Zitat von taratanitaIch hab ja auch extra für Harald neu gelayoutet und er schreibt gar nix dazu.. schnief
Hallo Tara,
schön, dass Du den Text jetzt neu gelayoutet hast.
Derzeit arbeite ich in Wechselschicht als Packer bei einem Logistikunternehmen in dreißig Kilometer Entfernung von meinem Zuhause, so dass mir nach Feierabend regelmäßig die Augen zufallen. Deine Änderungen habe ich daher im strengsten Wortsinne verschlafen. Kannst Du mir verzeihen?
Zur Sache: Adoption beinhaltet immer eine Entwurzelung. In vielen Fällen (vor allem, wenn das Ausland im Spiel ist) hat die Entwurzelung - und möglicherweise Traumatisierung - des Kindes schon vor der Adoption stattgefunden, so dass diese selber nicht die Wurzel allen Übels sein muss. Jahrelange Verwahrung in einem schmutzigen Waisenhaus in einem Balkanstaat oder einer katholischen Mission außerhalb Europas ist natürlich nicht das Wahre. Der Aufbau einer wirklichen Eltern-Kind-Beziehung wird dadurch nahezu unmöglich, selbst wenn das Kind seinen Hospitalismus oder sonstigen - vielleicht erst später sichtbaren - krankhaften Störungen überwindet. Man sollte also schon wissen, was man sich da unter Umständen aufbürdet und ob dem Kind wirklich geholfen wird. Aus dieser Erkenntnis wiederum ziehen viele Adoptionsinteressenten falsche Konsequenzen, indem sie sich dem Thema "Baby auf Bestellung" zuwenden.
Möglich, dass ich jetzt das Thema verfehlt oder mir die eigene Pointe versaut habe. Schreibe es bitte meiner physischen und psychischen Ermattung zu. Ich wollte Dir auf jeden Fall noch antworten, weiß aber nicht, ob es viel Sinn ergibt.
Lieber Harald, vielen Dank für Deine Antwort, es war doch nur ein Scherzchen. Ich beschäftige mich schon so lange mit dem Thema, da kann ich gut auf Antworten warten. Ich finde eigentlich jede Antwort hilfreich, auf Pointen kommt es mir dabei nicht an. Wenn Du magst kannst Du mir gern Deine persönlichen Erfahrungen einmal schildern und wo Du Chancen siehst, dass Adoptionseltern ihr Verhalten verbessern könnten, dem Kind das Leben zu erleichtern und einen besseren Start ins Leben ermöglichen. Ich glaube, dass traumatisierte Kinder eine besondere Chance und Unterstützung verdienen, ich habe hier schon viele Erfahrungen gemacht und würde mich dafür interessieren, wie das Kinder selbst später sehen, was sie sich gewünscht hätten. Liebe Grüße, Tara
Hola taratanita Ich habe mir nur ein paar praegende Saetze vorgenommen, auf die es meiner Ansicht nach ankommt. Ich kann alles nur Anreissen, leider 1) “weil wir der Meinung sind, dass es genug Kinder gibt, die Eltern brauchen.”
Das ist schon mal der beste Ansatz. Diese Einstellung hat also in erster Linie das Wohl des Kindes im Blick und nicht den eigenen Wunsch “Mutter” zu werden.
2) “Mit "ohne Eltern" meinte ich nicht Waisen, sondern Kinder, deren Eltern sich nicht um sie kümmern können, egal warum”
Doch damit beginnt die grosse Crux. Warum koennen sich “diese” Eltern nicht um die Kinder kuemmern. Bleiben wir bei Haiti, da du es erwaehnt hast. a) Weil die Eltern bitterarm sind und sich nicht mal selber ernaehren koennen mit dem was sie haben? Warum gibt dann der groesste Teil der Haitianer seiner Kinder nicht weg?
b) Weil die Kinder Vollwaise sind, ergo keine Eltern haben? Wachsen Kinder in einem luftleeren Raum aus? Oder gibt es nicht auch Tanten, Onkels, Brueder, “Primos” und so weiter?
Das Problem ist nicht so sehr, dass die Einheimischen die Kinder nicht wollen, sondern, hier beginnt das eigentliche Problem, dass der weisse Europaeer oder Nordamerikaner kommt, Geld in der Tasche hat und den Menschen dort fuer das Kind Geld bietet. Es ist ein Geschaeft, Menschenhandel.
Wer ist schon so stark der Verlockung zu widerstehen?
Wenn Kinder z.B. in Haiti in Waisenhaeusern aufwachsen, waere es nicht erst mal besser, man wuerde, wenn man ihnen helfen will, diese Kinder materiell unterstuetzen, damit etwa eine Tante, ein Onkel, das Kind aufnehmen kann, ohne sich “finanziell” zu ueberfordern?
