zeit die Adoptivpflegefamilie dies zu verhindern versucht und auch Erfolg damit hat, ist leider bekannt. Uns wurde allerdings immer gesagt, dass erst nach einem Zeitraum von etwa 2 Jahren jedes Gericht im Interesse des Kindes entscheiden würde, dass es in der neuen Familie bleiben sollte, weil dann die Festigkeit der Bindung hier als stärker als die Rechte der Herkunftsfamilie anzusehen wäre. An die Begebenheit mit der Familie, die das Kind nach über einem halben Jahr der leiblichen Mutter zurück gegeben hat, erinnere ich ich ebenfalls noch gut. Nach dieser Zeit passiert dies sicherlich eher selten, aber genau auf solch einen Fall werden Adoptionsbewerber ja immer vorbereitet. LG Morgenmuffel
Ach, nochwas. Martina, du hattest ja den Vorschlag, die Freigabefrist auf 6 Monate zu erweitern. Wie eben schon geschrieben, gibt es ja in dem Sinne gar kein Ende der Frist, innerhalb derer unterschrieben werden muss. Wenn du damit meintest, die 8-Wochen-Frist auf 6 Monate zu verlängern, und erst danach darf unterschrieben werden, habe ich dazu ganz zwiespältige Gedanken und Gefühle. Deine Argumentation ist absolut nachvollziehbar und würde in manchem Fall ein lebenslanges Leid auf der Herkunftsseite verhindern. Auf der anderen Seite ist da die Situation der annehmenden Eltern. Dass sie einfach Sicherheit haben wollen (ganz auf der Verstandesebene), ist ja gar nicht der Punkt. Der dürfte gerne übergangen werden, das Risiko zu tragen ist unsere Aufgabe. Aber in einem solchen Schwebezustand zu leben bedeutet eine emotionale Belastung, und der ständige Konflikt, ob man sich ganz auf das kleine Würmchen einlassen darf, ist ja schon zermürbend. Wenn man liest, wie unglaublich erleichtert manche Eltern sind, wenn DIE Unterschrift vorliegt, dann liegt das meiner Meinung nach weniger am "Sichern des Besitzes" als an der Freude über das Ende der emotionalen Gratwanderung. Und wenn ich mir vorstelle, dass per Gesetz diese Zeit auf mindestens 6 Monate ausgeweitet werden sollte, und welche Folgen für die Bindungsentwicklung zwischen Neu-Eltern und Adoptivkind haben kann, dann weiss ich nicht, ob das gut wäre. Bei uns hat es ja beim 2. Kind sehr viel länger als 6 Monate gedauert, bis wir die Gewisshait hatten, ob es bleiben wird. Dies war ganz sicher nur deshalb relativ unkompliziert zu überstehen, weil wir erstens schon einmal erlebt hatten, dass uns ein Kind nicht wieder genommen wird, und weil wir zweitens ein paar Informationen über die leibliche Mutter hatten, die es nahegelegt haben, dass sie das Kind nicht zu sich holen wird. Aber das haben nicht alle. LG Morgenmuffel
Das halte ich für kein vernünftiges Gegenargument. Da steht ein emotionaler Wunsch von Menschen im Mittelpunkt, die nicht verwandt sind. Außerdem macht es für die Adoptionsanwärter keinen Unterschied wann die Erklärung abgegeben wird, sie können sowieso nicht früher als ein Jahr nach Erhalt des Kindes adoptieren. Wenn alle Adoptionsanwärter so labil sind, sollte über eine Neuregelung nachgedacht werden, die den Adoptionsanwärtern die Kenntnis über eine geleistete Einwilligung verwehrt, damit das Kind nicht zwiegespaltenen Eltern in spe gegenüber steht. 6 Monate sind deshalb zu lang, weil nach drei Monaten das Sorgerecht per Gesetz entzogen werden MUSS, wenn man jetzt die Sache mit Kindern durchkalkuliert, die nach der Geburt gar nicht erst zur Mutter kommen. Eine Willenserklärung wäre dann ungefähr soviel wert wie ein Luftballon. Und der Vorschlag in einer Petition, die Bedenkzeit auf 12 Wochen zu verlängern, wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gesetzgeber sich das seinerzeit gut überlegt hat und acht Wochen genug sind.
Ich finde Morgenmuffels Argument nicht unvernünftig. Außerdem finde ich es auch nicht richtig, dass du von Morgenmuffels angesprochenem Argument, der emotionalen Belastung in dieser Schwebezeit, die Bewerber als zu labil bezeichnest. Das sind ganz normale Gefühle. Man will sich doch nicht zu sehr an das Kind binden, aber auf der anderen Seite entwickelt man ganz natürliche Gefühle für das Kind. Die Bewerber sind sich einfach im Klaren darüber, dass die Mutter es sich nochmals anders überlegen kann und versuchen sich dann vernünftig vor diesem Verlust zu schützen, aber können doch nicht anders als das Kind beginnen zu lieben.
Hast du noch mehr zu dieser Begründung? Ich will sie nicht anfechten, aber mich würde interessieren was genau sich der Gesetzgeber denn "gut überlegt" hat.
