Ich bin neu hier und lese nun seit Stunden quer herum. Nachdem ich nun in den letzten Wochen viele viele Stunden Berichte und Filmmaterial über Adoptionsverfahren, Heime, Strassenkinder, Aidswaisen, Teeniemütter, Vernachlässigung, Slums, Hilfsprojekte, die Zustände auf Haiti, Spendengeldaffären, Roma-Kinder und Kinderhandel gesehen habe, bin ich nun völlig überflutet und möchte Euch um Austausch bitten, vielleicht könnt Ihr mir ja beim Sortieren helfen.
Mein Mann und ich würden gern ein Kind adoptieren-nicht weil wir keine bekommen können, sondern weil wir der Meinung sind, dass es genug Kinder gibt, die Eltern brauchen. Das Thema was uns dabei am meisten am Herzen liegt ist keinem Kind zu schaden. Das Stichwort, das mir am häufigsten begegnet ist "Entwurzelung". Ich frage mich, ob die Probleme, die bei vielen Adoptivkindern auftreten, wirklich dadurch entstehen oder verschlimmert werden, dass sie nicht in ihrem Geburtsland aufwachsen. Ich möchte ganz bewusst nur über die Kinder sprechen, die wirklich Waisen sind, verlassen oder abgegeben wurden, denn ich möchte nicht über illegale Machenschaften diskutieren, sondern über die Psyche von Kindern.
Ist es nicht wahrscheinlich, dass ein Kind, das frühe traumatische Erlebnisse, wie Angst, Krankheit, Vernachlässigung, Kälte, Hunger, Einsamkeit, Schläge, Verlust der Eltern und des bekannten Umfeldes erleben musste, einfach generell so schwer vorbelastet ist, dass es in seiner Entwicklung früher oder später bestimmte Schwierigkeiten hat und das völlig unabhängig davon, wo es lebt? Wird das Kind nicht vielleicht als Teenager oder junger Erwachsener Bindungsprobleme und Selbstzweifel entwickeln, ob es nun in den Slums von Kappstadt lebt oder in einem deutschen Vorort? Ist es nicht natürlich, dass wir Menschen uns auf die Suche nach dem Ursprung unserer Probleme machen wollen und auch einen Schuldigen dafür finden möchten? Ist man adoptiert, liegt der Grund in der Entwurzelung. Irgendwie klingt das in meinen Ohren nach Symptombehandlung.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein zweijähriges Kind seine Kultur in einem Maß wahrnimmt, dass das eine Rolle spielen könnte. Für mich persönlich sind meine Wurzeln die Menschen, die mich lieben, die schönen Erfahrungen, die ich im Leben machen durfte und das Vertrauen, das ich genieße. Ich mag mich und die Menschen um mich herum, vertraue ihnen und fühle mich geborgen- ist das nicht das ureigenste Bedürfnis eines jeden Menschen? Spürt ein Adoptierter wirklich diese innere Zerrissenheit, weil er in einem anderen Land mit anderer Sprache und Kultur aufwächst? Oder spürt er sie, weil er als Kind Ablehnung und Vernachlässigung erfahren hat? Was nimmt ein Säugling denn mehr wahr? Was beeinflusst seine soziale Entwicklung mehr?
Ich habe viel gehört von Aggressionen, Bindungsproblemen, Depressionen, Verlassensängsten und Selbsthass-sind das nicht alles Dinge, die eher auf frühkindliche Traumata im Mutter-Kind-Verhältnis hinweisen, als auf Veränderungen des kulturellen Umfeldes? Wäre ein solch traumatisiertes Kind wirklich besser in seinem Ursprungsland aufgehoben? Gäbe es dort mehr soziale Sicherheit? Bessere Therapiemöglichkeiten? Hätte es dort bessere Chancen seine Eltern zu finden? Würden Bürokratie, Organisation und Bildung das überhaupt besser ermöglichen? Und wären die finanziellen Mittel dafür vorhanden? Wie viele der elternlosen Kinder, die in ihrem Ursprungsland verbleiben sind denn glücklich und nicht nur damit beschäftigt sich vor Hunger und Krankheit zu bewahren oder dagegen kämpfen kriminell zu werden? Es gibt auch hier Erfolgsgeschichten, das will ich sicher nicht abstreiten-erst gestern sah ich eine Reportage über einen tollen Jungen, der sich vom Strassenkind zum Gymnasiasten gekämpft hat- aber ist es tatsächlich besser für jedes Kind nicht adoptiert zu werden und um jeden Preis im Ursprungsland zu bleiben?