Und damit kommen wir zu deiner naechsten Ueberlegung:
“Ich frage mich, ob die Probleme, die bei vielen Adoptivkindern auftreten, wirklich dadurch entstehen oder verschlimmert werden, dass sie nicht in ihrem Geburtsland aufwachsen.”
In der Psychologie udn Soziologie gibt es den Begriff der “Mentalitaet”,, die psychische Disposition von bestimmtem Verhalten . Ich moechte dir dazu –weils einfach ist- diesen Link dazu geben: http://de.wikipedia.org/wiki/Mentalit%C3%A4t
Lass dir dazu von mir, aus erster Hand also, etwas schildern, was hier gerne verdraengt, bagatellisiert, oder als schlichte “Luege” abgehandelt wird, weils nicht in den Kram preusischer Tugenden past: Die Menschen im anderen Erdkreis, ich spreche jetzt von ganz Lateinamerika einschliesslich der Karibik, erhalten vom ersten Tag der Geburt an eine ganz andere Koerperlichkeit als der Europaer. Das Neugeborene wird nicht etwa der Mama mal eben in den Arm gelegt und dann zurueck in die Wiege, sondern es bleibt am Leib der Mutter, Monatelang, Jahrelang. Es wird mit herumgetragen, es wird “geklopft” und gewiegt, es ist staendig dabei, egal wo man hingeht, die Nachbarn, die ganzen Angehoerige, auch Fremde, beugen sich ueber das Kind, griensen es an, stammeln was man so stammelt. Kurz, dieses Kind empfaengt vom ersten Moment an eine menschliche Naehe, die in Europa ganz unbekannt ist und Fremd erscheint.
Beides zusammen, die Mentalitaet (Hawai? Negroide-indigene Bevoelkerung!) und diese Koerperlichkeit ist Teil des praenatalen und postnatalen Vorgangs, aber auch der weiteren Lebenszeit, solange es in seinem Kulturkreis ist. Und genau aus dem es nun herausgerissen werden soll, damit es ihm mal “besser” geht, oder es “eine Familie” hat. Zur Mentalitaet gehoert auch die dependende Einstellung zum Leben, die Schicksalhafte Einstellung, die gerade bei Haitianern tief verwurzelt ist. Es gibt ja eine Genetische Genealogie, die hunderte von Generationen zurueck verfolgbar ist. Auslandsadoptionen ignorieren meist diese Wurzeln des Menschen, was frueher oder spaeter zu tiefgreifenden Stoerungen in den betreffenden Adoptionsmenschen fuehrt.
Es gibt also gemeinsame genetische und mentalitaetsbedingte Abstammungen, die nun ignoriert werden sollen, damit das Kind “eine Familie” hat und – in anderen Faellen- der reiche Europaer sich ein Kind kaufen kann.
Waere es nicht wirklich besser fuer dieses Kind, es koennte weiterhin eingebettet in seinem Kulturkreis mit seiner Mentalitaet (die Teil seines Volkes ist) aufwachsen, womoeglich bei Verwandten oder Freunden der (verstorbenen?)Eltern? Waere das nicht gesuender? Fuer das Kind. Wir sollten den Begriff “Mentalitaet” nicht als anerzogenes Erziehungsmodell herabwerten.
Was ich da eben anriss, gilt fuer den ganzen Lateinamerikanischen Raum. Er gilt mit Sicherheit auch fuer Afrika und Asien. Ob er auch fuer europaeische Laender gilt, die sich ja kulturell viel naeher stehen, sei dahingestellt.
Aus diesen Gruenden bin ich strikt gegen Auslandsadoptionen. Wer den Kindern etwas gutes tun will, sollte sich dafuer einsetzen, dass sie in ihrem Kulturkreis zu Eltern kommen, der kann diese Eltern fiannziell unterstuetzen.
Du schreibst: “Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein zweijähriges Kind seine Kultur in einem Maß wahrnimmt, dass das eine Rolle spielen könnte” Kultur ist nicht Theater oder Literatur oder Tanz. Kultur ist die gewachesene geschichtliche Entwicklung eines Volkes, die in den einzelnen Mitgliedern (in der Genetik, im Bewustsein, in der Mentalitaet) verankert ist. Das Kind weiss es (noch) nicht, spuert es aber. Wenn es euch wirklich um das Wohlergehen von Auslandskindern geht, dann lese doch mal von “chilena”, die aus Chile adoptiert wurde und ueber Jahre sich Fremd fuehlte in Deutschland und sehr darunter gelitten hat und leidet. Sie schrieb verschiedene Beitraege, einer davon, den ich gerade mal fand: http://www.adoption-forum.de/f5t5296-man...ufzuhoeren.html
Euer Engagement wirklich in allen Ehren. Aber ich erlebe hier wie Kinder aufwachsen, wie froehlich, wie spielend, wie leicht, und dabei ist es egal, ob es Kinder armer Menschen oder reicher Menschen sind. Sie wachsen viel freier und froehlicher auf als in Deutschland (und als man es sich in Deutschland vorstellen kann) . Ich kenne und erlebte ja diesen grossen Unterschied. Lasst sie weiterhin so frei und lebensfroh aufwachsen. Und wenn ihr helfen wollt, wie gesagt, finanziert doch ein Ehepaar in Haiti (oder sonstwo) dass dieses Kind in seinem Kulturkreis aufnimmt. Natuerlich habt ihr dann dieses Kind nicht stets vor Augen und koennt euch nicht an eurem Gefuehl aufbauen “wir sind gut”. Es bleibt abstract, aber dient wirklich dem Kind. Saludos!