@Martina, im Prinzip ein guter Gedanke, dass die Mindestfrist auf 6 Monate erhöht wird, wenn man Adoption grundsätzlich für eine gute Sache hält. Meine Meinung dazu habe ich ja schon mehrfach geäußert. Ich bin dafür, dass Adoption abgeschafft wird zugunsten einer Art "Dauerpflege". Dabei sollten die Herkunftseltern die Erziehungsberechtigung an die Pflegeeltern abtreten, einschließlich Aufenthaltsbestimmungsrecht usw. Aber die Kinder würden ihren Namen behalten. In einer Zeit, in der es normal ist, dass Mann und Frau bei der Eheschließung ihre Geburtsnamen behalten, in der Kinder von Patchworkfamilien verschiedene Namen haben, obwohl sie alle bei einem Elternpaar leben usw. muss niemand mehr befürchten, dass ein Kind als weniger zugehörig angesehen wird, wenn es nicht denselben Namen hat wie die Eltern. Die Annahme eines Kindes sollte nicht ein Verfahren sein, um kinderlose Paare glücklich zu machen, oder Herkunftsmüttern in einer Notlage eine Last abzunehmen, sondern einzig und allein am Wohl des Kindes orientiert sein. Und dazu gehört der Zugang und die offene Verknüpfung mit den Wurzeln.
@nancy, das Gesetz mag vorsehen, dass nach drei Monaten das Sorgerecht entzogen wird, aber Gesetze sollten für den Menschen da sein und nicht umgekehrt. Sie können geändert werden.
ZitatMorgenmuffel schrieb: Ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass Adoptivpflegeeltern nach, wie du schreibst, 2-3 Monaten Druck ausüben können.
Hallo Morgenmuffel, in meinem obigen Posting drückte ich mich ein wenig mißverständlich aus. Wir haben beim JA keinen Druck ausgeübt, lediglich einige Male nachgefragt, wenn wir mit dem Jugendamt sowieso telefonierten, weil unser Sohn des öfteren im Krankenhaus lag und Eingriffe nötig waren; in dieser Angelegenheit wurde von unserer Seite also nicht extra angerufen. Jedesmal wurde uns gesagt, sie hätten die H-Mutter aufgefordert zum Notar zu gehen und ihre Unterschrift zu geben. Weil das aber monatelang nicht passierte, wurde sie schließlich von einer JA-Sachbearbeiterin von zu Hause abgeholt und zum Notar begleitet. Das Damoklesschwert einer gesetzlich gedeckten Rückgabe hing also auch in unserem Fall längere Zeit über uns, obwohl ich heute nicht glaube, dass die Mutter so gehandelt hätte.
Trotzdem finde ich 8 Wochen ein wenig zu kurz, angesichts der Tatsache, dass dann die meisten Ado-Pflegeeltern anfangen, über das Jugendamt Druck zu machen und die Sachbearbeiter diesen Druck weitergeben. Ehrlich gestanden, erst hier im Forum lerne ich, welches Schicksal teilweise mit einer Freigabe zusammenhängt; nicht in jedem Fall, aber doch des öfteren. Wenn die Mütter dann wenigsten 6 Monate der Illusion anhängen können, das Kind gehört nach dem Recht noch zu ihnen, ist es neben ihren anderen "Baustellen" für sie nicht so ein krasser Bruch, weil sie sich in Ruhe mit diesem Gedanken auseinandersetzen können. Natürlich ist es für die Ado-Eltern ein reines Vabanque-Spiel, aber ich glaube, nicht mehr Mütter holen in dieser Zeit ihre Kinder zurück als mit der 8-Wochenfrist.
ZitatGuilia schrieb: Man will sich doch nicht zu sehr an das Kind binden, aber auf der anderen Seite entwickelt man ganz natürliche Gefühle für das Kind. Die Bewerber sind sich einfach im Klaren darüber, dass die Mutter es sich nochmals anders überlegen kann und versuchen sich dann vernünftig vor diesem Verlust zu schützen, aber können doch nicht anders als das Kind beginnen zu lieben.
Vielleicht sollten die Ado-Pflegeeltern sich dann während der Zeit in den emotionalen Stand versetzen, Pflegeeltern zu sein. Meiner Meinung nach entwickeln Pflegeeltern auch tiefere Gefühle für ihr anvertrautes Kind, ansonsten wäre eine Betreuung gar nicht möglich (oder nicht im Sinne einer gedeihlichen Entwicklung des Kindes). Meiner Ansicht nach wurde die Wartezeit der Freigabe auf 8 Wochen verkürzt, weil der Staat das Pflegegeld für die Ado-Pflege-Kinder einsparen wollte, das bis 1977 stets gezahlt wurde. (Allerdings kenne ich die Wartezeit für die Freigabe von vor 1977 nicht). Aber ich könnte mir vorstellen, auch eine Liebe zu und eine Bindung an Pflegekinder zu entwickeln, auch wenn die Rückführung nicht ausgeschlossen ist.
Ich wurde vor 1977 adoptiert und meine H-Mutter hat die Freigabe nach knapp nem halben Jahr unterschrieben. Pflegegeld gabs für mich nicht. Also stets wurde es zumindest nicht bezahlt.