Könnte es nicht sein, dass es immer Traumata gibt, wenn Kinder ihre Eltern verlieren, die sich einfach später manifestieren, egal wo das Kind aufwächst und eine Auslandsadoption kaum Einfluss darauf hat? Die Argumente: erneuter Wechsel der Bezugspersonen: ist in Heimen sehr oft der Fall. schockierende Reise: sollte man dann mit Kindern gar nicht fliegen? Kulturschock- ab wann gilt das? Von Kappstadt nach Berlin ist der sicher nicht so groß wie von Illertissen nach Berlin.. Sind diese Wurzeln nicht vielleicht fehlinterpretiert?
Vielen lieben Dank für Eure Hilfe und Diskussionsfreude schon jetzt.
Zitat von taratanitaHallo liebe Forumsmitglieder. Ich bin neu hier und lese nun seit Stunden quer herum. Nachdem ich nun in den letzten Wochen viele viele Stunden Berichte und Filmmaterial über Adoptionsverfahren, Heime, Strassenkinder, Aidswaisen, Teeniemütter, Vernachlässigung, Slums, Hilfsprojekte, die Zustände auf Haiti, Spendengeldaffären, Roma-Kinder und Kinderhandel gesehen habe, bin ich nun völlig überflutet und möchte Euch um Austausch bitten, vielleicht könnt Ihr mir ja beim Sortieren helfen. Mein Mann und ich würden gern ein Kind adoptieren-nicht weil wir keine bekommen können, sondern weil wir der Meinung sind, dass es genug Kinder gibt, die Eltern brauchen. Das Thema was uns dabei am meisten am Herzen liegt ist keinem Kind zu schaden. Das Stichwort, das mir am häufigsten begegnet ist "Entwurzelung". Ich frage mich, ob die Probleme, die bei vielen Adoptivkindern auftreten, wirklich dadurch entstehen oder verschlimmert werden, dass sie nicht in ihrem Geburtsland aufwachsen. Ich möchte ganz bewusst nur über die Kinder sprechen, die wirklich Waisen sind, verlassen oder abgegeben wurden, denn ich möchte nicht über illegale Machenschaften diskutieren, sondern über die Psyche von Kindern. Ist es nicht wahrscheinlich, dass ein Kind, das frühe traumatische Erlebnisse, wie Angst, Krankheit, Vernachlässigung, Kälte, Hunger, Einsamkeit, Schläge, Verlust der Eltern und des bekannten Umfeldes erleben musste, einfach generell so schwer vorbelastet ist, dass es in seiner Entwicklung früher oder später bestimmte Schwierigkeiten hat und das völlig unabhängig davon, wo es lebt? Wird das Kind nicht vielleicht als Teenager oder junger Erwachsener Bindungsprobleme und Selbstzweifel entwickeln, ob es nun in den Slums von Kappstadt lebt oder in einem deutschen Vorort? Ist es nicht natürlich, dass wir Menschen uns auf die Suche nach dem Ursprung unserer Probleme machen wollen und auch einen Schuldigen dafür finden möchten? Ist man adoptiert, liegt der Grund in der Entwurzelung. Irgendwie klingt das in meinen Ohren nach Symptombehandlung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein zweijähriges Kind seine Kultur in einem Maß wahrnimmt, dass das eine Rolle spielen könnte. Für mich persönlich sind meine Wurzeln die Menschen, die mich lieben, die schönen Erfahrungen, die ich im Leben machen durfte und das Vertrauen, das ich genieße. Ich mag mich und die Menschen um mich herum, vertraue ihnen und fühle mich geborgen- ist das nicht das ureigenste Bedürfnis eines jeden Menschen? Spürt ein Adoptierter wirklich diese innere Zerrissenheit, weil er in einem anderen Land mit anderer Sprache und Kultur aufwächst? Oder spürt er sie, weil er als Kind Ablehnung und Vernachlässigung erfahren hat? Was nimmt ein Säugling denn mehr wahr? Was beeinflusst seine soziale Entwicklung mehr? Ich habe viel gehört von Aggressionen, Bindungsproblemen, Depressionen, Verlassensängsten und Selbsthass-sind das nicht alles Dinge, die eher auf frühkindliche Traumata