Lieber Hans, danke für Deine ausführlichen Gedanken.. Auch darüber zu unterstützen habe ich mir viele Gedanken gemacht. Ich habe seit 15 Jahren ein kenianisches Patenkind, für das ich spende, mit dem ich auch regen Briefwechsel habe-anscheinend auch recht ungefilterten. Der Junge lebt in einem Heim, seine Eltern haben ihn weggegeben, besuchen ihn auch nicht, halten keinen Kontakt, obwohl sie in der Nähe leben, er sieht sie sogar in der Stadt. Er schrieb früher oft dass ihn das traurig macht, er es aber versteht, weil er für sie ja "wertlos" ist. Ich bin mir nicht sicher wie man eine finanzielle Hilfe gestalten könnte ohne andere Probleme zu verursachen. Kindergeld für Kinder, die von Verwandten aufgenommen werden finanzieren? Wie schnell gäbe es hier wohl schwarze Schafe, die sich so finanzieren würden, ohne dass ihnen wirklich etwas an den Kindern ihrer Verwandten läge? Wir möchten nicht aus Haiti adoptieren, aber ich beschäftige mich schon sehr lange mit der Thematik dort. Es gibt Kinder in Heimen, große Not, eine Flut an Spenden und viele Menschen, die ihr Leben dennoch nicht aufbauen. Ich habe Freunde, die häufig dort waren und auch ein Kind dort adoptiert haben. Die Mutter ist bekannt, das Kind hat sie auch vor zwei Jahren kennengelernt. Sie fragte ob sie jetzt von den Adoptiveltern Geld bekäme. Nicht wie es dem Kind geht. Sie hatte wieder ein ungeplantes Kind, das sie nicht ernähren kann. Kondome gab es in der Station dort kostenlos. Zu all dem Leid sind da auch noch Einheimische, die Kinder als Sklaven "in Pflege" nehmen. Klar, die Kinder sind dann in ihrem Kulturkreis-aber haben keine Kindheit. Denkst Du wirklich da wäre mit finanzieller Unterstützung geholfen? Ich denke Wärme und Fürsorge sind nicht auf Länder beschränkt. Es gibt Deutsche, die falsche Beweggründe haben und es gibt sicher auch in den Ursprungsländern Menschen, die ebenso wenig das Kindeswohl an erste Stelle rücken. Ich finde das zu einseitig betrachtet. Ich glaube dass auf Haiti sehr viel Unterstützung ankam, die Spenden waren enorm-aber dennoch passiert dort wenig in Eigeninitiative. Ich finde es sehr wichtig auch finanziell und durch Hilfsprojekte zu unterstützen, ich engagiere mich auch dafür. Nur um wieder von Einzelfällen wegzukommen, es gibt nicht für alle Heim- oder Straßenkinder Verwandte oder Einheimische, die sie nur deshalb nicht aufnehmen, weil ihnen das Geld fehlt. Es gibt viele Kinder aus Randgruppen, die einfach keiner will. Roma? HIV infizierte Kinder? Slumkinder? Behinderte Kinder? Mädchen in bestimmten Ländern? Was ist mit denen? Im Heim lassen? Ich weiß einfach nicht weiter. Wäre ich Königin der Welt würde ich das Elend abschaffen, aber ich bins nicht. Ich kann nur irgendwo einen kleinen Tropfen auf den heißen Stein gießen. Ich versuche nur herauszufinden auf welchen. Vielleicht sind wir eine kleine Ausnahme, denn wir können Kinder bekommen. Wir sind nicht verzweifelt, eine Adoption ist nicht unsere letzte Chance. Und wir sind bereits eine glückliche Familie. Wir haben uns dafür entschieden, weil wir einem Kind ein Zuhause geben möchten, das Eltern braucht. Wir sind auch ohne Adoption sehr glücklich- aber warum sollten wir dieses Glück und die Geborgenheit nicht teilen? Kann man nicht beides tun? Finanziell unterstützen und Adoptieren? Sollten wir nicht soziale Aufbauarbeit leisten und trotzdem denen helfen, die jetzt in diesem Moment Hilfe brauchen? Alle Veränderungen brauchen eben Zeit und bis dahin Adoptionsstopp? Wenn es wirklich keine Adoptierten gibt, die glücklich sind lasse ich sofort alle Pläne fallen- ich glaube es nur nicht.. Ich bin etwas verzweifelt.. Liebe Grüße, Tara
ich finde dein statement sehr gut und kann nachvollziehen was du meinst, da ich jahrelang in einem sog. "3.welt" arbeitskreis dabei war. ich bin aus dem grund ausgetreten, weil ich dort leute getroffen habe wie hans sie beschreibt und m.m. nach zu recht ablehnt.
ich sehe auch, wie du dich sehr realistisch mit dieser thematik, bzw. problematik auseinandersetzt mit dem ergebnis, dass ich auch jetzt ganz einfach etwas durcheinander bin....
Liebe Annalis, es tut mir sehr leid, ich wollte Dich nicht verwirren oder verunsichern-ich versuche nur irgendwie das Richtige zu tun. Es ist nur leider ganz und gar nicht leicht herauszufinden was das ist. Man müsste wirklich Aussagen von Adoptierten und ehemaligen Heimkindern, die nicht adoptiert wurden vergleichen..nur wie? Liebe Grüße, Tara
Liebe taratanita lass mich heute abend nur auf eines eingehen, auf die allgemeine Klage, es geschehe in Haiti zu wenig, die Menschen wuerden es irgendwie nicht packen, sich aufzuraffen. Ich habe den Zustand von "Dependent" erwaehnt, das heisst, die Abhaengigkeit, das mangelnde Selbstvertrauen. Das Volk Haitis wurde 300 jahre lang erst als abhaengige Sklaven, dann als "moderne" Sklaven unter dem Verrueckten Papa Doc und spaeter seinem moerderischem Sohn gehalten. Jeglicher Aufbruch, jegliche Veraenderung wurde brutal zerschlagen und im Keim erstickt. Diese jahrhundertalte Erfahrung, naemlich dass man weder Durchsetzungskraft noch Moeglichkeit hat etwas zu aendern, laehmt ein ganzes Volk. (Ich erinnere an den haitianischen Sklavengeneral Mackandal, der an die Menschenrechte der franzoesischen. Revolution glaubte, und der, als er sich den Franzosen vertrauensvoll in die Haende gab, oeffentlich verbrannt wurde)
Sie fuehlen sich schwach, diese Menschen, unfaehig, und erwarten dass, was sie jahrhundertlang vorgesetzt bekamen: Anweisung von aussen! Denn das ist das Einzige was sie gelehrt bekamen! Das darf man ihnen nie zum Vorwurf machen. Wer heute uber das Haitianische Volk klagt, hat den Blick zu diesen geschichtlichen Zusammenhaengen verloren und will nicht erkennen, was Versklavung und Unterdrueckung aus den Menschen macht.
Je mehr Hilfe von aussen kommt, umso mehr wird dieses Volk darin bestaetigt, Hilflos und Versagend zu sein! Je weniger Hilfe kommt, umso mehr versinkt es in einen Slum von Passivitaet und Resignation, in der nur noch der Vodooo hilft, der Zauber, der Glaube an Goetter, die maechtig sind und die die Menschen anflehen muessen.
Du siehst, das Problem ist sehr breit und es ist so einfach fuer uns sich hinzustellen und zu sagen "das sollten die doch endlich aendern".
Die von dir genannte Forderung nach Geld ist ein Teil dieser dependenten Einstellung. Es ist fuerchterlich, was hier passiert ist in den letzten hunderten Jahren, und es ist grauenhaft, dass das moderne Nordamerika dem Papa Doc zugesehen und ihn unterstuetzt hat. Klagen hilft jetzt aber nichts, sondern nur Geduld und Verstaendnis. Lies mal die Buecher von Christoph Buch Die Hochzeit von Port-au-Prince, Frankfurt am Main 1984 Karibische Kaltluft, Frankfurt am Main 1985 Standort Bananenrepublik, Buchs Grossmutter war Creolin aus Haiti, er hat heute noch dort Verwandet die er oefter besucht.