im Mutter-Kind-Verhältnis hinweisen, als auf Veränderungen des kulturellen Umfeldes? Wäre ein solch traumatisiertes Kind wirklich besser in seinem Ursprungsland aufgehoben? Gäbe es dort mehr soziale Sicherheit? Bessere Therapiemöglichkeiten? Hätte es dort bessere Chancen seine Eltern zu finden? Würden Bürokratie, Organisation und Bildung das überhaupt besser ermöglichen? Und wären die finanziellen Mittel dafür vorhanden? Wie viele der elternlosen Kinder, die in ihrem Ursprungsland verbleiben sind denn glücklich und nicht nur damit beschäftigt sich vor Hunger und Krankheit zu bewahren oder dagegen kämpfen kriminell zu werden? Es gibt auch hier Erfolgsgeschichten, das will ich sicher nicht abstreiten-erst gestern sah ich eine Reportage über einen tollen Jungen, der sich vom Strassenkind zum Gymnasiasten gekämpft hat- aber ist es tatsächlich besser für jedes Kind nicht adoptiert zu werden und um jeden Preis im Ursprungsland zu bleiben? Könnte es nicht sein, dass es immer Traumata gibt, wenn Kinder ihre Eltern verlieren, die sich einfach später manifestieren, egal wo das Kind aufwächst und eine Auslandsadoption kaum Einfluss darauf hat? Die Argumente: erneuter Wechsel der Bezugspersonen: ist in Heimen sehr oft der Fall. schockierende Reise: sollte man dann mit Kindern gar nicht fliegen? Kulturschock- ab wann gilt das? Von Kappstadt nach Berlin ist der sicher nicht so groß wie von Illertissen nach Berlin.. Sind diese Wurzeln nicht vielleicht fehlinterpretiert? Vielen lieben Dank für Eure Hilfe und Diskussionsfreude schon jetzt. Liebe Grüße, Tara
Hallo Tara,
könntest Du Deinen Text inhaltlich etwas straffen und optisch durch Absätze gliedern? So schwimmen mir nämlich die Augen.
Lieber Harald, ich hatte jetzt mit vielen Reaktionen gerechnet, aber nicht mit welchem zum Layout - straffen? Ich weiß nicht genau wie das gehen soll bei einem so schwierigen Thema..ich hab ja eh schon nur nen Bruchteil von dem geschrieben, was mich beschäftigt Ich denke, es kann sich doch jeder einen Punkt raussuchen, zu dem er etwas sagen möchte oder Erfahrungen hat- ist das schlecht gedacht? Liebe Grüße, Tara
Also...erstmals finde ich gut, dass du diese Fragen stellst. Sowohl dir selbst, als auch an die Leute in diesem Forum. Und ich hoffe, du bekommst viele konstruktive Antworten. Es könnte aber schon vorkommen, dass sich manche Leute von diesen Fragen provoziert fühlen, das ist normal, da "Adoption" ein Thema ist, das oft mit Schmerz verbunden ist.
ZitatSpürt ein Adoptierter wirklich diese innere Zerrissenheit, weil er in einem anderen Land mit anderer Sprache und Kultur aufwächst?
Ich wurde zwar im Inland (Österreich) geboren, adoptiert und aufgezogen und wurde quasi nie aus meiner Kultur herausgerissen. Ich hatte (und habe) tolle Adoptiveltern, mit denen ich nach wie vor eine wirklich gute Beziehung habe. Aber sogar mich hat das Thema "Adoption" extremst zerrissen. Und ich denke, wäre ich aus einem anderen Land und hätte womöglich noch eine andere Hautfarbe oder andere Gesichtszüge (wie z.B. die mandelförmigen Augen bei asiatisch-stämmigen Menschen), würde ich das sehr wohl merken und ja...es würde mich zerreißen! Spätestens, wenn ein Kind wirklich kapiert, was es bedeutet, adoptiert zu sein (meist geschieht das etwa in der Vorpubertät), wird diese Zerrissenheit aufkommen. Vielleicht nicht in allen Fällen, aber ich wage zu behaupten, dass es in den allermeisten Fällen so kommt. Die Antwort auf deine Frage lautete für mich daher auf jeden Fall: Ja. Mehr dazu können sicher andere Foren-Mitglieder sagen, die von Auslandsadoption betroffen sind.