Und nochmal zu dem Geld, dass die Mutter erbat: Ich sage das mal so locker: wer so tief im materiellem Elend sitzt, dass er sich nur von gruenen Bananen ernaehren muss, der darf auch um Geld bitten. Ob es so ist weiss ich nicht, aber es spiegelt meine Einstellung wider.
tarantanita schreibt: "man müsste wirklich aussagen von adoptierten und ehemaligen heimkindern, die nicht adptiert wurden, vergleichen"
liebe tara, das dürfte schwierig sein, denn es handelt sich jeweils um indiviuell verschiedene einzelschicksale, die adoptierten können nicht wissen, wie es ihnen ergangen wäre, wären sie nicht adoptiert worden und die ehemaligen nichtadoptierten heimkinder können auch nicht wissen, wie es ihnen ergangen wäre, wären sie adoptiert worden. also hypothetische fragen, die meiner meinung nach nicht weiter führen.
als Ergänzung möchte ich zufügen, dass bei Unterernährung die Kraft fehlt körperlich zu arbeiten und etwas aufzubauen. Ebensowenig kann man mit fehelndem Material irgendetwas reparieren.
Wenn es in Haiti etwas aufwärts geht, dann schleppen die Vereinten Nationen die Cholera ins Land oder es passiert ein Erdbeben oder ein Wirbelsturm kann mangels Schutz durch Bäume o.ä. durchs Land wüten.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob die Vereinten Nationen wirklich zum Schutz in Haiti stationiert sein müssen oder ob es nicht besser wäre, dass sie mit den Haitianern das Land wieder aufbauen.
Lieber Hans, es liegt mir mehr als fern den Menschen auf Haiti ein Versagen vorzuwerfen oder irgendetwas anderes vorzuwerfen, dazu habe ich weder ein Recht noch das Bedürfnis. Mir geht es nie um Schuld, wohl aber um Lösungen für Leid, das ich sehe. Geschichtliche Hintergründe prägen Völker sehr, das weiß ich. Natürlich braucht ein Volk Zeit sich davon zu erholen und Selbständigkeit zu entwickeln, sich selbst zu finden und Stabilität aufzubauen- nur weiß ich nicht, ob die Entwicklung einer Nation auf dem Rücken von Individuen ausgetragen werden muss.
Ich für mich selbst denke immer mehr, dass Hilfe zur Selbsthilfe ein Grundpfeiler ist, um nachhaltig Veränderungen herbeizuführen, egal wo. Wieder möchte ich vom Beispiel Haiti weg, denn es spielt keine Rolle von welchem Land und welchen Problemen wir sprechen.
Jedes Land hat eigene Probleme. Vielleicht wurden die Menschen auf Haiti immer zu stark fremdbestimmt und haben deshalb Probleme eigene Strategien zu entwickeln und sich selbst zu helfen. Vielleicht verhindern die Folgen der Apartheid in Südafrika noch immer die Auflösung der Slums und nehmen so den Menschen dort die Perspektiven. Vielleicht verhindert das politisch-soziale System in Deutschland die Entwicklung eines echten sozialen Gewissens und lässt uns Deutsche "kälter" werden als wir sein möchten. Vielleicht hängen manche russische Heime noch veralteten politischen und sozialen Werten an, weil dort nie die moderne Entwicklungspsychologie ankam.
Alles Gründe, die nachvollziehbar und verständlich sind, alles Themen, die Zeit brauchen um aufgearbeitet und verändert zu werden. Nur was verändert sie? Ist das nicht Aufgabe des Individuums? Muss nicht jeder im Kleinen einen winzigen Beitrag leisten, damit irgendwann alle zusammen Großes bewirken können? Helfen nicht viele Tropfen auf den heißen Stein? Hilft nicht das Denken und Handeln eines jeden Einzelnen? Und ist es nicht unsere Menschlichkeit, unser Bedürfnis einem Einzelnen zu helfen der Schlüssel dazu etwas zu ändern? Zu lernen? Zeichen zu setzen? Ist es nicht das Schicksal eines jeden einzelnen Kindes, das viel bewirken kann und irgendwann einen Wandel begründet?
Das Beispiel des jungen Mannes aus Indien, der als Adoptierter zurück in sein Land geht um sich dort zu engagieren hat mich tief beeindruckt. Nicht weil es zeigt, dass Adoption "erfolgreiche" Kinder "macht", sondern weil dieser junge Mann nicht nur ein Bewusstsein für sein Volk, seine Herkunft entwickelt hat, sondern es gleichzeitig geschafft hat die Erfahrungen eines anderen Volkes liebevoll anzunehmen und daraus ein neues Bewusstsein geschaffen hat.
Jede Kultur, jedes Land hat ungeheure Schönheiten, wertvolle Traditionen und Strukturen, Menschen mit wunderbaren Eigenheiten- aber jedes Land hat auch große Probleme im Denken, im Aufbau und in den Strukturen. Wäre es nicht viel wichtiger hier voneinander zu lernen? Zieht es uns nicht deshalb in fremde Länder, begeistern uns nicht deshalb vielleicht das sonnige Gemüt, die Lockerheit, die Herzlichkeit, das laute Feiern und Tanzen, das "mañana, mañana!“ und die Gastfreundlichkeit, weil wir uns das alles ein bisschen mehr für uns selbst wünschen? Warum müssen wir werten und vergleichen? Warum nicht einfach lernen?
Nichts und niemand ist besser oder schlechter in meinen Augen. Natürlich machen Einzelne Fehler, die auch diskutiert werden dürfen und sollen, aber sollten wir verallgemeinern? Ich gebe mir große Mühe es nicht zu tun, aber ich mache auch Fehler. Ich bin kein Gutmensch, ich bin ein Egoist. Jeder Mensch ist ein Egoist. Das ist wichtig und gesund, solange es im Rahmen bleibt. Aber ich bin eben Mensch und kann Leid nicht einfach hinnehmen. Ich denke nach und möchte auf lange Sicht etwas bewirken, aber ich möchte mich auch nicht vor Einzelschicksalen verschließen, das macht mich zum Menschen.
Ich liebe fremde Kulturen, ich liebe Menschen, die anders sind als ich, denn ich will an mir arbeiten und ich will lernen, wie andere denken, ihre Probleme lösen, was sie glücklich macht und was sie so strahlen lässt. Ebenso wichtig ist es mir aber, den Menschen, die es verloren haben, dieses Strahlen zurückzubringen, wenn ich dazu in der Lage bin. Das zu teilen was ich kann und habe. Ich denke Menschen sollten sich gegenseitig helfen, nicht herausfinden wollen wer der „Bessere“ ist.
Ich bin begeisterter Pilger- nicht weil ich so gläubig bin, sondern weil auf dem Camino, dem Pilgerweg durch Spanien alle Nationalitäten aufeinander prallen. Weil dort jeder offen seine Stärken und Schwächen zeigt, weil ich dort gelernt habe, dass deutsche Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, der Fleiß und der Ehrgeiz, die uns nachgesagt werden anderen ebenso als Vorbild dient wie mir deren Offenheit und all die anderen wunderbaren Eigenschaften der Menschen. Ich möchte nicht auswandern, um mich dem deutschen Einfluss zu entziehen, ich möchte lernen, um ganz im Kleinen hier ein bisschen was zu verändern, denn ich habe die Möglichkeiten.
Wir haben große Stärken, ist es schändlich sie zu teilen? Solange wir doch auch unsere Schwächen zugeben und ebenfalls bereit sind etwas anzunehmen, ist das doch das Beste was uns allen passieren kann. Ich bin dankbar für meine Chancen, obwohl das nie jemand von mir verlangt hat. Und ich denke jeder sollte dankbar sein, für sich, nicht um andere zufrieden zu stellen, nicht weil es erwartet wird. Jeder hat Chancen und die Macht etwas zu verändern.
Sollten wir ein Kind aus dem Ausland adoptieren ist das, was ich mir für dieses Kind wünsche Dankbarkeit für sein Leben, seine Herkunft und seine Gegenwart, Glück und innere Ruhe und das Wissen etwas Besonderes zu sein und viel für sich und andere bewegen zu können. Ich werde meinem Kind alles mitgeben was ich zu geben habe. Aber ich werde ihm nie das Gefühl geben es „gerettet“ zu haben, im Gegenteil, ich werde immer dankbar sein für die Chance es begleiten zu dürfen.
Kinder sind ein Geschenk, ein unermesslicher Reichtum, andere Denkweisen, andere Mentalitäten und Kulturen ebenfalls. Vielleicht bin ich ein Träumer, aber ich sehe neben all den Problemen auf der Welt die Globalisierung als riesige Chance unser Denken zu ändern, unsere Stärken und Schwächen untereinander auszutauschen und daraus zu lernen.
Ich fühle mit Maus, die sehr Schlechtes erlebt haben muss und ich bin traurig darüber- aber ebenso traurig bin ich über das Schicksal der 12jährigen, die als Kindersklavin, als Restavek ihre Kindheit fristet (http://www.youtube.com/watch?v=_rrpeT6Otak).