ZitatFür mich persönlich sind meine Wurzeln die Menschen, die mich lieben, die schönen Erfahrungen, die ich im Leben machen durfte und das Vertrauen, das ich genieße. Ich mag mich und die Menschen um mich herum, vertraue ihnen und fühle mich geborgen- ist das nicht das ureigenste Bedürfnis eines jeden Menschen?
Ja...für dich sind deine Wurzeln die Menschen, die dich lieben. Und das kannst du nur sagen, weil du deine leiblichen Wurzeln kennst (davon gehe ich jetzt zumindest mal aus). Sprüche wie "Ganz die Mama" oder "Ganz der Papa", hast du wahrscheinlich schon als Kind gehört und das ist für dich normal geworden. Ebenso wie es für dich das Normalste von der Welt ist, im Bauch der Frau gewachsen zu sein, die dich auch großgezogen hat. Für Adoptivkinder ist das alles nicht normal. Und dass das alles nicht normal ist, erleben sie jeden Tag! Und um zum Thema Auslandsadoption zurückzukommen: Als dunkelhäutiges Kind von hellhäutigen Eltern, ist diese Andersartigkeit (auch für Außenstehende) noch viel offensichtlicher.
Adoption ist ein schwieriges Thema und obwohl ich deine oben aufgelisteten Punkte FÜR eine Auslandsadoption sehr wohl verstehe, bin ich dennoch zerrissen, was meine Einstellung zum Thema Auslandsadoption angeht. Und es gibt ganz bestimmt Fälle, in denen Auslandsadoption gut gehen kann, versteh mich da bitte nicht falsch. Aber ich glaube, diese Fälle sind vergleichsweise selten. Ob eine Auslandsadoption gelingt, hängt meiner Meinung nach - und es möge mich bitte jemand ausbessern, wenn ich falsch liege - vom Adoptivkind ab und davon, wie viel Unterstützung (Reisen ins Ursprungsland, Hilfe bei der Suche nach der Herkunftsfamilie, ...) und Verständnis es von den Adoptiveltern bekommt.
Liebe Riddle, vielen Dank für Deine Erklärungen. Ich möchte ganz sicher niemanden provozieren, mir liegt es nicht irgendjemanden zu verurteilen oder Vorwürfe zu machen. Ich hoffe einfach nur auf ein besseres Verständnis der Umstände durch Eure Antworten. Ich möchte eben keinen Fehler machen oder rein egoistisch handeln. Deshalb die genauen Fragen. Liebe Grüße, Tara
die Fragen die du aufgeworfen hast, werden hier auf den Foren tatsächlich ganz vielfältig diskutiert, da wirst du viel einschlägige (persönliche) Erfahrungen und hilfreiches Feedback finden, da bin ich ganz sicher. Gelegentliches nicht ganz so hilfreiches feedback kannst du freundlich ignorieren; viele Teilnehmer haben teils schwere Biographien durchlitten, da können auch mal eher schroffe Reaktionen vorkommen, hab dafür Verständnis. Dass du die Information und den Austausch suchst, finde ich toll, das spricht doch für dich.
Ich habe selbst keine besonderen Erfahrungen zum Thema ausländischer Herkunft beizusteuern; schätze dass ich irgendwo auch polnische Wurzeln habe fällt nicht so schwer ins Gewicht. Aber wenn ich an meine eigenen Erfahrungen mit der Wurzelsuche denke, frage ich mich, ob eine solche Unterscheidung zwischen persönlicher Bindung z. Mutter/Herkunftseltern einerseits und kulturelle Prägung / gewohnter Kulturkreis so sicher durchzuhalten und vor allem ob sie überhaupt sinnvoll ist. Ich denke, entscheidend ist, dass das Adoptivkind eben, zu welchem noch so frühen Zeitpunkt es auch abgegeben wird, immer ein Leben vor der Adoption hatte und natürlich eine Bindung zu dieser Herkunft besteht.