Es gibt keine Gruppen, die schlecht und unfähig sind, egal ob es sich um Völker wie zum Beispiel Deutsche oder Südamerikaner, oder Interessengruppen wie zum Beispiel Adoptionsgegner oder Adoptionsbefürworter handelt. Es gibt immer nur Individuen, die sich „richtig“ oder „falsch“ verhalten. Wir sollten uns nicht gegenseitig verurteilen und streiten, sondern voneinander lernen. Genau deshalb bin ich hier, genau das wünsche ich mir von Euch. Erzählt mir, diskutiert, jede Meinung ist mir wichtig und wertvoll , solange sie niemanden beleidigt oder absichtlich verletzt. Ich danke Euch für Eure Offenheit und freue mich über alles, was Ihr mir mitgebt, was Ihr mit mir teilt und auch über jeden Denkfehler, auf den Ihr mich hinweist. Ich bin sehr froh auf dieses Forum gestoßen zu sein. Liebe Grüße, Tara
Liebe Annalis, es geht mir nicht um einzelne Befragungen, sondern um eine Studie. Auch nicht darum, ob Kinder gern adoptiert worden wären, denn da hast Du recht, das kann niemand beurteilen. Interessant wäre eine Studie darüber, wie Adoptierte Erwachsene ihr Leben sehen und sich entwickelt haben und wie nicht adoptierte ehemalige Heimkinder sich entwickelt haben. Sind sie glücklich? Wie haben sie sich entwickelt? Wie leben sie heute? Das wäre durchaus aussagekräftig. Denkst Du nicht? Vor allem würde es dabei helfen die Bedingungen beider Seiten zu verbessern, oder? Liebe Grüße, Tara
Liebe taratanita Danke fuer dein beeindruckendes Schreiben. Ja, Haiti ist nur ein Fallbeispiel. Doch so geht es den meisten Voelkern der Schwellenlaendern. Aber was fuer Haiti gilt, gilt auch fuer alle Kulturen: Kinder, die von dort genommen werden, werden tiefgreifend entwurzelt. Auch wenn der junge Inder etwas positives aus seiner Adoption machte, so stehen ebenbuertig negative Beispiele entgegen. Und darf man wirklich, auf die Gefahr hin einen Menschen durch kulturelle und mentalitaetsbedinget Entwurzelung, zum Versuchsball machen, in der Hoffnung es koenne gut gehen?
Das weitere ist: Hilfe durch Selbsthilfe. Das sehe ich ebenso, schon immer. Nur da ist ein Knackpunkt: wer entscheidet ueber die Form dieser Hilfe? Menschen aus anderen Strukturen, die ihr Denken, ihre Biographie, ihre Geschichte einbringen, oder Menschen aus den Betroffenen Regionen, die ganz andere Zusammenhaenge sehen?
Ein Beispiel: Korruption. Ja, wird in Deutschland (Europa) geklagt, diese Laender sind furchtbar Korrupt. Das klagen Menschen, die in gesicherten Verhaeltnissen leben.
Und diesen Schwellenlaendern sieht man es oft anders. Korruption? Soll ich meinem Nachbarn, der mir beistand als ich in grosser Not war, nun nicht auch helfen duerfen? Wie Kaltherzig seid ihr?
Ich denke du verstehst was ich meine.
Wir haben Jahr fuer Jahr im August eine Pilgerung, es kommen ueber eine halbe Million Menschen, aus Nicaragua, USA, Venezuela ect.pp.
Du sagst "Kinder sind ein Geschenk, ein unermesslicher Reichtum, andere Denkweisen, andere Mentalitäten und Kulturen ebenfalls. Vielleicht bin ich ein Träumer, aber ich sehe neben all den Problemen auf der Welt die Globalisierung als riesige Chance unser Denken zu ändern, unsere Stärken und Schwächen untereinander auszutauschen und daraus zu lernen."
Meine Frau ist Indigena, also eine Ureinwohnerin. Sie hat mir sechs Kinder mitgebracht. Ich erlebe den kulturellen Unterschied quasi Tag fuer Tag seit vielen Jahren. Ich erlebe die Indios, wie sie, im Zuge der Globalisierung, sich mehr und mehr gegen weisse Eindringlinge wehren muessen, die ungefragt und unaufgefordert in ihr Schutzgebiet, ins Reservat kommen. Europaeische Frauen und Maedchen, die sich entbloesst an die Straende legen, eine Ohrfeige ins Gesicht der schamhaften Kultur der Indios. Mit dem unerbittlichem Beharren auf ihr Menschenrecht -und eben, auf die Globalisierung- pochen sie darauf sich verhalten zu koennen wie es ihr Gustus ist. Denn sie sind Frei. Frei aller Verantwortung.
Ich erlebe wie der indigene "Medizinmann", der seit 50 Jahren mit Pflanzen heilt, sich gegen weisse Nordamerikaner und Europaeer wehren muss, die ihm die Geheimnisse der Pflanzen stehlen wollen, um sie der Pharmazie zu verkaufen. Ich, der Hautnah die fremde Kultur erlebe und teils lebe, habe fuer die Globaalisierugn nicht das geringste uebrig. Sie dient nur den grossne Maerkten. Die Opfer sind die Voelker, die ich gerade nannte. Meine Frau stellt wunderbare Ceramic her, sie ist eine wahre Kuenstlerin. Handgefertigt, Handbemalt, Giftfreie Farben. Es hat seinen Preis. Im Zuge der Globalisierung kamen die Chinesen und verkaufen Ceramic zu Spottpreisen und die Leute kaufens, weils billig ist - Handarbeit? Billig soll es sein. Kreuzfahrtschiffe landen in den Haefen. Meine Frau bietet dort Ceramic an. Die Touristen - vor allem Japaner, Deutsche, Hollaender-kommen, schnueffeln und sagen: was, 3 Dollar? In Mexiko krieg ichs fuer 2 Dollar (und zugleich haben sie die Reise fuer 5000 Euro gebucht) Alles selber erlebt. Es fueher zu weit wenn ich schildere, wie Deutsche, die hier leben, den Indios Rat geben, wie sie reicher werden koennen. Und wie grauenhaft absurd das alles ist.
So sympatisch mir deine Einstellung und deine Gedankenwelt ist, so sehr moechte ich dich bitten, kein Kind aus dem Ausland zu adoptieren. Warum sollen sie den europaeischen Zynismus kennen lernen,wenn zugleich Zynismus in ihrer Heinmat ein Schimpfwort ist?
Wenn die Mutter noch lebt, baut ihr das Glueck des Kindes (und eures?) auf dem Leid der Mutter auf. Wenn die Mutter verstorben ist, gibt es etwa einen Vater, Onkel, Tanten, ect.pp.
@all: Vielen Dank an Hans-aber was wäre nun ein richtiger Lösungsansatz? So wirklich kommen wir nicht weiter- wer entscheidet über die richtige Hilfe- ich weiß es nicht, jeder einzelne mit dem was er tatsächlich tut- aber gibt es denn auch eigene Vorstellung der Hilfsbedürftigen darüber? In vielen Filmen konnte ich konkrete Butten hören, allerdings nur von Kindern: Ein kleiner Junge sagte, er möchte gern jemanden, der ihn beschützt und etwas zu essen. Ein anderer wünschte sich eine Familie und nicht mehr von der Polizei ungerecht behandelt zu werden. Andere eigene Vorschläge kenne ich nicht- gibt es sie? Nur darüber zu diskutieren bringt ja niemandem etwas, der Hilfe braucht. "Schaffe, net schwätze!" würde ein guter Freund von mir sagen. Es ist einfach gegen etwas zu sein und zu argumentieren, aber es ist nicht mein Wunsch zu reden- ich möchte helfen, etwas tun. Leider bleiben viele Fragen offen. Und nur mal so als weiterer Denkansatz: ist es nicht ebenso fremdbestimmend und eigenmächtig ein Kind zu adoptieren, wie diese Adoptionen verhindern zu wollen? Ist es nicht gleichermaßen entmündigend zu sagen "Du wirst adoptiert, egal wie es Dir damit geht" wie zu sagen "Du darfst nicht adoptiert werden, egal wie es Dir damit geht"? Maßen wir uns mit beiden Modellen nicht an für andere zu entscheiden, was das Beste für sie ist? Ich weiß es nicht.. Auch das Thema armer Onkel und mittellose Oma würden sich so gern kümmern liefert keine neuen Erkenntnisse und Reaktionen. Fakt ist nun einmal, sie existieren für viele Kinder gar nicht. Wer hat denn jetzt wirklich einen konkreten Vorschlag für das Dilemma? Es gibt zu viele Faktoren, als dass "Auslandsadoption bitte nicht" ausreichen würde. Liebe Grüße, Tara
Zitat von HansUnd nochmal zu dem Geld, dass die Mutter erbat: Ich sage das mal so locker: wer so tief im materiellem Elend sitzt, dass er sich nur von gruenen Bananen ernaehren muss, [b]der darf auch um Geld bitten.[/b
Lieber Hans, ich bin der Meinung, dass jeder, der Not leidet um etwas bitten darf, darum ging es nicht. Es geht mir darum, dass Du so oft betonst, Adoptiveltern würden ihr Glück auf dem Leid der leiblichen Mutter aufbauen. (-nebenbei, warum immer nur auf dem der Mutter? Auch die Väter verlieren doch ihr Kind.. ) Ich kann das eben nicht nur so sehen. Sicher gibt es viele, die darunter leiden, aber eben auch viele, bei denen das nicht so ist. Ich finde es nicht schlimm dass die Mutter um Geld bittet, sondern dass das ihre einzige Frage ist, obwohl daneben das Kind steht. Liebe Grüße, Tara
Zitat von taratanita... aber was wäre nun ein richtiger Lösungsansatz? So wirklich kommen wir nicht weiter- wer entscheidet über die richtige Hilfe ...
Vielleicht wäre eine mögiche Annäherung an eine Antwort auf deine Frage, wenn man sich selbst fragt was einem lieber wäre: in einer ungünstigen Situation bei den eigenen Eltern aufwachsen oder in einer "besseren" bei fremden (= nicht blutsverwandten) Menschen?