Und jedenfalls wenn Adoption als Geschehen und Verfahren versucht, diese Beziehungsdimension auszublenden, dann schadet sie. - Um sozusagen an deinem topic-Titel anzuknüpfen. Ich denke, dass werden wohl die meisten Teilnehmer hier so unterschreiben, es ist ja ein ganz zentrales Thema hier in vielen, vielen threads. Wenn dem Adoptivkind erschwert oder gar verweigert/verboten wird, einen positiven Zugang zu dieser Dimension seiner Identität zu finden, oder wenn Eltern fremde Wesenszüge des Kindes als falsch und abweichend betrachten und (am Besten noch "zum Besten des Kindes" auszutreiben versuchen, dann sind psychische Probleme wohl praktisch unausweichlich.
Ich persönlich glaube schon, dass die Abgabe selbst in gewisser Weise ein frühkindliches Trennungstrauma verursacht. Und, wenn man mögliche hinzukommende "schlimme Dinge" wie Missbrauch, Unterernährung, FAS, etc.pp. einmal beiseitelässt, glaube ich, dass es in Hinblick auf das Verlusterlebnis selbst nicht mal so viel Unterschied geben wird von Herkunftsland zu Herkunftsland. Aber das kann man ganz sicher auch anders sehen, empirische Kenntnisse fehlen mir. - Aber in jedem Fall denke ich, dass die Entwicklung und Virulenz dieses Traumas im Wesentlichen & vor allen mit den vorgenannten Punkten zusammenhängt. Will meinen: Wenn es für das Kind gelingt, zu seinen vier(!) Eltern positive gefühlsmäßige Bindungen zu entwickeln, wird auch dieses ursprüngliche Trauma heilen oder sich jedenfalls nicht in konkreten psychischen Störungen manifestieren.
Natürlich bleibt aber vor allem in Hinblick auf alle weiteren Lebenserfahrungen, die das Kind jeweils zu Abgabezeitpunkt bereits gemacht hat, ganz bestimmt ein Unterschied, wenn Kinder aus anderen Kulturkreisen kommen. Das werden aber die Teilnehmer sehr viel besser sagen können, die das selbst erlebt haben, deshalb bin ich jetzt still.
Lieber Arkanaut, vielen Dank für Deine Antwort. Ich selbst würde den Bezugs zum Herkunftsland und auch die Suche nach den leiblichen Eltern immer fördern und befürworten. Auch dahingehend, dass ich auch wollen würde, dass mein Kind seine Herkunftssprache lernt und wir als Familie dieses Land auch besuchen. Für mich steht es außer Frage, dass da Kontakt und Erfahrungen sehr wichtig sind. Sollte mein Kind später sein Herkunftsland besuchen wollen, dort studieren oder auch leben wollen, soll es sich nicht hilflos fühlen, sondern zumindest die Sprache beherrschen und Land und Leute bereits kennengelernt haben. Auch ich möchte mich dort verständigen können und mich für das Land begeistern können- das alles würde einem Kind die Identifikation vielleicht dahingehend erleichtern, dass es nur eine teilweise Entwurzelung wäre- könnte das sein? Liebe Grüße, Tara
1.Mein Mann und ich würden gern ein Kind adoptieren-nicht weil wir keine bekommen können, sondern weil wir der Meinung sind, dass es genug Kinder gibt, die Eltern brauchen.
2.Das Stichwort, das mir am häufigsten begegnet ist "Entwurzelung". Ich frage mich, ob die Probleme, die bei vielen Adoptivkindern auftreten, wirklich dadurch entstehen oder verschlimmert werden, dass sie nicht in ihrem Geburtsland aufwachsen. Ich möchte ganz bewusst nur über die Kinder sprechen, die wirklich Waisen sind, verlassen oder abgegeben wurden, denn ich möchte nicht über illegale Machenschaften diskutieren, sondern über die Psyche von Kindern.
3. Ist es nicht wahrscheinlich, dass ein Kind, das frühe traumatische Erlebnisse, wie Angst, Krankheit, Vernachlässigung, Kälte, Hunger, Einsamkeit, Schläge, Verlust der Eltern und des bekannten Umfeldes erleben musste, einfach generell so schwer vorbelastet ist, dass es in seiner Entwicklung früher oder später bestimmte Schwierigkeiten hat und das völlig unabhängig davon, wo es lebt? Wird das Kind nicht vielleicht als Teenager oder junger Erwachsener Bindungsprobleme und Selbstzweifel entwickeln, ob es nun in den Slums von Kappstadt lebt oder in einem deutschen Vorort? Ist es nicht natürlich, dass wir Menschen uns auf die Suche nach dem Ursprung unserer Probleme machen wollen und auch einen Schuldigen dafür finden möchten? Ist man adoptiert, liegt der Grund in der Entwurzelung. Irgendwie klingt das in meinen Ohren nach Symptombehandlung.
4. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein zweijähriges Kind seine Kultur in einem Maß wahrnimmt, dass das eine Rolle spielen könnte. Für mich persönlich sind meine Wurzeln die Menschen, die mich lieben, die schönen Erfahrungen, die ich im Leben machen durfte und das Vertrauen, das ich genieße. Ich mag mich und die Menschen um mich herum, vertraue ihnen und fühle mich geborgen- ist das nicht das ureigenste Bedürfnis eines jeden Menschen? Spürt ein Adoptierter wirklich diese innere Zerrissenheit, weil er in einem anderen Land mit anderer Sprache und Kultur aufwächst?
5. Könnte es nicht sein, dass es immer Traumata gibt, wenn Kinder ihre Eltern verlieren, die sich einfach später manifestieren, egal wo das Kind aufwächst und eine Auslandsadoption kaum Einfluss darauf hat? Die Argumente: erneuter Wechsel der Bezugspersonen: ist in Heimen sehr oft der Fall. schockierende Reise: sollte man dann mit Kindern gar nicht fliegen? Kulturschock- ab wann gilt das? Von Kappstadt nach Berlin ist der sicher nicht so groß wie von Illertissen nach Berlin.. Sind diese Wurzeln nicht vielleicht fehlinterpretiert? Liebe Grüße, Tara
Hallo,
Da ich zu faul bin, alle Absätze zu zitieren, hab ich sie nummeriert. Ich finde Riddle hat dir schon viele gute Sachen geschrieben.
1. wenn es rein um eine auslandsadoption geht, kann ich nicht viel dazu sagen. Für inlandsadoptionen gibt es mehr Bewerber als zur Adoption freigegebene Kinder, sodass die von euch vorgetragene Begründung nicht zum tragen kommt.
2. die entwurzelung findet meiner Ansicht nach sowieso statt, dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob es sich um eine auslandsadoption handelt. Ein Kind, welches nicht in der Familie aufwächst, in die es hineingeboren wurde, wird entwurzelt. Du wirst dich, wenn du dich mit dem Gedanken der auslandsadoption trägst, sehr wohl mit den illegalen Machenschaften hierbei auseinandersetzen müssen, schon allein um ihnen nicht aufzusitzen.
3. hier gebe ich dir zum Teil recht. Ich glaube auch, dass nicht allein der Umstand, aus dem Ausland adoptiert worden zu sein, zu späteren Problemen führt. Dazu gehört viel mehr, z. B. Die Lebensumstände vor und nach der Adoption, wie damit umgegangen wurde von außen, aber auch was man selbst verkraften kann. Nochmal der eigenen Kultur, Sprache, und letztlich dem Land "entrissen" zu sein, ist aber ein zusätzliches Päckchen, welches man verkraften muss. Was du mit "Schuldigen suchen" meinst, ist mir hier nicht klar?
4. ich denke, dass jemand, der vom Beginn des eigenen Lebens an eine umsorgende, behütete Kindheit bei den leibl. Eltern verbracht hat im Grunde nicht nachvollziehen kann, was es bedeutet, die eigenen unbekannten Wurzeln finden zu wollen, die bislang fehlen, um sich als ganzes zu fühlen und zu wissen, wer man selbst ist, wenn man in den spiegel schaut. Und wenn das Ergebnis der suche bedeutet dass man feststellt, dass die leiblichen Eltern einen nicht wollten, so weiß man wenigstens das! Ich denke jeder adoptierte spürt irgendwann mal eine innere Zerrissenheit, wenn man anfängt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Und ich kann mir vorstellen, dass der Aspekt, aus dem Ausland adoptiert worden zu sein diese vergrößert.
5. natürlich ist die Trennung von der leibl. Mutter ein Traumata, ganz unbestritten, und andere, nachfolgende bindungsabbrüche können dies ebenso sein. Aber wie ein (beispielsweise) Indonesier auszusehen, die Sprache aber nicht zu sprechen, Land und Leute kaum zu kennen und sich dort und hier fremd zu fühlen, stelle ich mir schwierig für Kinder vor. Das Bedarf sicher viel Engagement durch Adoptiveltern, um Kindern den Umgang hiermit zu erleichtern. Als Adoptiveltern wäre es zu einfach gedacht, sämtliche auftretenden Probleme auf früher geschehene Traumata abwälzen zu wollen. Im Gegenteil, sind nicht Adoptiveltern diejenigen, die durch ihre Bindung und ihr verhalten noch am ehesten in der Lage, die Traumata zu heilen? Das dies nicht immer und nicht für jedes erlebte Traumata gelingt, ist eine andere Sache.
Ich habe mal jemanden kennengelernt (nicht adoptiert), welcher ursprünglich aus Indonesien kommt. Dieser hat mir mal in einem Gespräch erzählt, dass er hier und dort immer der Ausländer ist. Hier optisch, und dort sprachlich, da man bei ihm wohl einen leichten Akzent heraushört im indonesischen. Dort ist er der deutsche, hier der Indonesier.
Hallo Vantera, wow, vielen Dank für die lange Antwort. Das mit der Nummerierung ist eine tolle Idee Ich übernehm das einfach mal: 1. Es ist uns prinzipiell egal ob ausländisches oder deutsches Adoptivkind. Dass in Deutschland mehr Bewerber als Kinder sind wissen wir, gerade in unserem Umkreis sind es aber extrem wenige. Die Mitarbeiterin unseres Jugendamtes konnte uns das auch nicht erklären. Das heißt also vielleicht wird auch hier irgendwann jemand gebraucht. Wenn nicht, gibt es überall Kinder ohne Eltern. 2.Wichtig ist mir zu erfahren ob die Entwurzelung für ein ausländisches Kind unzumutbar schlimmer ist als für ein deutsches. Mit den kriminellen Machenschaften beschäftigen wir uns sehr intensiv, da wir hier aber bereits ein sehr umfassendes Bild haben, möchte ich in diesem Thread nicht darüber diskutieren. Vor allem weil ich weiß, dass das Thema dann leicht eskaliert. Zu dem Thema würde mich lediglich interessieren ob jemand schlechte Erfahrungen mit EVAP hat. Über wichtige Aspekte dazu sind wir im Bilde, auch hier habe ich bereits fleißig gelesen. Ich freue mich aber trotzdem wenn jemand hierzu noch wichtige Hinweise hat. 3.Schuldiger war vielleicht etwas unglücklich ausgedrückt-ich meine damit die verantwortliche Ursache für Probleme.. 4.Ich hoffe sehr, dass es uns gelingen würde unserem Kind dann zu helfen sich zu finden.. 5.Dazu hab ich schon einiges geschrieben, wie etwa dass ich auf jeden Fall dafür sorgen würde, dass mein Kind die Sprache seines Herkunftslandes früh erlernt und auch das Land an sich kennenlernt, das halte ich für sehr wichtig.
1. weshalb muss es in Kind ohne Eltern sein? Auch Kinder, die noch leibl. Eltern haben und aus anderen gründen nicht bei ihren Herkunftseltern leben können "brauchen", sofern sie zur Adoption freigegeben wurden, Adoptiveltern? Dein Beitrag klingt eigentlich nicht so, als wäret ihr nicht bereit, euch mit der Herkunft eines Kindes zu befassen. Und letztlich haben auch Waisenkinder eine Familie, Großeltern, Onkel, Tanten usw.... 2. ob die entwurzelung eines auslandsadoptierten unzumutbar schlimmer ist, kann ich nicht beurteilen, da ich nicht davon betroffen bin. Entwurzelung allgemein ist aber ein großes Thema, welches man mit sich selbst auf jeden fall bearbeiten muss. 5. das glaube ich dir. Ich weiß nicht, wie es für die betroffenen Kinder ausreichend ist. Aber vielleicht melden sich noch einige zu Wort.
Vielleicht noch eine kurze Erklärung zum Thema pro und contra Adoption, egal ob In- oder Ausland: Ich lasse jedem seine Meinung. Meine eigene ist, dass Adoption an sich eine gute Sache ist. Jede gute Sache ist schlimm, wenn sie kriminalisiert oder missbraucht wird. Ich bin immer dafür nicht zu pauschalisieren. Autos sind eine gute und wichtige Sache- auch wenn sie gewisse Nachteile haben und Menschen damit rasen und Unfälle verursachen. Deshalb würde ich auch nicht pauschal Autos verteufeln. Ich denke es ist wichtig fair zu beurteilen und verantwortungsvoll zu handeln.
1. Mit "ohne Eltern" meinte ich nicht Waisen, sondern Kinder, deren Eltern sich nicht um sie kümmern können, egal warum. Den Kontakt zu Verwandten würde ich auf jeden Fall fördern wollen, wenn das möglich ist. Ich habe mit meinem ersten Mann auch dessen Kinder geheiratet und den Kontakt zur Mutter immer sehr gefördert-dadurch haben "meine" Kinder wieder einen guten Kontakt zu ihrer Mutter. Ich hatte damit nie ein Problem, im Gegenteil, ich habe mich für sie gefreut. 2.+5. Dann warten wir ab, ob andere mehr dazu sagen können
wenn du der Meinung bist, es gibt genügend Kineder, die Eltern brauchen, halte ich Auslandsadoption für den konsequenteren Weg, denn in Deutschland gibt es mehr Bewerber als Kinder. Im Ausland ist es umgekehrt.
Auch wir wollen unserer Tochter die Sprache erhalten. Unsere Tochter will aber zur Zeit Deutsch sprechen. Wenn wir sie jetzt mit ihrer Herkunftssprache konfrontieren würden, die ich in kleinen Brocken kann und demnächst per Sprachkurs lernen werde (da es jetzt möglich ist) weiß ich nicht, wie groß ihre Bereitschaft dazu wäre. Ich glaube, es wird einfacher, wenn sie die deutsche Sprache sicher kann. Dann aber wird ihre Herkunftssprache möglicherweise eine Fremdsprache sein.
Unsere Tochter ist z. Z. ganz in Deutschland. Ich werde sie dann nicht mit Dingen aus der Heimat konfrontieren, wenn sie nicht will. Wenn sie Fotos gucken will, kann sie, alles andere interessiert sie im Moment nicht.
Die Unseriosität bei Auslandsadoptionen liegt immer nahe. Aber die Leidtragenden sind so oder so die Kinder. Steht man auf dem Standpunkt, dass man diese Machenschaften nicht fördern will, landen die Kinder letztendlich auf der Straße oder schlimmer, da keine Heimplätze mehr frei sind. Adoptiert man die Kinder aus den armen Ländern, hält man das System am Laufen.
Für mich ist dieses Problem zur Zeit unlösbar. Wir sind trotz einiger Zweifel dabei geblieben, da es uns ums Kind ging. Das ist letztendlich auch die Motivation zur Adoption. Wenn ich unsere Tochter im Arm habe, denke ich nicht an diese Problematik, da das Verfahren nur ein kleiner Teilaspekt bei der Adoption ist.
Trotz aller Anstrengung freue ich mich jeden Tag darüber, dass wir das Verfahren "durchgezogen" haben und diesen kleinen wunderbaren Menschen begleiten dürfen auch wenn wir vielleicht noch so manche Überraschung oder Enttäuschung erleben werden.